Für Frieden und Toleranz einsetzen

Verlegung von acht Stolpersteinen an drei Standorten in Einbeck

Weitere acht Stolpersteine verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig in Einbeck.

Einbeck. »Es ist ein ewiger Traum, dass unser Alltag nicht zerstört wird. Frieden ist für mich jeder Tag ohne Bomben, ein klarer Himmel ohne Bomben, ein klarer Himmel ohne feindliche Aktionen, die den Tod bringen heute durch Raketen. Frieden ist mein Traum zu leben, ohne die Angst, mein Heim, unser Leben zu verlieren – das Leben unserer Lieben, Kinder, Freunde! Frieden bedeutet, den Kopf frei zu haben für die kleinen, alltäglichen, normale menschlichen Probleme. Für mich bedeutet Frieden aber auch, die Bereitschaft zu kämpfen, wenn diese normale Existenz – das heißt, der Frieden – von jemandem bedroht wird«, das Gedicht von Halina Birenbaum las Antje Sölter, stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Einbeck, bei der Verlegung von acht weiteren Gedenksteinen in Einbeck vor. Sie mahnte, dass man sich immer für Menschlichkeit, Freiheit, Demokratie sowie Toleranz, Akzeptanz, Respekt und gegenseitige Wertschätzung einsetzen müsste.

Im Namen des Initiativkreises »Stolpersteine für Einbeck«, einer Arbeitsgruppe des Fördervereins Alte Syngagoge, begrüßte Robert Stafflage die Anwesenden. Er freute sich, dass so viele Personen an der vierten Verlegung teilnahmen. Mit acht weiteren Steinen an drei Standorten in Einbeck verneige man sich vor allen verfolgten, vertriebenen, deportierten und ermordeten Opfern des Nationalsozialismus, die Einbecker Mitbürger waren.

Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat seit 1997 rund 70.000 Stolpersteine in 1.100 Orten und 22 europäischen Städten verlegt und hiermit eine mahnende Erinnerung an das Schicksal der Opfer geschaffen, so Stafflage. In Einbeck gibt es schon 29 Steine vor zehn Häusern in Einbeck und eine Stolperschwelle vor dem Neuen Rathaus.

Der Initiativkreis hat sich zum Ziel gesetzt, die dramatischen Schicksale von Einbeckern ins Bewusstsein zu rücken. Dazu zählen 70 namentlich bekannte jüdische Opfer, mindestens sieben Mitbürger mit Behinderungen, die deportiert und ermordet wurden, sowie mehr als 1.200 ausgebeutete Zwangsarbeiter.

Der Nazi-Terror bleibt eines der größten Verbrechen der Weltgeschichte, so Stafflage. Die heutige Generation trage zwar keine Schuld daran, als Erben sehe man es als moralische und ethische Pflicht an, die Erinnerung an die Taten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Mit der Verlegung von voraussichtlich 70 Stolpersteinen will man eine langfristige Mahnung aufrechterhalten.

Die Gedenktafeln sind kein Hindernis, so Stafflage. Zum Lesen der beschrifteten Messingtafeln muss man sich verbeugen und mit Kopf und Herz über sie »stolpern«.

Er dankte Stadtverwaltung und Kommunalem Bauhof für die Unterstützung der Aktion. Die musikalische Begleitung übernahm Günter Tepelmann von der Mendelssohn-Musikschule auf dem Saxofon.

Das Gedicht von Halina Birenbaum sei eine große Mahnung, betonte Sölter, niemals dürfe man vergessen. Die Zeiten werden rauer, es gebe einen Rechtsruck – Synagogen brannten schon wieder. Der Frieden sei bedroht, jeder müsste für ihn kämpfen, forderte sie auf. Einbeck habe schon mehrmals gezeigt, dass es hier keinen Platz für Rechte gibt, denn »Einbeck ist und bleibt bunt«, betonte Sölter.

Am letzten frei gewählten Wohnsitz verlegte Demnig die Steine, für die Familie Herzberg drei Messingtafeln in der Benser Straße 17, für Wilhelm Ludwig Schramme einen Stolperstein in der Marktstraße 28 und für die Familie Sollinger vier Tafeln auf dem Marktplatz 23. An die ehemaligen Einbecker Mitbürger erinnerten Dr. Elke Heege, Dr. Ursula Beckendorf und Ulrich Hoppe.

Zum Abschluss gab es ein Treffen im Alten Rathaus. Dr. Dietrich Borchardt, stellvertretender Vorsitzender der Lebenshilfe Einbeck, erinnerte an Wilhelm Ludwig Schramme, einen Mitbürger mit Beeinträchtigungen. Er wurde 1941 umgebracht. Insgesamt ermordeten die Nazis etwa 300.000 behinderte und kranke Menschen systematisch.

Die Lebenshilfe Einbeck existiert seit 1958. Derzeit betreuen 150 Mitarbeiter 350 Kinder und Jugendliche.

Die Mahnung der Stolpersteine sei nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in Gegenwart und Zukunft gerichtet, so Dr. Borchardt. Ausgrenzung von Andersgläubigen, ethnischen Minderheiten und allem Fremden sind schon fast wieder auf der Tagesordnung. Deutliche Zeichen muss man setzen, wie das Verlegen von Stolpersteinen.

Durch medizinisch-technischen Entwicklungen nehmen Möglichkeiten der Krankheitsfrüherkennung zu. Zukünftig müsse man sich verstärkt mit Regeln ethischer Normen auseinandersetzen. Weiter muss man akzeptieren, wenn sich Menschen gegen Designerbabys, aber für ein Leben mit Krankheit und Behinderung entscheiden.

Die Stolpersteine sollen eine Mahnung für ein vergangenes Unrecht sein, aber auch eine Mahnung, verantwortungsvoll mit künftigen Fragen über lebenswertes Leben umzugehen, betonte Dr. Borchardt.mru