Eisige Radtour durch Jakutien

Richard Löwenherz präsentierte den Förderfreunden seine Sibirienreise

Mit dem Fahrrad war Richard Löwenherz im Winter von Jakutsk bis Tiksi 1.790 Kilometer auf sibirischen Eispisten unterwegs.

Einbeck. Ein unbeschreibliches Erlebnis sei: Bei Minusgraden auf einem zugefrorenen See in Sibirien in einem Daunenschlafsack auf einem Rentierfell zu liegen und Sternenhimmel und Polarlicht zu beobachten, sagte Richard Löwenherz bei seinem Vortrag bei den Förderfreunden in der PS.Halle. Zahlreiche Zuhörer verfolgten gespannt seine Präsentation über seine Tour mit dem Fahrrad durch Sibirien.

Dr. Ursula Raschke von den Förderfreunden erklärte, dass es 2018 viele interessante Veranstaltungen gab, 2019 stehen wieder zahlreiche Höhepunkte an. Unter anderem kommt Piero Laverda wieder nach Einbeck, aber ebenfalls ein Eisbärenforscher. Eisig war es auch bei Richard Löwenherz, als er mit seinem Fat-Bike mit dicken, profilierten Reifen durch die russische Arktis fuhr. Kaum Versorgungspunkte gab es, Proviant, Material, Zelt und Kleidung waren immer mit zu transportieren – auch in unwegsamem Gelände. Zusammen mit den Zuhörern freute sie sich auf eine faszinierende Tour mit dem Gast, der wirklich wie der sagenumwobene englische König heiße.

Seit dem Abitur wollte er Abenteuer erleben, sagte Löwenherz, mit wenig Touristen, aber viel Natur. Zuerst glaubte er, für große Touren bräuchte man viel Geld, Sponsoren und eine teure Ausrüstung. Dies sei nicht der Fall, selbst nach vielen Reisen leihe er sich immer noch Dinge von Freunden wie ein Daunenschlafsack aus oder verzichte auf vermeintlich unnütze Dinge wie Spikes. Auf seiner Tour durch Jakutien hätte er sie gut gebrauchen können. Es war ein Genuss, über das blanke Eis der zugefrorenen Flüsse und Seen sowie dem Polarmeer zu fahren.

Russlands Norden im Winter: Das sei unerbittliche Kälte, Abgeschiedenheit, Monotonie; ein Lebensraum, in dem man tagtäglich kämpfen müsse, sich keine Fehler erlauben dürfe. Der Abenteurer liebt es, einzutauchen in unbekannte Gefilde und persönlicher Fähigkeiten und Grenzen auszuloten. Vor allem die schwer zugänglichen Wildnisgebiete Nordsibiriens haben es ihm angetan.

Schon bei seiner ersten Reise Anfang 2000 habe er festgestellt, dass nicht teures Material entscheidend sei, sondern psychische und physische Einstellung. Als Vorbereitung hacke er in Berlin ein Loch in einen zugefroren See und bade nackt. Dies geschehe nachts, da gebe es weniger Menschen, die sich über seinen »Blödsinn« wundern, schmunzelte er. Zu Beginn habe er nichts extra erworben, sondern einfach das genommen, was im Schrank war. Das Zwiebelschalenprinzip bewährte sich – trotz Temperaturen bis -28 Grad Celsius.

Viele Touren unternahm er im Sommer und Winter durch Skandinavien und Asien, immer wieder zog es ihn nach Russland in »seine« Welt voller Faszination und intensiver Momente, zu Orten der Wärme und Herzlichkeit der Einheimischen. Wenn Ansiedlungen mehrere hundert Kilometer voneinander entfernt seien, bekomme man eine neue Sichtweise auf kleine, alltägliche Dinge, so Löwenherz.

Nach Wintertouren zum Ob 2008 und nach Petschora 2010 ging es 2017 durch eines der kältesten Gebiete der Erde, durch Nordjakutien im Osten Sibiriens – von Jakutsk über Batagaj bis Tiksi. In sieben Wochen absolvierte er 1.790 Kilometer bis zum gefrorenen Laptevsee.
Meist war er auf »Zimniks« unterwegs, nur wenige Wochen existierenden Winterwegen über gefrorene Flüsse, Seen oder sogar über Teile des Polarmeers und des Atlantischen Ozeans. Faszinierende Erlebnisse gab es überall: im Verchojansker Gebirge, auf dem 870 Meter hohen Pass Ol'tschan, auf dem gefrorenen Fluss Delinja, auf Eispisten nördlich von Ust'-Kujga, bei der beschwerlichen Naledpassage, auf dem Omoloj, im Nel'gese-Canyon, das Schlafen im Zelt oder unter freiem Himmel auf zugefrorenen Flüssen und Seen, bei Nachtfahrten unter Sternenhimmel mit farbenfrohem Polarlicht oder bei Touren auf blankem Eis. Froh war er, als er am Laptevsee am Polarmeer in Tiksi ankam.

Oft trieb ihn den der Wind von hinten an, -20 Grad Celsius wurden mit Gegenwind noch eisiger. An einigen Stellen musste er Fahrrad und Gepäck über schwierige Passage tragen, stieß auf bürokratische Herausforderungen mit Polizisten oder hilfsbereite Trucker, die ihn ohne Wodka-Genuss nicht weiterziehen ließen.

Große Gastfreundschaft erhielt er selbst in entlegensten Gegenden, fachsimpelte mit Meteorologen in abgelegenen Außenstellen oder traf zufällig auf einer Eispiste mitten in der Tundra auf ein deutsches Fernsehteam, das auch auf dem Weg nach Tiksi war und die Dokumentation »Sibirien, die Eisstraße ins Polarmeer« drehte.

Achteinhalb mal so groß wie Deutschland, leben in Jakutien nur eine Million Einwohner. Für die Zielregion brauchte Löwenherz eine militärische Sondergenehmigung, die er wie den mit 50-Euro-Strafgeld erhaltenen Passierschein öfter vorzeigen musste. Auf den 1.790 Kilometern – vergleichbar mit der Strecke von der Adria bis zur Nordsee – gab es nur drei größere Orte, in denen er sich mit Proviant eindecken konnte.

Viele besondere und faszinierende, aber auch kritische Momente gab es, so Löwenherz, doch war es immer wieder ein Traum und Genuss, durch die winterlichen Landschaften mit dem Fahrrad zu fahren. Für die impressionsreiche Präsentation gab es viel Beifall. Dr. Ursula Raschke bedankte sich bei Richard Löwenherz und schmunzelte, dass bald der Winter Einzug halte und man sich bei eisigen Temperaturen auf dem Fahrrad vorstellen könnte, wie es dem Abenteurer in Sibirien erging.mru