Einbeck vor 250 Jahren: das Schicksalsjahr 1761

Wechselnde Besatzungstruppen / Bürger und Stadt werden weiter erpresst / Lebensmittelpreise steigen

1760 war der Siebenjährige Krieg in vollem Gange. Einbeck war in den letzten drei Jahren mehrfach von französischen Truppen besetzt worden. Jedes Mal wurden große Mengen an Fouragen (Versorgungslieferungen) und Geld erpresst. Da die Lage mehrfach wechselte – mal waren feindliche Truppen, mal waren die eigenen hannoverschen Truppen oder deren Verbündete in der Stadt –, stiegen die Schulden der Einwohner und der Stadtkasse ins Unermessliche. Nachdem die Einbecker eine weitere Forderung der Franzosen verweigern konnten, weil eigenen Truppen der Nähe waren, hatte die Stadt wieder etwas Ruhe, doch vier Monate später kam wieder Militär in die Stadt.

Einbeck. Als am 7. Januar 1761 das Waldhausensche Kavallerie-Regiment in Einbeck Quartier nahm, kamen wieder Forderungen auf die Bürger zu. Die Lage in Einbeck muss verzweifelt gewesen sein. Hatten die Bürger schon den Franzosen die Zahlung verweigert, taten sie dies jetzt gegenüber den eigenen Truppen. »Die schwer belasteten Bürger wollten die Lieferung an Früchten, Heu und Stroh nicht gutwillig leisten«, so dass die Soldaten sich der geforderten Lieferung mit Gewalt bemächtigten.

Der Stadtrat legte darüber Beschwerde bei der Grubenhagenschen Landschaft ein – leider ohne Erfolg. Drei Wochen später waren die verbündeten Truppen weg, aber dafür kamen die Franzosen. Wieder forderten sie Geld, doch es war keins mehr da. Kurzerhand nahmen die Franzosen den Einbecker Bürgermeister Johann Wernher, ein ursprünglich aus Rheinhessen stammender angesehener Göttinger Professor, gemeinsam mit dem Stadtsyndikus Gottlieb Friedrich Jacobi, dem Forstinspektor Ernst, dem Postmeister Gräfenstein und dem Kaufmann Carl Dietrich Bandmann als Geiseln und verschleppten sie nach Göttingen.

Der französische »Kriegs-Commissär« Gresier de la Grave verlangte vom Fürstentum Grubenhagen die außerordentlich hohe Summe von 50.000 Talern in Gold, wovon die Stadt Einbeck »nach altem Herkommen« nicht nur »die sogenannte Quinta oder den fünften Theil« bezahlen sollte, sondern die komplette Summe auslegen und sich den Rest vom Fürstentum zurückholen sollte. Darüber hinaus sollte Einbeck sofort jeweils 100 Betten, Strohsäcke, Trinkgeschirre, Essschalen mit Becken und noch 400 Bettlaken und 400 Hemden anschaffen.

Das »Geheime Rathskollegium« in Hannover verbot dies allerdings und erließ am 5. März »ausdrückliche Ordre«, dem Feind »jede Contribution, sie möge Namen haben, welchen sie wolle, abzuschlagen«. So oder so: Einbeck hätte ohnehin nicht zahlen können.

Jetzt rückten unter dem Generaladjutanten von Estorff hannoversche Truppen aus, um der Stadt zu Hilfe zu eilen. Allerdings gelang es ihm nicht, die Geiseln aus Göttingen frei zu bekommen.Vorerst blieb die Lage in Einbeck ruhig, doch in den Monaten von März bis Juli kamen immer wieder bedrohliche Nachrichten über das Näherkommen der Franzosen.

Am 11. August war es soweit: 320 Reiter des »Regimentes de Rest« und 700 Mann Fußvolk vom »Regiment Suices« rückten unter Graf de Belunce in Einbeck ein. Einige Tage später kamen noch 300 Husaren des Regimentes Nassau dazu. Jetzt waren 1.300 feindliche Soldaten in der Stadt.

