Durch »göttliche Vorsehung« nach Halle und in die Neue Welt

Mitarbeiter der Franckeschen Stiftungen zu Halle besuchen Einbeck / Taufeintrag und Haftbefehl / Patriarch der Lutherischen Kirche

In Einbeck sind er und seine Verdienste kaum bekannt, er wurde sogar mit einem Haftbefehl belegt; in der Neuen Welt dagegen ist er hochverehrt, und die Organisation, die ihn einst dorthin schickte, erinnert anlässlich des 300. Ge­burtstags gern an ihn: Heinrich Melchior Müh­len­berg, am 6. September 1711 in Einbeck geboren, gilt als Patriarch der Lutherischen Kirche in Nordamerika. Mitarbeiter der Franckeschen Stiftungen zu Halle, auf deren Initiative hin Müh­lenberg 1742 in die damaligen Britischen Kolo­nien reiste, waren jetzt in Einbeck auf den Spuren Mühlenbergs unterwegs. Unter anderem sahen sie sich den Taufeintrag an.

Einbeck. In der Münsterkirche St. Alexan­dri wurden die Mitarbeiter der Franckeschen Stiftungen aus Halle von der Leiterin des StadtMuseums, Dr. Elke Heege, willkommen ge­heißen. Als derjenige, der sich in den alten Einbecker Kirchenbüchern bestens auskennt, gab Gerd Hillebrecht vom Einbecker Geschichtsverein Erläuterungen zu Mühlenberg in Einbeck, was die Stadtführer, die später mit den Gästen unterwegs waren, noch vertieften.Heinrich Melchior Mühlenberg ist am 6. September 1711 in Einbeck geboren beziehungs­weise getauft worden. Die Taufe fand in der Neustädter Kirche St. Marien statt. Mühlenbergs Geburtshaus befand sich in der heutigen Altendorfer Straße 30. Es ist 1826 beim Stadtbrand zerstört worden, das heutige Gebäude wurde nach dieser Zeit dort errichtet.

Der Vater, Nikolaus Melchior Mühlenberg, wurde am 20. November 1664 in Einbeck ge­boren. Er war Schuhmachermeister, Brauer und Diakon in St. Marien sowie mehrmals auch ­Gildemeister der Schuhmacher. Er ist am 27. Ja­nuar 1729 gestorben und somit erst einige Jahre später, als Mühlenberg selbst dies in seinerBiographie darstellte: Er habe, so schrieb er selbst, früh den Vater verloren, wobei er das Jahr 1723 angab. Die Mutter, Anna Marie Mühlenberg, geborene Kleinschmidt, wurde vermutlich am ­ 2. No­vember 1667 geboren. Sie starb am 29. De­zember 1747 in Einbeck, wovon Mühlenberg in der Neuen Welt erst Jahre später erfuhr. Heinrich Melchior war das siebte von neun Kindern.

Er besuchte die Rats-Lateinschule in Einbeck. Nach einer »Pause« im Schulbesuch nahm er ab 1732 Privatstunden in Griechisch und He­bräisch, anschließend wurde er wieder in der Lateinschule aufgenommen. Das Schulgeld verdiente er in einem Chor, der in »besseren« Fa­milien Einbecks gas­tierte. 1734 war, nach einem Jahr in Zellerfeld, das letzte Jahr seiner Schulzeit in Einbeck. 1735 ging er als 140. Student an die neu gegründete Georg-August-Universität Göttingen, wo er Theologie belegte. Sein Professor, Dr. Joachim Oporin, war durch den Halleschen Pietismus ge­prägt: Er unterwies Müh­lenberg im bibeltreuen, zu­packenden und wohltätigen Chris­tentum im täglichen Leben. Ein Stipendium ermöglichte Mühlenberg ein dreijähriges Studium in Göttingen. An­schließend gründete er mit weiteren Studenten eine Kleinkindschule. Ab 1737 predigte er regelmäßig in der Universitätskirche, zugleich wurde er in das Theolo­gische Seminar aufgenommen.

Über Umwege kam er zu den Glauchaschen An­stalten, den Franckeschen Stiftungen zu Halle. Diese Empfehlung sah er später als »göttliche Vorsehung« an. Der Hallesche Pietismus wurde seine geistige Heimat. Er entschloss sich, das Studium hier zu vervollstän­digen und an­schließend einen Missionsauftrag zu übernehmen. 1739 wurde er in Leipzig ordiniert. Er trat eine Stelle in Großhennersdorf an, weil sich die Missionsaufgaben zerschlagen hatten. Bis 1741 leitete er die dortigen Waisenanstalten, an­schließend war die Situation finanziell nicht mehr zu halten. Er muss­te zurück nach Einbeck, um seinen Erbteil in Anspruch zu nehmen. Auf dem Rückweg, der über Halle führte, boten ihm die Franckeschen Stiftungen die Aufgabe als Pastor von drei deutsch-lutherischen Ge­meinden in der damaligen britischen Kolonie Pennsylvania in Nord-Amerika an. Die Vorbereitungen sollten in London erfolgen. Nachdem er sich von allen Gönnern verabschiedet hatte, führte die Reise Mühlenberg noch einmal nach Einbeck. Dort durfte er im Feb­ruar 1742 eine Predigt bei seinem ersten Beichtvater in der Neustädter Kirche halten. Mühlenberg habe »verbotene pietistische Convertikel gelesen«, hieß es anschließend, und am 8. März erging ein Haft­befehl. Er konnte die An­schuldigungen aber entkräften. Am 17. März 1742 verließ er seine Heimatstadt mit der Post­kutsche in Richtung Hannover.

In London traf er im April ein, neun Wochen lang hielt er sich hier auf. Die Überfahrt nach Amerika endete in Savannah am 4. Oktober, 1742. Am 25. November kam Mühlenberg in Pennsylvania, dem Ziel seiner Reise, an. Nach erfolgreicher beruf­licher Tätigkeit und Gründung einer großen Familie mit Anna Maria Weiser, die er im April 1745 heiratete, verstarb Müh­lenberg am 7. Oktober 1787 in New Providence/Trappe. Er wurde neben der von ihm ge­gründeten Kirche im Ort bestattet. ek