Distanzlernen, Notgruppen und Zeugnisse direkt

IGS: Schulleben im Lockdown nach Anfangsproblemen angelaufen | Keine Projektwoche, viel Gesprächsbedarf

Präsenzunterricht in der Notgruppe der IGS: Noah Schumann und Justin Karle, beide aus der 6a, bearbeitet mit iPads gerade ihre Aufgaben. Bei Noah geht es um das Thema »Demokratie/Kapitol­erstürmung«, und Justin lernt, wie man mit dem Tablet eine Tabelle erstellt.

Wie kommen die Schulen durch die Corona-Pandemie, durch den Lockdown mit immer neuen Herausforderungen? Die Einbecker Morgenpost hat vor Ort nachgefragt, wie die Erfahrungen mit Distanzlernen, Homeschooling und Notfallbetreuung sind.

Einbeck. »Der Start nach den Winterferien war für viele Schulen, auch für unsere, technisch holprig, was uns sehr geärgert hat, denn wir waren sehr gut auf das Homeschooling per Videoformat vorbereitet«, berichtet Gesamtschuldirektorin Sandra Friedrich. Die Jahrgänge der Einbecker IGS, die sich im Distanzlernen befinden, sollten also gemäß Stundenplan virtuell beschult werden.

Der Server der bekannten Plattform IServ sei, wie man auch in der Presse lesen konnte, vollkommen überlastet gewesen, weil zeitgleich von allen Schulen zugegriffen wurde. »Wir haben sofort nachgesteuert und unseren Plan B angewandt, das heißt, die Stunden per Videoübertragung deutlich reduziert und zeitlich versetzt gestartet und Aufgaben per Aufgabenmodul über IServ digital versendet«, erläutert sie weiter.

Bereits vor den Ferien hatte die IGS alle Schülerinnen und Schüler gebeten, ihre gesamten Schulmaterialien mit nach Hause zu nehmen, sodass alle zu Beginn des Schulstarts versorgt waren und kaum jemand mehr die Schule für eine Materialabholung aufsuchen musste. »Seit Tag 2 läuft unser Plan B weitgehend reibungslos«, so die Schulleiterin.

Zur Arbeitsweise, um Distanzlernen und Präsenzunterricht organisatorisch abzubilden, führt sie aus, dass sich momentan im wöchentlichen Wechsel die halben Lerngruppen des zehnten Jahrgangs, Abschlussschüler des neunten Jahrgangs sowie einige Schülerinnen und Schüler aus den Klassen 5 und 6, deren Eltern systemrelevanten Berufen nachgehen und die sonst keine Betreuung hätten, in der Schule sind. Die Betreuung übernehmen Lehrkräfte im Rahmen von Mehrarbeit. Sie werden von der Schulsozialarbeiterin und der FSJlerin unterstützt. Auch Schulbegleitungen sind vor Ort. Die Schüler aus der Notgruppe sowie auch die Abschlussschüler aus Jahrgang 9 haben iPads erhalten – die Schule verfügt über 60 Geräte, die an diejenigen verliehen werden, denen es zuhause an Technik fehlt. Sie schalten sich in den virtuellen Unterricht ihrer Klasse ein. Auch die Lehrkräfte, die vor Ort eingesetzt sind, aber am selben Tag auch virtuell Unterricht erteilen müssen, arbeiten mit iPads oder Notebooks aus der Schule. Dort sei es noch nie so ruhig gewesen wie derzeit«, berichtet die Schulleiterin. Zusätzliche Unterstützung gibt es von drei Mini-Jobbern, die auch mit Hilfe der Bildungsregion Südniedersachsen eingestellt wurden und die perspektivisch beispielsweise im Aufsichtsbereich für Entlastung sorgen können.

»Es gibt sogar noch das kostenlose Schulfrühstück in einer to-go-Form«, berichtet sie, was auch gut angenommen werde. Die Schülerinnen und Schüler freuten sich genau wie die Lehrkräfte, wieder in der Schule sein zu dürfen, das merke man deutlich. »Sie sind sehr diszipliniert, wenngleich ich schon wahrnehme, dass bei allen Anwesenden die Sorge angesichts der Infektionszahlen und bekannter Fälle vielleicht auch im privaten Umfeld steigt.«

