Für Bürger und Politik bleibt vieles im Unklaren

SPD-Besichtigung in der Innenstadt: Vorfahrtsregelung, Wissensquartier und Tiedexer Straße

Bei ihrem Gang durch die Innenstadt machte die Kernstadt-SPD auch Station am geplanten Wissensquartier – hier der Blick auf den Kindergarten Münstermauer.

Einbeck. Vorfahrtsregelungen, die Haushaltssperre, das Wissensquartier und die Planungen für die Tiedexer Straße: Bei einem Gang durch die Innenstadt hat sich die SPD-Abteilung Einbeck-Kernstadt auf Anregung des Vorstands wieder umgesehen und verschiedene Problemlagen in Augenschein genommen. Zudem müsse man überlegen, was die Haushaltssperre für die Tiedexer Straße bedeute, für die es aktuell einen »komischen Beschluss« gebe. Die Anliegersorgen seien größer geworden, stellte der Ortsvereinsvorsitzende Marcus Seidel fest, der gemeinsam mit den Abteilungsvorsitzenden Rita Moos und Peter Traupe die Tour begleitete.

An der Einmündung Haspel/Auf dem Steinwege gilt die Rechts-vor-links-Regelung: Wer aus dem Haspel herausfährt, hat Vorfahrt. Eine besondere Regelung durch Verkehrszeichen sei nicht notwendig, hieß es, denn es gelte eine Tempo-30-Zone. Entsprechend habe man keine Handlungsoption, wenngleich sich auch bei der Besichtigung zeigte, dass die Situation nicht ungefährlich ist. Gerade ortsunkundige Autofahrer würden die vorfahrtberechtigte Einmündung zu spät sehen. Das Thema sei in der Politik bekannt, es sei ins Mobilitätskonzept gepackt und ohne Änderung zur Kenntnis genommen worden. Eventuell, so die SPD, sei dieser Dauerbrenner ein Thema für den Kernstadtausschuss. Eine Möglichkeit wäre vielleicht, ähnlich wie in der Königsberger Straße eine »30« oder ein »Achtung«-Schild auf der Straße aufzubringen.

Der Haushaltssperre wirkt sich unter anderem so aus, dass die Erneuerung des Zauns an der Pestalozzischule gesperrt wurde. Über die  Dringlichkeit könne man sprechen, es müsse aber etwas gemacht werden. Eingeplant waren 50.000 Euro. Ungeklärt sei noch die Nachnutzung des Nebengebäudes, wenn es von der Goetheschule nicht mehr benötigt werde. Angeregt wurde, dass die Stadt die Graffitis an der Fassade des Hauptgebäudes entfernen lässt: Wo so etwas sei, komme schnell Neues dazu. Eine gute Ausstattung mit neuer Technik sei für die Schulen wichtig, hieß es mit Blick auf den soeben beschlossenen Digitalpakt, aber wichtig sei es auch, Grundbedürfnisse zu regeln, etwa die funktionierende Heizung oder ordentliche Toiletten.

Gerade im Bereich der Schulen werde die Haushaltssperre deutlich, kritisierte Marcus Seidel, unter anderem beim Brandschutz in der Grundschule Kreiensen. Dabei sei das etwas, das die Politik priorisiert habe. Insgesamt werde viel Bauunterhaltung in den Schule ausgebremst. Aber auch die Beschaffung von Spielgeräten werde gestoppt, ebenso die Umgestaltung des Bäckerwalls. Es sei ein Signal, wo man spare, so Seidel.

Dem sogenannten Wissensquartier steht die SPD grundsätzlich positiv gegenüber. An der Straße Auf dem Steinwege soll der Bereich um Museum, Archiv und Kindergarten Münstermauer neu strukturiert werden. Der Kindergarten stamme aus den 70er Jahren, hieß es; wie andere baugleiche Häuser weise auch er inzwischen erhebliche Baumängel auf. Die Notwendigkeit zur Erneuerung sei nur eine Frage der Zeit. Sinn mache es, neue Möglichkeiten für Bücherei und Archiv zu schaffen und zugleich einen barrierearmen Zugang zum Museum zu bekommen. Geplant sei das »Multi-Millionen-Projekt«, so Marcus Seidel, frühestens ab 2020, wobei Finanzierung und Zugriff auf Förderprogramme noch offen seien – wegen der Haushaltssituation sehe er hier ohnehin zunächst ein Fragezeichen. Die Idee komme aus der Stadtverwaltung, der Plan sei positiv für die Beteiligten. Gerade ein zugängliches Archiv sei für eine Stadt wie Einbeck mit einer lebhaften Geschichte wichtig.

