Die Geborgenheit einer Familie vermitteln

Einbecker Freimaurerloge zeichnet Pflege- und Adoptivelternverein »Pfad für Kinder« mit Georgspreis aus

Der Meister vom Stuhl der Einbecker Freimaurerloge, Dr. Volker Bullwinkel (rechts), überreichte den Georgspreis 2017 an die Vorsitzende von »Pfad für Kinder«, Irm Wills, und an die Gründungsmitglieder Ingrid Berisha und Dr. Annegret Freiburg (von links).

Einbeck. Pflege- und Adoptiveltern tragen große Verantwortung. Sie wollen ihre Sache gut machen, aber sie haben mit vielen Belastungen zu kämpfen, deren Gründe sie häufig nicht kennen. Der Pflege- und Adoptiveltern-Verein »Pfad für Kinder« ist jetzt mit dem Georgspreis der Einbecker Freimaurerloge »Georg zu den drei Säulen« ausgezeichnet worden, in Anerkennung des Wirkens für Freiheit, Gleichheit und Toleranz.

Die Preisverleihung fand öffentlich in den Logen-Räumen statt. Wie der Meister vom Stuhl der Einbecker Freimaurerloge, Dr. Volker Bullwinkel, ausführte, gebe es die Loge bereits seit 220 Jahren, der Georgspreis werde aber erst zum dritten Mal verliehen - nach der Jugendpflege und den Grünen Damen diesmal an den Verein »Pfad für Kinder«. Der Preis ist mit 3.000 Euro dotiert.

Das Geld stammt aus Mitteln der Loge, von einem Logenbruder und vom freimaurerischen Hilfswerk. Anders als bei anderen Preisen könne man hier keine Anträge stellen, kein geübter Schreiber könne überzeugende Begründungen schreiben, sondern allein das Handeln entscheide über die Preiswürdigkeit. Freiheit, Gleichheit und Toleranz, diesen freimaurerischen Idealen müssten sich die »guten Geister« verschreiben, die man auszeichnen wolle. Häufig seien sie nur denen bekannt, die ihre Hilfe erfahren hätten.

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Pflegefamilien steige in Deutschland stark an: 2013 waren es 65.000, 2016 schon mehr als 80.000. Pflegefamilien würden ihnen vorübergehend oder dauerhaft Geborgenheit und geregelte Alltagsstrukturen geben. Für die Familien sei das allerdings oft eine sozial-emotionale Belastung. Der Verein habe sich Austausch und gemeinsame Aktivitäten zum Ziel gesetzt.

1989 als Hilfe zur Selbsthilfe gründet, begleite er Familien beim Erfahrungsaustausch, aber auch beim Lernen voneinander und beim Abschalten: »Setz dich zu uns, wir wissen, was dich bewegt«, das treffe zu. Die Vorsitzende des Vereins, der für Südniedersachsen zuständig ist, die Einbeckerin Irm Wills, konnte den Preis entgegen nehmen »Das ist eine ganz großartige Ehre für uns«, freute sie sich Sie und ihr Mann seien seit 1995 Pflegeeltern; seit 2010 auch für Bereitschaftspflege, und bisher hätten sie 14 Kinder betreut.

Im Vorstand des Vereins arbeitet sie seit 2001 mit. Warum Kinder nicht bei ihren leiblichen Eltern bleiben können, kann verschiedene Gründe haben: Vor allem ist es Überforderung der Eltern, aber auch der Schutz vor Vernachlässigung spielt eine Rolle, wenn Kinder aus den Familien genommen werden. Kinder seien Schätze, und die Entwicklung solle gelingen. Aber häufig seien die Eltern gegenüber dieser Entwicklung gleichgültig. So gebe es Kinder, die noch im Grundschulalter bereits sieben verschiedene Stationen erlebt hätten.

Sie seien traumatisiert und verstockt, was sich mit ihrer Lebensgeschichte erklären ließe - wenn man sie denn kenne. Zudem gehe es bei der Auswahl von Pflegefamilien gelegentlich weniger um die Bedürftigkeit der Kinder, sondern nur darum, ob die Bedingungen passten, ob etwa genügend Platz vorhanden sei. Gemeinsam mit Dr. Annegret Freiburg, Mitbegründerin des Vereins, berichtete Irm Wills, dass es etwa sechs Monate dauere, bis ein Kind in einer neuen Familie ankomme. Das bedeute viele Situationen der Hilflosigkeit für Pflegefamilien.

Die Kinder könnten gewalttätig sein, sie spalteten sich ab. Sie hätten massive Trennungen und mindestens einen Beziehungsabbruch erlebt, dabei brauchten sie für ihre Entwicklung kräftige Bindungen. Es sei ein schwieriger Prozess, das, was die neuen Eltern anbieten könnten, in Einklang zu bringen mit dem Bindungsverlust. Pflegefamilien haben es sich zur Aufgabe gemacht, den aus dem Nest gefallenen Kindern die Geborgenheit einer Familie zu geben.

Sie müssten dabei, so die Vorsitzende, ungeahnte Fähigkeiten entwickeln, denn das Verhalten der Kinder sei nicht berechenbar. Sie wüssten wenig über die Vorgeschichte, müssten mit ungebetenen Erziehungstipps umgehen, und sie versuchten, gerade zu rücken, was vorher schief gelaufen sei. Die Unterbringung in Pflegefamilien sei als gerichtliche Anordnung eine Maßnahme auf Zeit, es gebe also die Angst, dass die Verbindung erneut beendet werde. Die schwere Zeit sei aber zugleich von der Hoffnung beseelt, »vielleicht schaffen wir’s ja.«

»Pfad« unterstützt die Eltern mit Fortbildung und Reflexion, er macht ihnen deutlich, dass die Schwierigkeiten nicht den Kindern anzulasten sind. Die Pflegeeltern werden geschult und vom Jugendamt begleitet. Sie pflegen eine enge Zusammenarbeit mit Kindertagesstätten und Schulen. Der Verein möchte über seine Arbeit aufklären und andere Eltern für diese Aufgabe gewinnen, und er ist politisch tätig, indem er sich für seiner Ansicht nach notwendige Gesetzesänderungen einsetzt. Frühstückstreffen dienen ebenso dem Erfahrungsaustausch wie Familienwochenenden im Ruferhaus bei Seesen.

Irm Wills engagiert sich zudem in der Betreuung von Kindern, die unter dem Fetalen Alkoholsyndrom (FASD) leiden. Weitere Informationen gibt es unter www.pfadfuerkinder.de. Sprechstunden finden im Einbecker Kinder- und Familienservicebüro statt. Termine können unter 05561/982867 abgesprochen werden. »Wir haben die richtige Wahl getroffen«, war Dr. Volker Bullwinkel nach den Erläuterungen erst recht sicher.ek