»Ein Füllhorn von Erkenntnissen und Wissen«

»Baudenkmale in Niedersachsen«: Denkmaltopographie für Einbeck vorgestellt | Erarbeitet von Dr. Thomas Kellmann

Verleger Michael Imhof, Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek, Autor Dr. Thomas Kellmann und die Präsidentin des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege, Dr.-Ing. Christina Krafczyk (von links) , mit der gewichtigen Neuerscheinung »Baudenkmal in Niedersachsen Stadt Einbeck«, der soeben erschienenen Denkmaltopographie für die Kernstadt Einbeck.

Einbeck. »Jetzt wird’s gewichtig«, schmunzelte Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek, und in der Tat ist das, was jetzt in der Kapelle St. Spiritus vorgestellt wurde, ein richtiges Pfund: »Baudenkmale in Niedersachsen Stadt Einbeck«. Der Band ist Teil der Denkmaltopographie Niedersachsen. Er umfasst die Bau- und Kunstdenkmale in der Kernstadt Einbeck. Erarbeitet wurde das 634-Seiten-Werk von Oberkonservator Dr. Thomas Kellmann vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege (NLD).

Es ist die Dokumentation und das Zeugnis seiner jahrzehntelangen Arbeit in Einbeck. Archimandrit Fragulatis hieß im Namen der griechisch-orthodoxen Gemeinde die Besucher in der Kapelle willkommen, die seit den 1960er Jahren als Dreifaltigkeits-Kirche genutzt wird. Die akribische Detailarbeit in »Baudenkmale in Niedersachsen Stadt Einbeck«, mit der Denkmale verortet und zeitlich eingeordnet werden, würdigte Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek.

Die Erstellung einer Denkmaltopographie sei empfohlen worden von den Kultusministern der Länder, erinnerte sie. Kulturdenkmale sollte darin erfasst und dargestellt werden. Der Band sei Zeugnis für die Sanierungs- und Entwicklungsgeschichte der Stadt, und viele hätten sich am Gelingen beteiligt, sowohl fachlich als auch als Sponsoren. So sei ein wertvolles Werk entstanden, eine interessante Zusammenfassung der aktiven Stadt in Text und Bild.

Es fehle noch, merkte sie an, der Hausstellenkatalog, der der Denkmalpflege als Entscheidungsgrundlage diene. Die neue Präsidentin des NLD, Dr.-Ing. Christian Krafczyk, erläuterte, dass die Anlegung eines solchen Inventars Klarheit verschaffe im Umgang mit dem Gegenstand. Es sei bedeutungsvoll, wichtig und wissenschaftlich interessant, Grundlage und Werkzeug für Bewohner, Nutzer, Planer.

Dr. Thomas Kellmann habe mit großer Tiefenschärfe auf die Stadt geblickt und eine großartige Zusammenstellung geschaffen, nutzbar für die unterschiedlichsten Fragestellungen. Aus seiner dienstlichen Tätigkeit könne er auf Jahrzehnte denkmalpflegerischer Arbeit schauen, so der frühere Baudirektor Gerald Strohmeier. Die erste Schnellerfassung von Baudenkmalen sei 1988 erfolgt durch einen oberflächlichen Blick auf die Fassade.

Kurz darauf folgte die intensive Inventarisation, und ab 2001 habe sich Thomas Kellmann damit beschäftigt. Zunächst sei er bei Eigentümern auf Skepsis gestoßen, wollte er doch in die Häuser hinein, Dach, Keller und Hinterhöfe begutachten. Aber mit wachsenden Erkenntnissen hatten die Bürger auch mehr Verständnis, sie seien stolz auf die hohe Denkmaldichte, und sie setzten sich ein für dieses Kulturgut.

Im Rahmen der Arbeiten wurde unter anderem die Alte Synagoge entdeckt, die derzeit saniert wird. Die Stiftung Eickesches Haus machte sich daran, ein nationales Baudenkmal zu retten, und es wuchs die Bereitschaft, dafür zu spenden. Schwierig waren die Industriedenkmale; aber inzwischen habe die Kulturstiftung Kornhaus einem ganzen Viertel ein neues Gesicht gegeben, so Strohmeier.

Die Inventarisierung zeige wertvollen Kulturbestand, dessen Erhalt man über das Programm Städtebaulicher Denkmalschutz erhalten könne - da habe die Stadt großes Glück, und Thomas Kellmann habe sich auch dafür engagiert. Genaue Kenntnisse über die Stadt zahlten sich aus, wenn es um die Entwicklung guter Lösungen gehe. Das Alte zu ehren, aber auch Neues zu wagen, das sei die Aufgabe der Zukunft.

