Einsatz für Toleranz und Weltoffenheit geehrt

Freimaurerloge »Georg zu den drei Säulen« überreicht Georgspreis an den Förderverein »Alte Synagoge«

Dr. Manfred Schwörer (vorn links), Meister vom Stuhl der Einbecker Freimaurerloge »Georg zu den drei Säulen«, überreichte den Georgspreis 2020 an den Vorsitzenden des Fördervereins Alte Synagoge, Frank Bertram (vorn rechts). Vor Ort gab es zugleich Informationen zur Arbeit des Vereins und zum nahezu abgeschlossenen Sanierungsprojekt in der Baustraße.

Einbeck. Der Förderverein Alte Synagoge hat den Georgspreis 2020 der Einbecker Freimaurerloge »Georg zu den drei Säulen« erhalten. Die mit 3.000 Euro dotierte Auszeichnung hat der Vorsitzende Frank Bertram jetzt vor Ort vom Meister vom Stuhl der Einbecker Loge, Dr. Manfred Schwörer, entgegennehmen können. Dabei konnten sich die Gäste auch vom Baufortschritt beziehungsweise vom bevorstehenden Abschluss der Sanierung überzeugen.

Die Verleihung, erinnerte Dr. Manfred Schwörer, hätte schon im vergangenen Jahr erfolgen sollen – coronabedingt sei das aber nicht möglich gewesen. Umso mehr freue er sich, jetzt die Verleihung vornehmen zu können. Der Georgspreis werde seit 2015 von der Einbecker Loge an regionale Initiativen und Organisationen verliehen, die sich für Toleranz und Menschenrechte einsetzten. Dies sei das erste Mal, dass die Verleihung nicht in der Bauhütte erfolge, sondern dass man bei einem Preisträger einen wesentlichen Bestandteil seines Wirkens direkt anschauen können – das restaurierte Gebäude der Alten Synagoge.

Sie solle als ein Ort etabliert werden, der die Lebensfreude der jüdischen Kultur widerspiegele und der Ausdruck der Toleranz und der Weltoffenheit der Menschen in Einbeck sei. Hier sollten Begegnungen und offener Dialog gepflegt werden, über religiöse und kulturelle Unterschiede hinweg im Sinne der Versöhnung, ein Treffpunkt für Gespräche, Versammlungen, Bildungsveranstaltungen für Kinder und Jugendliche, Vorträge, Lesungen und Konzerte. »Die Ziele treffen unsere festgelegten Kriterien für die Vergabe des Georgspreises vollumfänglich«, stellte er fest. Toleranz und Weltoffenheit über religiöse und kulturelle Unterschiede hinweg seien auch Begriffe, bei denen die Freimaurer eine große Übereinstimmung zu ihrer Arbeit sehen würden.

Die erste urkundliche Erwähnung Einbecker Juden lasse sich, im Zusammenhang mit einer durch die Kreuzzüge ausgelösten Verfolgungswelle, um das Jahr 1300 feststellen: Es sollen 15 oder 16 Juden auf einem Scheiterhaufen verbrannt worden seien. 1578 sei nur noch ein Jude in Einbeck bezeugt, führte er aus. Erst rund 100 Jahre später kam es wieder zur Neuansiedlung, es entstand eine große Gemeinde, die um 1800 in der Baustraße in Hinterhoflage eine Synagoge errichtete, einen schlichten Fachwerkbau. Rund 100 Jahre später, 1896, wurde die im maurischen Stil erbaute Neue Synagoge in der Bismarckstraße bezogen, in bester Einbecker Villen-Gegend. Kurz zuvor, 1890, hatte Einbeck die höchste Zahl jüdischer Einwohner: 166 beziehungsweise knapp 2,4 Prozent der damaligen Bevölkerung. Die Synagoge wurde in der Pogromnacht am 9. November 1938 niedergebrannt. 1939 lebten noch neun Juden in Einbeck, im Dezember 1943 eine Jüdin.

