Freude, dass erste Geschäfte wieder öffnen

...und auf Wiedersehen der Mitschüler | »Das Wichtigste ist, dass wir gesund bleiben« | Stimmung zurückhaltend

Die Geschwister Luis und Laura Pamin freuen sich auf die Schule.
Rita Moos wünscht allen, dass sie öffnen können.
Barbara Pygoch hofft auf offene Friseurgeschäfte.

Einbeck. Sonnabend, 8 Uhr: Der Einbecker Wochenmarkt ist bereits gut besucht. Die zielstrebigen Käufer sind jetzt unterwegs, die sich bereits früh die Fahrradtaschen mit Spargel vollpacken, beim Bäcker-, Fisch- , Erdbeer- und Honigwagen nicht lange anstehen wollen und erst nach dem Einkauf in Ruhe frühstücken. Man könnte meinen, alles sei wie immer: ein nachösterliches Wochenende bei strahlendem Sonnenschein – doch das Bild beherrscht kein sich drängelndes Gewusel, sondern zig Meter lange Warteschlangen mit jeweils großem Abstand vor den Spargel- , Obst- , Fleisch-, Bratwurst- und allen weiteren Ständen. Einbeck hält Abstand. Um 10 und 11.30 Uhr noch viel mehr. Das Ordnungsamt schaut auf dem Fahrrad vorbei. Es werden Gespräche geführt – jeweils in großem Abstand, so dass ein Mithören unvermeidlich ist: Von der großen Hilfsbereitschaft bei der Darm-OP des Ehemannes ist die Rede, und der Befürchtung, dass dieses Engagement nach Corona wohl wieder vorbei sei. Zwei Herren unterhalten sich über die Arbeit: der eine muss auch am Sonnabend ‘ranklotzen und das gute Wetter nutzen, der andere hat Kurzarbeit.

Auf die Frage, wie sie es empfinden, dass ab heute wieder die ersten Geschäfte öffnen können, und was am ehesten dann gekauft und gebraucht wird, gab es viele Antworten. Jedoch waren nur wenige bereit, ihren Namen zu nennen. Die Hörgerätebatterien für den Vater aus dem Optik-Fachhandel wurden da erwähnt, der Parfümerie-Besuch ebenso wie die Frage nach der Öffnung eines Einbecker Bekleidungsgeschäftes, das doch sicher größer sei als 800 Quadratmeter und Kritik geübt, dass Einkaufsareale wie das City-Center Northeim öffnen dürften. Die Wirtschaft müsse wieder laufen – aber selbst für diesen allgemeingültigen wichtigen Satz wollten zwei Herren ihre Namen nicht nennen, und weiter ergänzte der eine von beiden: Die 800-Quadratmeter-Regelung sei auch nicht zu verstehen. Denn in einem größeren Geschäft könne man sich doch schneller aus dem Weg gehen. Bei den meisten Antworten war aber zu spüren: Erst einmal will man abwarten und mit Vorsicht genießen, Rita Moos am Marmeladenstand drückt ganz klar aus, was viele denken: Sie freut sich zwar, dass nun die ersten Geschäfte wieder aufmachen dürfen, wünscht aber allen, dass sie bald wieder öffnen und arbeiten dürfen. Ihr persönlich fehlt der Restaurantbesuch, dort zu sitzen, zu reden und zu genießen. Moos näht übrigens auch Masken, einmal für die Diakonie als Spende und außerdem noch Exemplare zum Verkauf.

Nein, Christiane Folttmann vermisst den Friseurbesuch nicht. Ihrer Familie hat sie selbst die Haare geschnitten. Ein Buchhandlungsbesuch, der würde sie jetzt reizen, »einfach mal so durchblättern«, aber alles natürlich mit der gebotenen Hygiene-Zurückhaltung.

Luis ist sieben Jahre alt und geht bereits in die zweite Klasse der Pestalozzischule. Dass es nun langsam wieder losgeht mit der Schule, das findet er gut und freut sich sehr, seine Mitschüler wiederzusehen. Auf dem Eulenspiegelbrunnen sitzend genießt er mit seiner Schwester Laura ein Sonnabendvormittag-Eis.

Bei der sechsjährigen Tochter sieht es etwas anders aus, erzählt die Mutter Susann Pamin. Laura gehört zum letzten Kita-Jahrgang, hat bis dahin aber keinen Übergang mehr. Dass hier ein Abschluss fehle, sei schade. Auch Laura vermisst die Kinder aus ihrer Kita und freut sich auf ein Wiedersehen – wenn es denn soweit ist, in der Schule. Einen Schulranzen hat die künftige Erstklässlerin bereits zum Geburtstag erhalten – nur wegen der geschlossenen Geschäfte konnte noch keine Zuckertüte gekauft werden. Das sieht ja nun wieder etwas besser aus. Pamin arbeitet im Krankenhaus, ihr Mann im Homeoffice. Die Kinder kämen gut zurecht, könnten miteinander spielen und Laura widme sich Vorschulaufgaben. Auf ihre Krankenhaus-Tätigkeit angesprochen, erklärt Pamin, sie hoffe, dass diese Arbeit, ob nun im Krankenhaus oder an der Supermarktkasse, auch nach Corona wertgeschätzt wird, dass diese Arbeit eine Lobby hat auch bei Politikern: »Für uns braucht keiner klatschen und Glocken läuten.«

Nebenan sitzt der Spargelverkäufer, eine Aushilfe aus dem Raum Verden. Der junge Mann besucht dort in Dauelsen bei Verden die Berufsfachschule Bautechnik zum Zimmerer. Nach den Plänen des Kultusministeriums beginnt sein Unterricht erst wieder am 1. Juni. Einen Lehrbetrieb sucht er noch.

Fleischereiverkäuferin Barbara Pygoch erklärt kurz und bündig, sie vermisse offene Friseurläden. Nach einer Weile ergänzt sie: »Nein, nicht für mich, für meinen Mann.« Auch Rita Moos stellt fest, dass der Wunsch nach einem Friseur wohl eher bei Kurzhaarigen zu finden sei, die sich im Abstand von drei bis vier Wochen die Haare schneiden lassen würden.

Und manch’ Briefträger wäre sicher auch froh, müsste er nicht mehr jeden Brief einzeln unter verschlossenen Ladentüren durchschieben, sondern könnte sie gleich wieder direkt im Laden abgeben.

Im Vorbeigehen erklärt eine Dame: »Das Wichtigste ist, dass wir gesund bleiben.« Dem ist nichts hinzuzufügen.

Um 14 Uhr ist der Marktplatz wieder coronamäßig leer – keine Caféhausgarnituren mit Besuchern, keine Touristen, keine Stadtführungen beleben den Platz.des