Ein Mix, der Einbecks Attraktivität ins Licht rückt

FachwerkKulturSommer: Premiere mit abwechslungsreichem Programm und verkaufsoffenem Sonntag gelungen

Bier, Farbpig­mente und die entsprechenden Techniken und Materialien: Damit schafft Malermeister Kurt-Jens Richter Flächen, die einer Holzwand täuschend ähnlich sehen.

Einbeck. Fachwerk ist in Einbeck ein besonderer Schatz, gerade auch, was Qualität und Vielfalt angeht. Kultur wird gepflegt, für Jung und Alt, von unterschiedlichen Akteuren für viele Zielgruppen. Und (Spät-)Sommer ist es gerade am Sonntag noch einmal geworden, richtig prächtig. So konnte Einbeck Marketing gestern Nachmittag ein sehr positives Fazit einer neuen Veranstaltung ziehen: Am Wochenende fand der erste FachwerkKulturSommer statt, bei dem das Fachwerk in vielen Facetten im Mittelpunkt stand, ergänzt um ein Unterhaltungs- und Einkaufsangebot. Und das Paket wurde gut angenommen.

Vielfältiges Fachwerk zum Raten, zum Basteln, zum Malen, zum Kneten und zum Essen: In der Langen Brücke konnte man Traumfänger basteln, die Äste fachwerkmäßig angeordnet. Alt und neu gegeneinander gestellt: Mit historischen Fachwerkansichten, zur Verfügung gestellt vom Stadtarchiv, und dem aktuellen Gegenstück ließ sich ein kniffliges Memory spielen. Fachwerkhaus-Model mit blauer Farbe, damit wurden Stofftaschen bedruckt: Fachwerk trifft Blaudruck. Die Denkmalpaten luden ein, mit Lehm zu kneten und zu bauen. Die Blicke zog den ganzen Nachmittag über ein Stelzeläufer an, an seinen Armen hatte er, Flügeln ähnlich, fachwerk-bedruckte Stoffbahnen. Und ein Kuchen mit Schokoriegeln in Fachwerk-Manier war schön und lecker.

Für Staunen sorgte Malermeister und Dekorationsmaler Kurt-Jens Richter. Seine Holzbilder auf der Basis von Einbecker Landbier, das hat nämlich die richtige Mischung von heller Farbe, Eiweiß und Kohlenhydraten, und Farbpigmenten – Terra de Siena – sind von echtem Holz vermutlich erst beim Berühren zu unterscheiden. Die farbliche Grundlage wird mit verschiedenen Pinseln und weiteren Instrumenten, unter anderem Essstäbchen, so bearbeitet, dass man »Sägespuren« ebenso erkennt wie »Astlöcher«. Als die Tür, die er so geschaffen hatte, noch eine kleine Klinke bekam, war die Illusion komplett – bis hin zu den (selbstverständlich aufgemalten) Kreuzschlitzschrauben. Der Applaus war verdient.

Für Musik sorgten am Sonnabendnachmittag Marcus Kümmerling und Cecile Beelmann; am Sonntag machten Querflötenspielerinnen der Mendelssohn-Musikschule den Auftakt, bevor Lars Begerow den Nachmittag auf dem Marktplatz musikalisch umrahmte. Auf dem Innenstadtspielplatz in der Langen Brücke gab es ein Angebot des Einbecker Sportvereins, bei dem die jungen Besucher verschiedene Stationen absolvieren und sich spielerisch herausfordern konnten. Am Sonnabend beteiligte sich das EinKiFaBü unter anderem mit dem Verteilen weiterer Kreativ-Tüten, wie schon zum Weltkindertag. An beiden Tagen waren Schausteller dabei, unter anderem das Bungee-Trampolin, es gab süße und herzhafte Leckereien, ein Karussell und einen Stand zum Pfeilewerfen.

