Ein Zeichen setzen für mehr soziale Gerechtigkeit

Maikundgebung auf dem Möncheplatz mit Appell: Zeit nehmen für gewerkschaftliches Engagement / Mitbestimmung pflegen

Mehr soziale Gerechtigkeit und Verantwortung, so lautet die Gewerkschaftsforderung zum 1. Mai. Den Arbeitnehmern falle bei der Überwindung der Krise, die sich nicht verursacht hätten, eine große Rolle zu. Das betonten die Redner der traditionellen Maikundgebung auf dem Einbecker Möncheplatz.

Einbeck. Dank an diejenigen, die die Kundgebung auch in diesem Jahr möglich gemacht hätten, stellte Achim Wenzig vom Ortsvorstand der IG Metall an den Beginn seiner Begrüßung. Allen Widerständen zum Trotz wolle man den 1. Mai weiter feiern und ihn mit Leben füllen. Auch Leiharbeitern und Arbeitslosen müsse man dabei klar machen, wie wichtig der 1. Mai und die Unterstützung der Maikundgebung seien.

So könne man deutlich machen, dass man mit einem großen Teil der Politik in diesem Land nicht einverstanden sei. Deutschland dürfe nicht zum Lohndumping-Land werden, sondern es müsse Arbeitsplätze bieten, von denen man leben könne: »Gerechte Entlohnung für gute Arbeit« forderte Wenzig. Würden die Maiveranstaltungen schlecht besucht, kämen sicher bald die Westerwelles mit der Feststellung: »Da geht keiner hin, den Feiertag können wir abschaffen.«

Auch nach dem Besuch der gewerkschaftlichen Veranstaltung könne man noch die örtlichen Maifeiern besuchen. Es müsse genügend Zeit sein, sich eine Stunde gewerkschaftlichen Themen auf dem Möncheplatz zu widmen und so zu zeigen, wie wichtig das Datum sei.

Dass der demokratische Sektor häufig am Werkstor ende, gelte noch immer, leider auch für die Stadt Einbeck, fuhr er fort. So sei für den Werksausschuss des Eigenbetriebs Kommunaler Bauhof mit den Stimmen von CDU, FDP und Grünen beschlossen worden, dass die Beschäftigtenvertreter hier kein Stimmrecht hätten. Das sei kein Zeichen von Demokratie, und das gelte auch für die Tatsache, dass »Jamaica« die teilweise Freistellung des Gesamtpersonalratsvorsitzenden zu viel an Mitbestimmung war. »Die Mehrheit verweigert dem Gesamtpersonalrat seine Rechte«, kritisierte Wenzig.

»Wir, die Arbeitnehmer, haben keine Verantwortung für die wirtschaftliche Lage, aber wir müssen die Konsequenzen tragen«, stellte Patrick Schreiner vom DGB-Bezirk fest. Die Beschäftigten übten finanziellen Verzicht und wendeten das Schlimmste ab. Man könne feststellen, dass Mitbestimmung in Deutschland ein Erfolgsmodell sei. Sie sei ein Garant für Nachhaltigkeit, deshalb sollte man für starke Beteiligung an Betriebsratswahlen mobilisieren.

Der Beitrag der Beschäftigten gehe weit über die Überwindung der Krise hinaus, und so laute das Mai-Motto »Wir gehen vor.« Allerdings sei man in der Praxis weit vom Vorrang der Beschäftigten entfernt. Man brauche einen starken Sozialstaat, der den Zockern mit ihrer fast religiösen Verehrung des Marktes endlich die Rechnung präsentiere. In vielen Bereichen werde so getan, als hätte es kein »Lehman« gegeben. Dabei sei mit Griechenland die nächste Krise schon da. Starke würden immer stärker, Schwache immer schwächer.

Wenn an einer Stelle Geld angesammelt werde, fehle es woanders. Der Schlüssel für die Krise liege in Brüssel und Berlin. Wenn man Griechenland abverlange zu sparen, bis es quietscht, sei das keine Lösung. Vielmehr sollte man überlegen, Gläubiger wie deutsche Großbanken heranzuziehen, die Verluste zu tragen. Außerdem sei mehr Transparenz notwendig: Wer verdiene an den Schulden? Nirgends werde man so schnell arm wie in Griechenland, und so sollte man Arbeitnehmer und Rentner nicht verunglimpfen, warnte er. Handeln müsse endlich Konsequenzen zeigen, aber neoliberale Zauberlehrlinge würden nur halbherzige Schönheitsreparaturen ausführen. Nachhaltige Wirtschaftspolitik sehe anders aus. Banken seien nicht nur da, den Wohlstand der Aktionäre zu mehren, und der Staat müsse sich stärker beteiligen und in die Wirtschaft eingreifen, aber das sei politisch unerwünscht. Es müsse Schluss sein mit blindem Glauben an den Markt.

Stattdessen würden die angeblichen Eliten Hetzkampagnen vom Zaun brechen, um Arbeitslose zu diffamieren und sie pauschal des Sozialversicherungsmissbrauchs zu bezichtigen. Sie sollten an Cents sparen, aber an anderer Stelle würden Milliarden versenkt. »Einem Euro Sozialmissbrauch stehen 1.400 Euro nicht gezahlter Steuern gegenüber«, führte Schreiner aus: Hier entstünden die Schäden in öffentlichen Haushalten.

Stattdessen würden die Sanktionen gegen Arbeitslose verschärft, die verstärkt in Leiharbeit gedrängt würden. Schon 22 Prozent der Beschäftigten arbeiteten im Niedriglohnsektor, und sei politischer Wille, dass er wachse. 1,3 Millionen Beschäftigte müssten Hartz IV beantragen, um genug zum Leben zu haben. Das ermögliche es Arbeitgebern, die Lohnschraube weiter anzuziehen. Leiharbeiter seien flexible Billigstlöhner ohne sozialen Schutz - dagegen müsse man etwas unternehmen. Klare Regelungen für Leiharbeit seien ebenso wichtig wie gleicher Lohn für gleiche Arbeit ab dem ersten Tag.

Deutschland brauche einen politisch und finanziell handlungsfähigen Staat. Das sei schwer angesichts leerer öffentlicher Kassen, aber sie seien schon vor der Krise ruiniert gewesen. Stattdessen würden weiter Steuern und Abgaben gesenkt, Erben und Hoteliers würden beschenkt, und »Mehr Netto vom Brutto« gelte nur für Reiche. Bezieher unterer und mittlerer Einkommen könnten weniger konsumieren, erführen stärkere Ausgrenzung.

Ein zukunftsfähiger Staat brauche mehr Geld, und das sei nur zu beschaffen durch eine gerechtere Steuerpolitik. Reiche und Unternehmen müssten ihrer Verantwortung nachkommen - man verlange ein deutliches Zeichen für mehr soziale Gerechtigkeit. ek