Es fehlt die Begegnung auf Augenhöhe

SPD-Projektsommer im Weinhaus Jörns: Offene Worte zum Umzug aus der Innenstadt | Motivation stärken

Heiko Jörns stellte den Gästen des SPD-Projektsommers seine Gründe für den Umzug aus der Innenstadt dar; das war Anlass für eine grundsätzliche Diskussion über Potenziale und Probleme der Innenstadt, die es aufzugreifen beziehungsweise anzugehen gilt.

Einbeck. Der Projektsommer der Einbecker Kernstadt-SPD war diesmal coronabedingt anders als sonst, mit weniger Teilnehmern. Gleich geblieben ist aber das Anliegen der Partei, sich umzuhören vor Ort, um Neues zu erfahren und nachzufragen, wo der Schuh drückt und welche Wünsche an die Politik es gibt. Der letzte Termin fand im Weinhaus Jörns statt. Heiko Jörns ist mit seinem Unternehmen vor kurzem an die Ecke Saalfeldstraße/Altendorfer Tor gezogen. Warum er die Innenstadt verlassen hat, erläuterte er in einem offenen Gespräch.

Viel Platz hat Heiko Jörns mit seinem Weinhaus in den neuen Geschäftsräumen, 30 Personen können unter normalen Bedingungen Veranstaltungen besuchen, 20 sind es unter Corona-Vorgaben. Und vor allem logistisch habe er sich mit dem Umzug verbessern können: Es gebe viel Lagerplatz, eine Toilettenanlage sei in der ersten Etage untergebracht, berichtete er. Es gibt eine große Küche, und die will er nutzen, denn neben dem Weinhandel sind auch Abendveranstaltungen und gastronomische Tätigkeit vorgesehen, wofür er eine volle Lizenz hat. Sie zu nutzen, erscheint zwar derzeit unter Corona-Vorgaben nicht vorstellbar, aber für die weitere Zukunft hat er das fest im Blick. Im Moment, so die Bilanz nach den ersten Wochen, könne er nicht klagen – es sei besser anlgelaufen als erwartet.

Für die Innenstadt sei so ein Umzug natürlich schade, aber mit den dortigen Rahmenbedingungen habe er für sich keine Zukunft mehr gesehen. Vor ziemlich genau einem Jahr habe er überraschend erfahren, dass das Haus, in dem er seit 2003 ansässig war, verkauft werden sollte. Einen Kauf, das sagte er ehrlich, habe er sich nicht vorstellen können. Über Dirk Heitmüller habe er Kontakt zum Vermieter der neuen Immobilie geknüpft, die er ab Januar mieten konnte. Corona habe ab März den Umzug etwas gebremst, aber seit Juni sei er nun hier. Nicht gut gelaufen sei leider die Zusammenarbeit mit der Verwaltung. Gut gepasst habe es dagegen, dass er den großen Raum nach eigenen Vorstellungen gestalten konnte – »wie wir uns das gewünscht haben«, und den Kunden gefalle es auch.

Nach 17 Jahren die Innenstadt zu verlassen, für die er sich immer engagiert habe, das sei ein Einschnitt, räumte er ein. Die Fußgängerzone habe allerdings ihre beste Zeit gesehen, und es passiere nichts, um diesen Zustand zu verbessern. Mehrere Pläne für den Neustädter Kirchplatz seien nicht umgesetzt worden. Immer mehr Gruppen seien pöbelnd unterwegs, ohne dass sie gemaßregelt würden. Mehr als zwei Dutzend Mal wurde die Innenstadt in diesem Jahr schon durch Demonstrationen blockiert. Die Motivation des Einzelhandels für den Stadtkern sei nicht vorhanden. Es fehle die Fragestellung: »Was kann ich für euch tun?« Der Einzelhandel müsste besser gehört werden. Die Innenstadt lebe von Geschäften, aber dazu müsse man Eigentümer auch zu Investitionen in ihre Immobilien ermutigen. Reglementierungen sollte es mit Augenmaß geben, man müsse sich auf Augenhöhe begegnen.

Dass das nicht geschehe, machte er unter anderem an den Planungen für die Umgestaltung der Marktstraße fest. Da habe er keine Mitspracherechte feststellen können oder dass um Vorschläge gebeten wurde. Wie es gehen könne, zeige Iphofen in Franken. Die Stadt habe sich wunderbar entwickelt, ein Beispiel dafür, was man Hand in Hand erreichen könne. Es sei möglich, die Innenstadt zu retten, aber dazu müsse etwas passieren. Weitere Gutachten zu erstellen, das sei vertane Zeit und verbranntes Geld. Die Zeiten hätten sich verändert, und man müsse sich mit ihnen entwickeln.

Einbeck, so sein Wunsch, sollte nicht wie die Nachbarstadt aussehen, und er hoffe, so der Geschäftsmann, dass Einbeck wieder in etwas besseres Licht komme, als das im Moment der Fall sei. Für ihn, erläuterte Heiko Jörns, sei der Umzug der richtige Schritt gewesen.

Neben dem Weinhaus gibt es das 2017 gegründete Unternehmen »Einbecker Jung«, eine Spirituosen- und Gewürzmanufaktur, mit der man hier auch besser aufgestellt sei. Sehr erfolgreich sei das angelaufen, auch überregional. Lokale Produkte zu vermarkten, das geschehe zudem mit der Marke »Einbeck Gourmet«. Darüberhinaus gibt es Kartoffeln aus Drüber und Mehl aus Mackensen. Nach wie vor sehr gefragt seien die Präsente, gleich zum Mitnehmen oder individuell zusammengestellt. Vielfalt sei dabei ein Teil des Erfolges, eine kleine Stadt brauche ein breites Angebot, dann finde der Kunde auch etwas. »Und ich glaube, das ist uns ganz gut gelungen.«

Der PS.SPEICHER biete eine besondere Chance für Einbeck, führte Jörns aus, aber das touristische Potenzial müsse auch in der Innenstadt besser genutzt werden. Um Einbeck zukunftsfähig zu machen, brauche es einen Mix aus Einzelhandel, Gastronomie und vernünftiger Belebung sowie von ordentlichem und bezahlbarem Wohnraum. Eine gesunde Branchenmischung, passende Möblierung, ein gutes Pflaster – man könne es anders machen als andere Städte. Alles könne dabei nur mit-einander funktionieren.

Man werde einsehen müssen, dass man nicht alles retten könne, aber letztlich sei die Situation ein Einbeck nicht so schlecht, sondern sie berge Potenzial, das man besser abstimmen müsse – auch, indem man Missstände anspreche und bekämpfe und Vorhandenes stärke.
Für die Kernstadt-SPD dankten die Vorsitzenden Rita Moos und Peter Traupe für die Möglichkeit des Besuchs und die ehrlichen Worte. Man werde die Botschaft mitnehmen, dass mehr ordnungspolitische Maßnahmen wichtig seien für die Innenstadt, auch mehr Straßensozialarbeit. Die Fußgängerzone könne man durch mehr Einzelhandel und Gastronomie beleben, nicht durch mehr Wohnungen. Und schließlich hoffe man auf einen »echten« Projektsommer im kommenden Jahr.ek