»Wir sind gerade geblieben«, stellte die SPD zur Tiedexer Straße fest. Die Umplanung sehe eine deutliche Aufwertung der Straße vor, die Kostenentwicklung sei aber »nicht von schlechten Eltern«. Für die Anwohner könnten die aufgerufenen Summen durchaus existenzbedrohend sein. Es gebe keinen Zweifel, dass die Straßenausbaubeitragssatzung zum Einsatz kommen müsse, damit würden zum Teil sehr hohe Beiträge fällig. Es stelle sich aber die Frage, inwieweit die Sanierung für touristische Zwecke erfolge. Derzeit sei der Kostenrahmen für die Anwohner jedenfalls viel zu hoch.

Nachdem die Politik die Maßnahme zunächst einstimmig angehalten habe mit dem Ziel, die Anlieger nicht in diesem Maße zur Kasse zu bitten, sei die Entscheidung wieder aufgehoben worden, bedauerte die SPD. Man sei irritiert gewesen, dass die Maßnahme für 2020 vorgesehen wurde, ohne konkreten Vorschlag, wie man die Anlieger entlasten wolle. Das sei ein Verstoß gegen wichtige Haushaltsprinzipien, dass man nämlich nur Geld für Projekte einstelle, die auch realistisch seien.

Man habe sich ein Jahr Zeit gegeben, um eine Lösung zu finden, aber drei Monate seien schon ohne Ergebnis ins Land gegangen. Seit dem Ratsbeschluss habe sich nichts getan: »Da tickt die Uhr.« Eine neue Satzung müsse rechtzeitig auf den Weg gebracht werden, sonst hätten die Anwohner ein Problem. Eine vernünftige Erklärung zur Zukunft der Tiedexer Straße gebe es jedenfalls noch nicht. Wenn die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in Northeim gelobt werde, werde oft verschwiegen, dass die Gegenfinanzierung beziehungsweise Kompensierung noch offen sei.

»Wir sind vollkommen verunsichert – wie immer«, kritisierte die Sprecherin der Anwohner der Tiedexer Straße, Anja Linneweber. Man habe das Gefühl, wieder am Anfang der Diskussion zu stehen. Beängstigend sei die deutliche Kostensteigerung von zunächst 600.000 auf jetzt 1,4 Millionen Euro für das Bauvorhaben – weitere Steigerungen seien möglich. In der Summe würde so eine Million Euro bei den Anwohnern bleiben. »Wie kann man die Bürger so belasten?« Die Eigentümer könnten die Summe nicht aus der Portokasse zahlen. In vielen Fenstern zeige sich stiller Protest mit gelben Schildern, die ein Jahr dort hängen sollen: »Straße saniert, Anlieger ruiniert?« steht da – und dass einige Eigentümer bis zu 30.000 Euro zahlen müssten. Man fühle sich in die Enge getrieben, die Umsetzung des Konzepts werde mit brachialem Druck verfolgt.

Die von den Grünen vorgeschlagene Abschaffung der Beiträge zugunsten einer Umlage berge die Gefahr, dass eine funktionierende Satzung durch eine Neuregelung ersetzt werde, die angefochten werden könne, warnte die SPD.

Die aufgrund der Haushaltssperre angehaltene Maßnahme Neustädter Kirchplatz hat die Partei ebenfalls irritiert: Die Frage, wie es hier weitergehe, müsse öffentlich diskutiert werden. Der bisherige Umgang mit dem Thema, nämlich die Information der Fraktionsvorsitzenden beziehungsweise eine Pressemitteilung, sei nicht ausreichend. Und auch die Handhabung der Sondersitzung des Finanzausschusses sei ärgerlich – gegenseitige Wertschätzung erkenne man da nicht. Eine »Sparversion« für den Neustädter Kirchplatz, die nach Ansicht der SPD etwa 750.000 Euro kosten würde, wäre ausreichend – eine breite Ratsmehrheit sehe das aber anders. Vieles sei da aber noch nicht ausgegoren, etwa eine Trennung von Platz und Straßen, denn auch dort würden Straßenausbaubeiträge anfallen, wenn man eine umfassende und teure Lösung umsetze. Die SPD sei an einer verträglichen Lösung interessiert.ek