»Lebt endlich und genießt Eure Zeit«

Dr. Eckart von Hirschhausen begeisterte das Publikum im Einbecker Wilhelm-Bendow-Theater

Mit »Endlich! - Das neue Programm« begeisterte Dr. Eckart von Hirschhausen die Besucher im ausverkauften Wilhelm-Bendow-Theater.

Einbeck. »Mein Name ist Dr. Eckart von Hirschhausen. Ich bin Arzt, und ich will sie gut behandeln.« Musikalisch untermalt von »Doctor Doctor, give me the news« begrüßte der »Doktor der Nation« die Besucher im ausverkauften Wilhelm-Bendow-Theater. Beim zweiten Auftritt in Einbeck - organisiert vom Kulturring - war das Publikum von Beginn an begeistert von ihm und seinem neuen Programm »Endlich«.

Er freute sich, wieder in Einbeck sein, einer schönen Stadt geprägt durch Bier, Saatgut und Fachwerk. Würde hier jemand sagen »ich habe keinen Bock«, sei dies ein bedrohlicher Zustand, schmunzelte er. Er bezeichnete Einbeck zudem als Wiege der Kultur: In der Region wurden die ersten Menschen sesshaft - nach dem Verzehr von Bier konnten sie nicht mehr stehen. »Endlich« bot viele unerwartete Erlebnisse, außergewöhnliche Fakten, Zauberei und viel Musik mit Christoph Reuter am Klavier.

Der hatte auch eine Überraschung parat: Am 5. April kommt Reuter zu einem klassischen Konzert in die »Tangobrücke«. Gemäß des Ziels, Unterhaltung und Medizin zu verbinden, agierte Hirschhausen interaktiv, witzig und hintersinnig. Er bedankte sich unter anderem bei der Autoindustrie als größtem Zulieferer der Medizin und befasste sich mit Begriffen wie »Zeit« und »Endlichkeit«. Er fragte das Publikum: »Wann fangt Ihr endlich an zu leben?« »Carpe Diem«, »genieße den Tag«, dazu rief er auf.

Statt sich mit Vergangenheit und Zukunft zu befassen, sollte man im Hier und Jetzt leben. Im vergangenen Jahr 50 geworden, befinde er sich in der zweiten Lebenshälfte, so Hirschhausen. Wie viele im Einbecker Publikum - verdeutlicht durch einen hohen Wert der »Summ«-Skala - fühle er sich jünger. »Bei Jesus wollten sie auch alle ‘Jünger’ sein«, lachte Hirschhausen. Das Gebet einer älteren Dame, »Oben klar und unten dicht - lieber Gott, mehr will ich nicht«, berühre ihn, aber auch die näherkommenden »Einschläge«.

Er befasste sich mit der biologischen Uhr und wie man sie wieder aufziehen könnte. Alle wollten alt werden - aber keiner wolle alt sein. Die Lebenserwartung sei gestiegen, aber auch die Erwartung ans Leben, an die Medizin und die »ewige Jugend« - samt Anti-Aging-Cremes, Fitness- und Ernährungszwängen.

Die meisten Menschen seien mit 60 zufriedener, als mit 16. Zu Beginn eines Lebens scheine die Zeit nicht zu vergehen, so viel Neues lerne man. Im Neandertal fanden bei einer Lebenserwartung von 30 Jahren Pubertät und Midlife-Krise gleichzeitig statt. Heute herrsche eine größere Spanne zwischen Schülerausweis und Seniorenpass. Jede Sekunde sollte man genießen. Zur größeren Zufriedenheit rief er auf.

Glücklich sei man, das Wasser mit drei Jahren halten zu können, aber auch mit 93 Jahren. Knutschen hingegen sei immer aufregend - mit 15 und mit 75. Glückliche Menschen leben in der Gegenwart, das »Altern« sei keine »Betriebskrankheit«. Zwei Programm halte das Leben vor, so Hirschhausen: »vermehre Dich, in der ersten Lebenshälfte prägend, und »verzieh Dich«. »Bringe etwas Neues in die Welt, Kinder oder Ideen, und dann steh’ dem Neuen nicht ewig im Weg.« Alles habe Anfang und Ende.

Statt bei Beerdigungen still und traurig zu sein, könnte man wie in Mexiko auf Gräbern tanzen, wie in Japan zum Leichenschmaus Stripperinnen einladen oder wie in New Orleans in die Kneipe ziehen mit »Oh, when the Saints go marching In«: Gepriesen wird, am »Jüngsten Tag« zu den Auserwählten zu zählen. Viele Analogien liegen bei Hochzeiten und Beerdigungen vor.

Nicht nur beim Werfen des Brautstraußes frage man sich: »Wer ist der Nächste?« Sich in flüssigem Stickstoff konservieren zu lassen, sei »Bullshit«, das funktioniere nicht, wie man bei Suppenhühnern feststellen könne. Hinterher seien sie labberig, aber nicht lebendig. Zudem sollte man nicht an Selbstüberschätzung leiden, die Welt gehe auch ohne einen weiter. Fältchen gehören zum Altern.

Wer ab 25 Jahren keine Lachfalten habe, der lebe nicht. Fünf Ratschläge gab er für ein gesundes und langes Leben: »Bewege Dich«, »Rauche nicht«, »Iss Gemüse«, »Werde erwachsen« und »Bleibe Kind«. Das beuge Herzinfarkt und Schlaganfall vor und verlängere das Dasein auf Erden.

