Fertiggestellt – nach einigen Überraschungen

Politik und Verwaltung besichtigen grundsaniertes ehemaliges Waisenhaus, Baustraße 23

Ratsmitglieder, Mitarbeiter der Verwaltung und weitere am Bau Beteiligte konnten jetzt das grundsanierte Gebäude Baustraße 23 besichtigen; die Eingänge der sechs Wohnungen befinden sich an der Nordseite des Hauses, das erste Stockwerk wird über einen Laubengang erschlossen.

Einbeck. »Wir wollen mal herzeigen, was in den vergangenen zwei Jahren entstanden ist.« Damit hieß Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek Mitglieder aus Rat und Verwaltung sowie am Bau Beteiligte zur Besichtigung des ehemaligen Waisenhauses, Baustraße 23, willkommen. Während der Bauphase gab es sowohl unliebsame als auch erfreuliche Überraschungen, wodurch das Vorhaben teurer geworden ist und auch länger gedauert hat. Entstanden sind sechs Wohnungen, die nahezu bezugsfertig sind und unter sozialen Kriterien vergeben werden – für ein schönes und teilweise barrierearmes Wohnen in der Einbecker Innenstadt.

Eigentümerin von Gebäude und Grundstück in der Baustraße sind die Einbecker Hospitalstiftungen; verwaltungstechnisch sind sie dem Fachbereich Finanzen zugeordnet. Wie Kämmerin Brigitte Hankel berichtete, gebe es die Hospitalstiftungen für St. Spiritus, St. Bartholomäus und St. Gertrud seit dem 13. Jahrhundert; Anfang der 1940er Jahre wurden sie zusammengeführt. Für 900 Mark konnte man sich lebenslanges Wohnrecht in einer Ein-Zimmer-Wohnung erwerben. 1961 wurde die Satzung überarbeitet. Das Vermögen der Stiftungen dient der Unterstützung älterer, behinderter und sozial bedürftiger Menschen, so ist es festgehalten, wobei insbesondere Einbecker Einwohner begünstigt werden sollen. Das Stiftungsvermögen besteht aus bebauten und unbebauten Grundstücken: Ländereien seien verpachtet, 130 Wohnungen und 50 Garagen werden vermietet beziehungsweise verwaltet von der Einbecker Wohnungsbaugesellschaft, auch wieder dieses besondere Gebäude.

Gebaut wurde das Königliche Waisen- und Werkhaus 1712 direkt gegenüber der Wollmanufaktur auf vier Hausstellen. Die Fassade mit dem nordhessischen Leiterfachwerk sei einzigartig in Einbeck, betonte Krimhild Fricke vom Denkmalschutz. Die ursprünglichen Eingänge lagen an der Baustraße, erläuterte sie. Die hier untergebrachten Kinder mussten nicht nur in der Fabrik arbeiten, sondern sich über den eigenen Garten auch selbst versorgen.

Während der Sanierung wurde unter anderem eine Dachgaube zurückgebaut. Unter dem Ziegelbehang an der Westseite hat die Restauratorin einen besonderen Farbbefund entdeckt. Schon kurz nach dem Bau wurde die Wetterseite großflächig behängt und somit geschützt, wie Krimhild Fricke berichtete; entsprechend habe man darunter noch die ursprüngliche Bausituation vorgefunden: Nadelfachwerk mit sogenannten schwarzen »Begleitern«, farbigen Rändern. Man habe das gesichert, aber könne es nicht zeigen. Allerdings habe man sich entschlossen, die ursprüngliche Farbkombination zu wählen. Rot-schwarze Farbe habe man auch im Innenbereich an der Westseite gefunden.

Beim Umbau hat man den Eingang über den Hof beibehalten. Die drei Erdgeschosswohnungen sind barrierearm. Die drei Wohnungen im ersten Stock werden über ein zentrales Treppenhaus und einen Laubengang erschlossen.

Das Haus habe während der Sanierung viele Überraschungen bereitgehalten, stellte Gunnar Groneweg vom Gebäude- und Liegenschaftsmanagement der Stadtverwaltung fest. 2013 habe man erste Gespräche dazu geführt, 2015 folge eine Bauuntersuchung mit dem Ergebnis, dass Kosten in Millionenhöhe zu erwarten seien. Nachdem das Gebäude zuvor entmietet wurde, konnte der Umbau im Juli 2017 beginnen, und weil das Objekt im Sanierungsgebiet liegt, gab es einen hohen Zuschussanteil. Man habe sich von oben nach unten vorgearbeitet und ein »Desaster« entdeckt, das sich immer weiter fortsetzte. Fäulnis, abgebeilte oder gebrochene tragende Balken, schlecht oder gar nicht verteilte Dachlasten: Über die Jahrzehnte sei »Schindluder ohne Ende« mit diesem Haus getrieben worden. Die komplette Statik habe man neu erstellen müssen. Während der Arbeiten offenbarte sich ein weiteres großes Problem:

Das Fachwerk an der Nordseite sei überputzt worden, um die Ansicht zu begradigen - ideale Bedingungen für Pilzbefall durch den Weißen Hausporling und den Braunen Kellerschwamm. Bis zu einer Länge von 1,50 Meter mussten die Balken zurückgeschnitten werden. Fachwerk, Rehm, Schwellen und alle 28 Dachbalken wurden entsprechend erneuert. In traditioneller zimmermannsmäßiger Arbeit und mit überlieferter Handwerkskunst wurden die Balken abgeblattet. »Das ist uns im Oktober 2017 vor die Füße gefallen«, erinnerte Gronewerk, und das habe das Vorhaben um Monate zurückgeworfen.

Die Situation sei sehr schwierig gewesen, stimmte Krimhild Fricke zu. Aber die Städtebauförderung habe einen Teil der Mehrkosten aufgefangen. Man werde vermutlich auf eine Bausumme von etwa 1,6 Millionen Euro kommen – gerechnet habe man einmal mit 960.000 Euro. Allerdings liege der Förderanteil bei 53 Prozent. Und das Objekt habe Strahlkraft für das gesamte Viertel, betonte sie. Man erreiche damit das Ziel, auch die Nachbarschaft entsprechend aufzuwerten – einige Nachfragen gebe es bereits.

Die sechs Wohnungen, zwischen 42 und 92 Quadratmeter groß, sind nahezu fertiggestellt. Jeder Wohnung ist auf der Nordseite der gemeinschaftlichen Grünanlage ein Abstellraum zugeordnet. Restarbeiten werden in den nächsten Wochen durchgeführt. Etwa ab Oktober könnten die neuen Mieter einziehen. Die Höhe des Mietzinses wird der Rat bei seiner nächsten Sitzung am kommenden Mittwoch nichtöffentlich festlegen. Kostendeckung werde man, räumte Brigitte Hankel ein, dabei eher nicht erreichen. Man müsse vielmehr einen Kompromiss finden, mit dem das Stiftungsvermögen nicht über Gebühr strapaziert werde. Vermarktet werden die Wohnungen von der Einbecker Wohnungsbaugesellschaft. Ein Wohnberechtigungsschein ist nicht erforderlich; nach dem Satzungszweck sollen die Mieter aber älter, bedürftig und/oder behindert sein. Es wäre schön, wenn die Mieter dieses besondere Ambiente auch entsprechend schätzen würden, hieß es.ek