Frieden und Freiheit sind ein kostbares Erbe

Gottesdienst und Kranzniederlegung zum Volkstrauertag | Eine menschliche Welt schätzen und schützen

In diesem Jahr war wieder eine Kranzniederlegung unter Beteiligung der Öffentlichkeit möglich. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek legte am Mahnmal Kränze der Stadt Einbeck und des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, dessen Vorsitzende sie in Einbeck ist, nieder. Begleitet wurde sie von Abordnungen der Freiwilligen Feuerwehr Einbeck und des Technischen Hilfswerks. In ihrem Totengedenken, angelehnt an die Worte von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, sagte sie, man gedenke der Opfer von Gewalt und Krieg aller Völker, der Soldaten und derer, die durch Krieg oder danach ihr Leben verloren. Sie erinnerte an Verfolgte und Getötete, die einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen Krankheit oder Behinderung als »lebensunwert« bezeichnet wurde, an die, die im Widerstand gegen Gewaltherrschaft ums Leben kamen und die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung festhielten. Man trauere ebenso um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege heutiger Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um Bundeswehrsoldaten und andere Kräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren hätten. Das Gedenken sei bei denen, die Opfer wurden von Hass und Gewalt, von Terrorismus und Extremismus, Antisemitismus und Rassismus in Deutschland. Man trauere mit allen, die Leid tragen würden um die Toten, man teile ihren Schmerz. Aber das Leben stehe im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, »und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.«

Einbeck. Mit einem ökumenischen Gottesdienst, getragen von allen christlichen Gemeinden Einbecks, und einer Kranzniederlegung am Mahnmal hat die Stadt Einbeck zum Volkstrauertag an die Opfer von Krieg und Gewalt erinnert. In seiner Predigt befasste sich Pastor Konnerth mit dem Lied »What A Wonderful World«.

Tiefe Narben

»Krieg ist anders als in jedem Buch«, schreibt ein Gefreiter im Juni 1941 an der Ostfront: Man spüre, wie das Dasein zerrinne. Seine Aufzeichnungen, aus denen Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek beim Gottesdienst vortrug, sind Teil der Sammlung »Das Echolot« von Walter Kempowski mit Zeitzeugenberichten aus dem Zweiten Weltkrieg. Sie sei dankbar, dass es wieder einen Gottesdienst, unterstützt von der Goetheschule, gebe und anschließend eine Kranzniederlegung öffentlich stattfinden könne, sagte sie. 1941, als der Gefreite gerade einen Kameraden verloren hatte, hatte gerade der Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion begonnen, der Krieg wurde zum Weltkrieg. Vernichtung, Belagerung, Massaker, der Holocaust unter der jüdischen Bevölkerung sowie unter Sinti und Roma, das waren erklärte Kriegsziele in den unterworfenen Gebieten. Brutales Vorgehen gegen Kämpfende und Zivilbevölkerung hätten tiefe Narben hinterlassen. 60 bis 70 Millionen Tote gab es weltweit, unzählige Menschen verloren Gesundheit, Angehörige, Heimat und Lebensmut. Von fünf Millionen Gefangenen aus der Sowjetunion kamen rund drei Millionen ums Leben. Drei Millionen Wehrmachtssoldaten gerieten in Gefangenschaft. Bis zu eine Million von ihnen starb. Das Gedenken an diesem Tag sei nicht auf die gefallenen Soldaten allein bezogen, sondern auf alle Opfer, die psychisch und psychisch Geschundenen. Man dürfe das Geschehen nicht relativieren oder umdeuten. Man müsse sich dafür einsetzen, dass sich Krieg und Diktatur nicht wiederholten, dass Verständigung und Versöhnung eintreten könnten.

Deutschland, erinnerte die Bürgermeisterin, sei die Hand gereicht worden, das sei ein Vertrauensvorschuss. 1951 wurde Deutschland in den Europarat aufgenommen. Dieses Geschenk der Aussöhnung sollte man bewahren und in die Zukunft zu tragen – ohne das Leid zu vergessen. Sie warb dafür, einzutreten für Frieden und Respekt und füreinander. Den Nächsten sollte man im Blick behalten, solidarisch handeln. Denn Frieden, Freiheit und Versöhnung seien ein kostbares Erbe, das man nicht preisgeben dürfe. Vielmehr müsse man Verantwortung für eine menschliche Welt übernehmen.

Krieg und Gewalt Hoffnung entgegensetzen

Aus Louis Armstrongs »Wonderful World« zitierte Pastor Daniel Konnerth in seiner Predigt, er sprach von grünen Bäumen, roten Rosen, wunderschönen Farben. Sie zeigten, dass Gott es gut mit den Menschen meine. Manchmal sei das Leben wie ein blauer Himmel mit weißen Wolken. Wenn in diesem erfreulicherweise generationsübergreifend besuchten Gottesdienst bei einem 50-Jährigen jeder zweite Tag seines Lebens glücklich gewesen sei, wären das mehr als 10.000 Tage. Es gebe sie, die wundervollen Tage und heiligen Nächte voller Liebe und Frieden, und dann singe man innerlich mit: »What A Wonderful World«.

Dabei sei das Leben von Louis Armstrong, 1901 geboren, zunächst nicht wundervoll gewesen, sondern geprägt von Armut und Gewalt. In der Anstalt, in der er aufwuchs, konnte er Trompete lernen, und spätestens 1967, als das Lied veröffentlicht wurde, kannte ihn jeder. Er sang von den Farben des Regenbogen, von Freunden, die sich umeinander kümmern, von Babys, die aufwachsen und lernen – in einer Zeit, in der die USA in Vietnam Krieg führten und Martin Luther King erschossen wurde. Das Lied bringe bei Google 1,5 Milliarden Treffer, darunter tausende Videos, die Gewalt, Krieg und die Zerstörung der Natur zeigten – kurz: die menschliche Dummheit. Auch dieser Gottesdienst, überlegte Konnerth, könne ein Video sein, das innerlich abgespielt werde. Man sehe am Volkstrauertag Bilder von Gewalt, Krieg und Zerstörung, aber man könne ihnen etwas entgegen setzen: eine Melodie und Worte der Hoffnung, den blauen Himmel, die dunklen Nächte. Was für eine wundervolle Welt. Das sei vielleicht kitschig, aber nicht naiv, denn Armstrong wende den Blick nicht ab, sondern er verbreite Zuversicht und Hoffnung. Das Lied sei keine naive Flucht, sondern stehe für hoffnungsvolle Träume, es sei trotzig und ehrlich, fordere auf, genau hinzugucken und die Welt zu schätzen und zu schützen.

Chor unter Leitung von Annett Steinberg

Ein Chor, unter anderem mit Schülerinnen der Goetheschule unter der Leitung von Annett Steinberg, sorgte für einen schönen musikalischen Rahmen: Nach »Donna nobis pacem« und »Wunderful World« gab es Applaus im Gottesdienst.ek