Zeitgleich zu diesem Präsenzunterricht läuft für alle anderen IGS-Schüler der digitale Unterricht in den Fächern Deutsch, Mathematik, allen Fremdsprachen sowie in den Naturwissenschaften und im Fach Gesellschaftslehre im Videoformat. Sie bearbeiten in allen anderen Fächern ihre Aufgaben und laden die Ergebnisse bis 18 Uhr hoch für die Korrektur. »Das klappt auch bei dem meisten vorbildlich«, lobt Sandra Friedrich, aber ersetze selbstverständlich keinen Unterricht durch eine Lehrkraft, sondern ähnele eher einem Selbststudium. »Wir merken, dass unser schuleigenes Konzept, das das eigenverantwortlichem Lernen intensiv durch entsprechende Stunden fördert, hier hilfreich ist. Es läuft für alle somit der reguläre Stundenplan, was Sicherheit bietet. Das bedeutet allerdings auch erhebliche Mehrarbeit für alle Lehrkräfte, denn es muss viel rückgemeldet, korrigiert und besprochen werden, was an Arbeitsergebnissen digital ankommt.« Gebe es technische Probleme zuhause, kämen auch schon mal Messengerdienste ins Spiel, und es werde natürlich sehr viel telefoniert und gemailt, sodass viele Lehrer schon ein weiteres Smartphone dienstlich nutzen würden. »Privat- und Berufsleben verwischen mehr, zumal sich gern auch einfach mal so ausgetauscht wird, weil der soziale Kontakt allen fehlt«, umreißt sie die Situation.

Bei Sorgen und Nöten bemühe man sich sehr, etwa über die Schulseelsorgerin und die beiden Sozialarbeiterinnen professionell zu reagieren. Dann passiere es auch schon mal, dass intensive und längere Telefonate stattfinden würden, ein Kind in die Notgruppe vor Ort geholt werde oder anderweitig Unterstützung in die Wege geleitet werde. »Wir merken alle, wie gut es tut, miteinander in Kontakt zu kommen. und es zeigt sich, wie eng, konstruktiv und vertraut das Verhältnis zwischen Schülern, Eltern und Lehrkräften ist. Die vielen positiven Rückmeldungen auch an mich tun allen gut und bestärken uns«, stellt sie dazu fest.

Die Zeugnisse, so die Überlegung für das Monatsende, sollen gestaffelt nach Kohorten an verschiedenen Nachmittagen übergeben werden. Das sei der ausdrückliche Wunsch der Pädagogen, die sich um persönliche Wertschätzung bemühten und sich einen Versand per Post oder digital nicht vorstellen mochten. Dafür würden sie freiwillig in die Schule kommen, um wenigstens aus der Distanz heraus gute Wünsche und schöne Zeugnisferien übermitteln zu können.
Leider müsse die IGS aufgrund der aktuellen Entwicklung die für Februar geplante Projektwoche zugunsten eines regulären Unterrichts, in welcher Form auch immer, absagen. Ob sie im Sommer nachgeholt werde, werde sich noch zeigen. »Eine Prognose fällt mir schwer.« Man arbeite aber bereits an der digitalen Schultour, damit interessierte Eltern und Schüler der Grundschulen sich die IGS im kommenden Monat ansehen könnten – anstelle eines Tages der offenen Tür.

Dazu werden auch noch die Öffentlichkeit informiert. »Das ist zumindest positiv – die Digitalisierung hat richtig Fahrt aufgenommen, wenngleich da noch einiges mehr technisch nötig wäre, damit Schulen so arbeiten können, wie es wünschenswert wäre. Denn die besten Qualifizierungen und motivierten Lehrkräfte nutzen nichts, wenn irgendwo Server in die Knie gehen, Kapazitäten nicht reichen und Leitungen noch nicht entsprechend ausgebaut sind«, bedauert sie. »Audioformate, die wir nutzen, wenn zu viele in Stoßzeiten an einer virtuellen Konferenz oder Unterrichtsstunde teilnehmen, empfinde ich allerdings persönlich nicht als adäquaten Ersatz für eine gelungene persönliche Kommunikation. Es fehlen Gestik und Mimik, man hat kein ausreichendes Feedback als Moderator und – ganz ehrlich – auch nie die Gewissheit, ob alle, die sich eingeloggt haben, sich wirklich vor ihrem Rechner sitzen.«

Anstrengend seien die vielen kurzfristigen Wechsel der Szenarien, auf die sich Schule immer wieder schulorganisatorisch einstellen müsse; das belaste alle sehr. Es gebe keine verlässliche Ruhe und Kontinuität in dieser Zeit, sondern Flexibilität, Entscheidungsfreude und auch viel Gelassenheit seien gefragt. »Darin üben wir uns derzeit täglich und wissen jetzt noch nicht wie es im Februar weitergehen wird.« Man warte ebenfalls sehr gespannt auf die konkreten Regelungen zu den Abschlüssen und wisse, wie schwierig es sein werde, allen Ansprüchen gerecht zu werden. Vermutlich gebe es kein »ganz richtig« und »ganz falsch«. »Das, was wir konkret in der Hand haben, ist allein die Tatsache, dass wir die Schülerschaft weiterhin intensiv begleiten und so gut wir es vermögen auf ihren individuell besten Abschluss vorbereiten. Da bin ich allerdings durchaus optimistisch und vertraue auf die Leistungen meines Kollegiums ebenso wie auf das Leistungsvermögen der Schülerinnen und Schülern, die es betrifft«, blickt die Direktorin in die Zukunft. Darauf konzentriere man sich, nicht auf die konkreten Rahmenbedingungen und Vorgaben, auf die die Schule keinen oder nur bedingten Einfluss habe.oh