Auch jetzt sollte wieder eine hohe Geldsumme bezahlt und eine große Menge an Versorgungsgütern bereitgestellt werden. Doch in Einbeck war nach den vielen Durchzügen der feindlichen und freundlichen Truppen nichts mehr zu holen, »die Früchte standen noch im Felde und Geld war nicht zu haben«. Daraufhin wandte sich man an die benachbarten Ämter Greene und Gandersheim, »um die nötige Fourage von den dortigen Unterthanen zu erpressen«.

Am 13. August wurden die 300 Husaren durch das Kavallerie-Regiment St. Adelgonde ersetzt. Graf Luckner, der die Stadt mit seinen Truppen schon einmal gerettet hatte, befand sich in der Zwischenzeit in der Nähe von Dassel und Erichsburg. Die Franzosen fühlten sich deshalb in Einbeck nicht sicher und zogen am 14. August abends ab.Doch bereits sieben Tage später waren sie wieder da – diesmal mit einer »bedeutenden Macht«. Herzog Broglie und Prinz Xaver von Kursachsen machten Einbeck in dieser Zeit zwei Mal zu ihrem Hauptquartier. Broglie ließ seine Bäckerei in Einbeck einrichten und bezog am 11. September ein Lager auf der Hube. Drei Monate lang sollten sich die Franzosen hier eingraben. Spuren des französischen Heeres sind noch heute – 250 Jahre danach – am Fuß der Hube zu erkennen.

Diese drei Monate waren die schlimmste Zeit für die Stadt Einbeck seit dem Dreißigjährigen Krieg. Die Ernten auf den Feldern »wurden gänzlich verheert, so daß buchstäblich nicht eine Garbe oder ein Bund in die Stadt kam«. Darüber hinaus forderte Herzog Broglie die Summe von umgerechnet 18.000 Talern (66.155 Livres) und ließ als Druckmittel bis zur Bezahlung den Stadtrat vier Mal unter Arrest setzen. Weiter wurden 200.000 »Rations Fourage« und 60 vierspännige Wagen verlangt. Die Krönung der völlig überzogenen und nicht bezahlbaren Forderungen waren 40.000 Livres an den französischen Intendanten Gayot. Ein Livre war zu dieser Zeit der Gegenwert von acht Gramm Silber. Eine Umrechnung historischer Währungen in die heutige Zeit ist immer mit Vorsicht zu genießen. Legt man den aktuellen Silberkurs zugrunde, dann entsprach die geforderte Gesamtsumme von über 100.000 Livres ungefähr 650.000 Euro.

Den Ämtern Salzderhelden, Erichsburg und Rotenkirchen erging es nicht anders. Das Dorf Stöckheim musste 4.000 Taler aufbringen. Für einen Taler bekam man in Friedenszeiten zwölf Kilogramm Brot oder mehr als fünf Kilogramm Fleisch oder ein Kilogramm Tabak.

»Pastor Eibesdorf zu Avendshausen schlägt seinen erlittenen Schaden auf 1776 Thlr. an.« Durch diese Kriegsbelastungen verteuerten sich viele Waren, so dass zum Beispiel für einen Himten Roggen (knapp 22 Kilogramm) sechs Taler bezahlt werden mussten.

Mehrmals wandte sich die Stadt Einbeck an die Landesregierung in Hannover und erbat Hilfe und Beistand. Ende Oktober entschloss man sich, die Franzosen aus Einbeck zu vertreiben. Graf Luckners Truppen zogen in die Gegend um Seesen und Herzog Ferdinand sollte die Hube zurück erobern. Anfang November des Jahres 1761 wurde es für die Franzosen ernst. Sie besetzten die Hohlwege »bei Wickensen und Holtersen« und gingen in Verteidigungsbereitschaft.Am 10. November entschlossen sich die Franzosen zum Rückzug. Damit nahm das Unheil seinen Lauf: Der Abzug der französischen Truppen sollte sich für Einbeck verheerend auswirken…     (Fortsetzung folgt).wk