Auch die Freimaurer seien im Nationalsozialismus verfolgt worden, berichtete er, wenngleich nicht so systematisch wie die Juden, auf die sich das Regime primär fokussierte. Leider müsse man heute feststellen, dass die Anzahl antisemitischer Übergriffe wieder zugenommen habe. »Es beginnt immer mit Worten, und oft folgen Taten, für die man sich schämen muss«, stellte er fest, verbunden mit dem Aufruf: »Lasst uns wachsam sein.« Wachsam zu sein, mit dieser Forderung entlasse auch der Meister vom Stuhl die Brüder am Ende der rituellen Arbeit.

Der Förderverein und er als Vorsitzender seien sehr glücklich über diese Auszeichnung, sagte der Vorsitzende Frank Bertram, und Dr. Schwörer habe mit seiner Würdigung die Ziele des Vereins genau getroffen. Dass die Alte Synagoge in Hinterhoflage errichtet wurde, hatte seinen Grund unter anderem darin, dass es noch das sogenannte Schutzjudentum gab. Das Selbstbewusstsein der jüdischen Gemeinde sei noch nicht so groß gewesen wie rund 100 Jahre später beim Neubau. Den Fachwerkstil habe man bei der Sanierung monochrom wieder hergestellt.

Bewusst sei damals das Fachwerk nicht farbig abgesetzt gewesen, sondern es sollte ein Stein-Gebäude suggeriert werden. Dass das Gebäude 1896 verkauft und zwei Wohnungen eingerichtet wurden, sei ein Glück gewesen – die Synagoge wurde nicht als solche erkannt, das Haus blieb unversehrt. Als in den 90er Jahren eine Inventarisation von Fachwerkgebäuden in Einbeck stattfand, wurde auch dieses Haus kartiert, und den Experten fiel die typische Konstruktion einer Landsynagoge um 1800 auf. Es wurde ein Baudenkmal daraus, das erhalten und genutzt werden sollte.

Der 2004 gegründete Förderverein konnte das Gebäude kaufen, und er habe es, so der Vorsitzende, in den Ursprungszustand zurückführen wollen. In verschiedenen Bauabschnitten sei man diesem Ziel relativ nahe gekommen. Neu seien beispielsweise die tiefen Fenster, aber es gebe auch keine jüdische Gemeinde mehr, die das Haus nutze. Innen sei die dominante (Frauen-)Empore wieder eingebaut worden, künftig zugänglich für alle. Historische Farbbefunde zeige man bewusst, da sei sehr akribisch gearbeitet worden.

Für die Synagoge gab es keinen Bauplan, keine Zeichnungen, keine Fotos, an denen man sich orientieren konnte, wohl aber einen »Zwilling«: eine weitere Landsynagoge in Bodenfelde, die jetzt in Göttingen stehe. Daran habe man sich in enger Absprache mit der Denkmalpflege orientiert. Gut eine halbe Million Euro habe die Sanierung gekostet, und bis auf einige Spenden sei die Summe aus öffentlichen Geldern finanziert worden, von Stiftungen, aus Fördermitteln, von unterschiedlichen Gebern, wobei man von der Lage im Sanierungsgebiet profitieren konnte.

Der Verein mit seinen 70 Mitgliedern sei dankbar für die starke Unterstützung. Nun sei man so gut wie fertig, in einigen Wochen sei auch der Platz gepflastert, der Leuchter fehle noch, aber im Großen und Ganzen sei das Ende absehbar. Wichtig, erläuterte Frank Bertram, sei zudem das Nebengebäude, das auch grundsaniert wurde und in dem Haustechnik, Küche und Sanitäranlagen untergebracht sind. So konnte man das Hauptgebäude davon frei halten.

Der Georgspreis wird verliehen an Organisationen und Initiativen in der Region, »deren Streben und Handeln auf die Förderung von Toleranz und Humanität gerichtet ist«, so der Urkundentext. In Anerkennung seines ehrenamtlichen Engagements für den Erhalt des ehemaligen Synagogengebäudes und die Erinnerung an das damalige jüdische Leben in Einbeck wurde der Förderverein als Preisträger ausgewählt.ek