Die Topographie auf dem heutigen Stand der Wissenschaft sei Fundgrube und Grundlage für die Stadtplanung, eine Informationsquelle für die Eigentümer, Geschichts- und Heimatfreude - ein herausragendes Werk und ein Füllhorn von Erkenntnissen und Wissen. Von einem großartigen Tag sprach Dr. Elke Heege, Leiterin von Stadtmuseum und -archiv und Vorsitzende des Einbecker Geschichtsvereins.

Eine Arbeit von 25 Jahren finde ihren Abschluss, und sicher falle Dr. Kellmann eine schwere Last von den Schultern. Sie habe seine gründliche und tiefenscharfe Arbeitsweise geschätzt - und in wie viele Keller und auf wie viele Böden sei er wohl für dieses Werk gestiegen und wie oft sei er frustriert zurückgekommen? Er habe im Stadtarchiv nahezu unbekannte Quellen durchforstet und oft ein völlig neues Bild der Stadt entwickeln können.

Die Einbecker hätten viel von seiner Anwesenheit profitiert. Er habe sein Wissen gern geteilt, und sie seien, so Dr. Heege, persönliche Freunde geworden. Ein großes Projekt sei nun erfolgreich zu Ende gegangen, aber neuen Projekte warteten schon - etwa der Hausstellenkatalog, der zwar im Entwurf fertig, aber noch nicht gedruckt sei. Der Einbecker Geschichtsverein wolle gern einen Beitrag dafür leisten.

Jedes Sanierungsprojekt in Einbeck werde künftig auf Kellmanns Arbeit zurückgreifen können. Der Band werde für Jahrzehnte ein Standardwerk sein. »So viele imposante Häuser«, schwärmte Verleger Michael Imhof von Einbeck. Es sei wichtig, dass es dieses Buch gebe. Der Autor habe sich viel ausführlicher als üblich damit beschäftigt, eine Topographie sei bedeutende Grundlagenforschung. Bürger könnten erfahren, in welch bedeutenden Häusern sie lebten, nachzuschlagen auf 634 Seiten mit 792 Farb- und 458 Schwarz-Weiß-Abbildungen.

Die Kapelle St. Spiritus sei mit Bedacht für die Präsentation gewählt worden, berichtete Dr. Thomas Kellmann. Hier würden 700 Jahre Stadtgeschichte deutlich, und hier zeige sich beispielhaft verborgenes Potenzial. Die Gründung gehe auf eine herzogliche Stiftung von 1274 zurück, der Bau stamme aus dem frühen 14. Jahrhundert. Erhalten seien noch die Abgänge in die Krypta. Aus der Kapelle wurde über die Jahrhunderte ein Hospital, eine Garnisonskirche, ein Ausweichquartier für die 1826 abgebrannte St. Marienkirche und ein Kartoffelkeller.

Vom Einbecker Geschichtsverein und der Altertumssammlung sei das Gebäude von 1894 bis 1932 genutzt worden, und inzwischen sei die griechische Gemeinde hier seit fast 50 Jahren zuhause. »Wozu der ganze Aufwand?«, diese Frage sei ihm bei seinen Untersuchungen 2001 bis 2004 wohl am häufigsten gestellt worden. Ein Denkmalverzeichnis zu erstellen, sei schwierig gewesen.

In der Natur kenne man den Begriff der Biodiversität, der Artenvielfalt innerhalb eines komplexen Systems. Auch ihm gehe es um die Darstellung von Vielfalt, wie sie in Einbeck deutlich werde. Es gebe eine hohe Qualität und Dichte von Baustilen. Bereits 1909 wurde ein erstes Denkmalverzeichnis für Einbeck erstellt, das nicht nur eine umfangreiche Liste enthielt, sondern auch eine Verknüpfung von Objekten.

Seit den 1980er Jahren gehe man Denkmalschutz ähnlich wie Biodiversität an. Indem man Denkmale umfassend darstelle, könne man sie kulturell verorten und auch komplexe Zusammenhänge verständlich machen, die die Topographie aufzeige. Ausgehend von der Einbecker Brautradition in bis zu 720 privaten Häusern, was außergewöhnlich viel sei, erkenne man typische Hausformen mit geräumigen Dielen, die sich später verändert hätten - ebenso wie die Dachkonstruktionen.

Wenn man Sanierungsgeschichte kenne, sei das hilfreich für die aktuelle und künftige Nutzung der Gebäude und für zukünftige Vorhaben. Altbekanntes könne man so neu bewerten.ek