Man muss den Blick dafür bekommen, und das lohnt sich auch für Einbecker, die meinen schon ganz viel zu kennen: Bei Stadtführungen zum Thema Fachwerk lag der Fokus auf dieser historischen Baukunst. Dazu nahm beispielsweise Gästeführerin Birgit Lampe Interessierte mit durch die Innenstadt, beginnend am Eickeschen Haus, »unserem Juwel«, über Marktplatz und Tiedexer Straße. »Fachwerk spricht mit uns«, sagte sie, und der Rundgang machte deutlich, was es damit auf sich hat: So zeige der Blick auf die Schnitzereien an der Fassade oft, was das für Bewohner gewesen seien, die die Häuser erbauen ließen oder die darin wohnten. Der Erbauer des Eickeschen Hauses von 1612 beispielsweise sei nicht bekannt; man könne aber davon ausgehen, dass es sich um einen humanistisch vielseitig gebildeten Mann gehandelt habe, der sein Wissen auch zeigen wollte. Wer wohnt da, dazu orientierten sich diejenigen, die nicht lesen und schreiben konnten, an den Hausmarken. Und auch Wappen gaben darüber Auskunft, ob da ein Bäcker, ein Steinsetzer oder ein Schneider zuhause war. Am Alten Rathaus findet sich erstmals das gekrönte »E« als Stadtmarke.

Dabei ist Fachwerk nicht nur schön, sondern es sorgt auch für ein angenehmes Wohnklima. Wie sich die Fassaden im Lauf der Zeit verändert haben, zeigte Denkmalpflegerin Krimhild Fricke bei ihrer Führung zu Stuben und Erkern. Erker, führte sie aus, seien Ende des 16 Jahrhunderts »in« gewesen. Vier seien in Einbeck noch erhalten, unter anderem am Haus des ehemaligen Stadtkommandanten am Marktplatz und am Stadtmuseum. Wo sich im Barock zurückgebaute Erker befunden haben – damals fand man sie dann altmodisch und wollte alles symmetrisch haben –, lässt sich beim Blick auf die Fassade erkennen, etwa anhand abgetrennter Balken, während weitere links und rechts daneben noch Verzierungen aufweisen. Das konnten die Teilnehmer anhand zahlreicher Beispiele nachvollziehen. Etwas Besonderes war dabei das »Altstadt-Hotel«, der frühere »Gildehof«, an der Ecke Marktplatz/Pastorenstraße: Er hatte einen Eck-Erker. Hier mögen aber nicht nur »modische« Gründe für einen Abbruch gesprochen haben, sondern so aufwendige Konstruktionen waren der Witterung stark ausgesetzt. Möglicherweise haben also Schäden zur Entfernung geführt.

Im Alten Rathaus waren am Sonntagnachmittag drei interessante Vorträge zu hören: zum Bauen mit Lehm, warum Reparieren und Handwerk glücklich machen kann und zu Fachwerk zwischen Harz und Weser.

Info-Stände zum Fachwerk, etwa von der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte, der Deutsche Stiftung Denkmalschutz und dem Fachwerk-Fünfeck, beleuchteten das Thema ebenfalls.

Fach- beziehungsweise Handwerk praktisch gab es vor dem Alten Rathaus: Hier wuchs während des Tages am Stand von Zimmermeister Langheim aus einem Holzbalken eine aufwändige Schnitzerei. Bei der Dachdeckerei Stahlmann wurde wurden aus Schiefer Herzen gehämmert.

Geöffnet waren auch die Einzelhandelsgeschäfte innerhalb der Stadtmauern. Einbeck-Marketing-Geschäftsführerin Rebecca Siemoneit-Barum hat den Tag genutzt, mit ihnen direkt ins Gespräch zu kommen. Die Einzelhändler hätten sich über den verkaufsoffenen Sonntag gefreut; Einbeck Marketing wiederum sei sehr glücklich, dass so viele mitgemacht hätten, sagte sie. Die Vielfalt sei ein wichtiger Faktor für Einbecks Attraktivität. Die Resonanz insgesamt sei gut gewesen, das mache, so Rebecca Siemoneit-Barum, Vorfreude auf den Winter, denn der Weihnachtsmarkt soll stattfinden. »Einbeck hat sich im Zusammenspiel von seiner besten Seite gezeigt«, betonte sie: Die Fachwerkkulisse gehörte ebenso dazu wie die Gastronomie, die Schausteller auf dem Marktplatz, die Angebote für Kinder und eben geöffnete Geschäfte. Der Zusammenhalt sei ihnen wichtig, das hätten die vielen Gespräche ergeben, berichtete sie.

Das Angebot, lobte sie gemeinsam mit Geschäftsführerin Christiane Folttmann, sei sehr schön und rund gewesen, viele Unterstützer aus unterschiedlichen Bereichen waren dabei – eine gute Basis, dieses Angebot 2022 zu wiederholen und auszuweiten, auch zusammen mit der Landesgartenschau in Bad Gandersheim, wo eine Fachwerk-Woche geplant ist.ek