Wolle man jedoch das Diesseits und den Moment genießen, dann gelte nur »Bleibe Kind«. Zuwendungen und Berührungen seien wichtig, dabei werde das »Kuschelhormon« Oxytocin ausgeschüttet, »und deshalb sehen Männer nach dem Sex immer aus wie ein satter Säugling.« Ein Rezept für die Unsterblichkeit sei Musik, so Hirschhausen. Mozart starb beim Komponieren seines »Requiems«, sein Ruhm vergrößerte sich nach seinem Tod.

Dies treffe auch auf John F. Kennedy und Marilyn Monroe zu, wohl aber nicht auf Donald Trump und Pamela Anderson. Mit Musik könne man Vieles ausdrücken. Den ersten Sound, den ein Lebewesen höre, sei der Herzschlag der Mutter. Es sei der »Grundbeat des Lebens«. Bei einer Untersuchung passender Musik zum Sexualakt wählten die meisten Frauen den »Bolero«, bei dem man 20 Minuten warten müsste, bis es losgeht; Männer bevorzugten den »Minutenwalzer«. Jugendliche sehnten sich nach der Aussage von Klaus Lage: »1.000 Mal berührt, 1.000 Mal ist nix passiert.

1.000 und eine Nacht und es hat ‘zoom’ gemacht.« Der erste Liebeskummer sei danach nicht fern. Hirschhausen und Reuter priesen das Liebesleben von Weinbergschnecken mit langem Vorspiel, aber ohne Penisneid. Profile von Autoreifen könnte dem schnell ein Ende bereiten. Der Mensch sei das intelligenteste Wesen der Erde, so Hirschhausen, sollte sich aber endlich um sie kümmern und sie nicht zerstören.

Gleiches gelte für die menschliche Spezies. Mit verteilten Maßbändern konnte das Publikum den Bauchumfang messen. Ab einem Wert im roten Bereich (bei Frauen ab 90 Zentimetern, bei Männern ab 103 Zentimetern) liege ein großes koronares Risiko vor, die Lebenszeit verkürze sich um einige Jahre. Nicht zu Diäten riet er, sondern zum gesunden Leben. Gefahren drohten aber überall, vor allem »Schokoladentafeln wollen mich immer willenlos verführen«, scherzte Hirschhausen. Weiter warb er für seine Stiftung »Humor hilft heilen«.

Sie unterstützt unter anderem den Einsatz von Krankenhaus-Clowns. Unter den »Top Top«-Wünschen in Hospizen rangiere verständlich die Schmerzfreiheit, aber auch das Ziel, »nicht den Humor zu verlieren.« Dieser sei nicht oberflächlich, sondern eine positive Spiritualität, um den Unwägbarkeiten des Lebens zu begegnen. Statt Polonaisen gebe es vielleicht in 30 Jahren in Altenheimen »Loveparades« mit Technomusik.

Für Visionen und Ideen müsse man eintreten. Ein wichtiger Tipp für das gesunde Altern sei Bewegung. Ausdauer- und Kraftsport seien nützlich, vor allem aber tanzen. Viele Hirnareale würden angesprochen, es schütze auch vor Demenz. Die Pflege mit ihren eineinhalb Millionen Beschäftigten sei ein enorm wichtiger Bereich, ohne diese Mitarbeiter kämen die Patienten nicht mal vom Bett aufs Klo.

Aber viel mehr rege man sich hingegen auf, wenn ein paar Lokführer oder Fluglotsen streikten. Mit Beckenbodengymnastik unterhielt Hirschhausen das Einbecker Publikum, aber auch mit der Wiedergeburt als Frau oder dem sozialistischen Traum der Gleichheit - im Himmel. Dort sei aber auch nicht alles rosig, weshalb Hirschhausen sang: »Oh, ich habe solche Sehnsucht, ich will zurück nach Einbeck, ich will zurück ins Diesseitsland.«

Ab und zu sollte man mal aufräumen, nicht nur im Keller, auf dem Dachboden oder auf Festplatten, sondern auch im eigenen Leben. Alte Zeitungen oder Zeitschriften übergibt er gern Mitarbeitern der Müllabfuhr. In ihren orangefarbenen Outfits sehen sie wie spirituelle indische Gurus aus und stellen die existenzielle Frage: »Brennbar oder nicht brennbar?« Von Zwängen sollte man sich befreien, auf dass wie im ägyptischen Totenkult das Herz so leicht und rein wie eine Feder werde.

Ständig müsse man seinen Horizont erweitern, und wenn der Partner nicht mitziehe, vielleicht auch den »entsorgen«. Feste Grundwerte wie die Demokratie seien ständig zu verteidigen, aber auch mal etwas Ungewöhnliches zu machen, wie im Museum oder im Regen zu tanzen, das sei nicht verboten. Dr. Eckart von Hirschhausen und Christoph Reuter erhielten lang anhaltenden Beifall für das Programm »Endlich«.

Viele Autogramme schrieb der »Doktor der Nation«, stand für Fotos zur Verfügung und kam gern dem Wunsch nach Zugabe nach. Er appellierte zum Abschluss, seinen Wünschen oder Lebenszielen engagiert nachzugehen. Spießigkeit und Scheinriesen sollten einen nicht abschrecken. Jeder habe ein oder mehrere individuelle Ziele, sie sollte man verfolgen. Frei nach Udo Jürgens riet er, einmal verrückt sein und aus allen Zwängen zu fliehen«: »Lebt endlich und genießt Eure Zeit«.mru