Gelungenes Experiment in Sachen Kunst

Diskussionsabend zur Cestnik-Ausstellung in der »TangoBrücke« / Meinung gefragt

Ist das eigentlich möglich und machbar? Da werden Besucher einer Kunstausstellung aufgefordert, über die ausgestellten Bilder eine persönliche Wertung abzugeben – auch noch schriftlich auf einer vorbereiteten Karte. Mögen da nicht viele Bedenken tragen, ihre vielleicht nicht richtige Meinung von zahlreichen anderen kundzutun und auch noch zu begründen?

Einbeck. Es war schon ein gewisses Wagnis, das Martin Keil von der »TangoBrücke« und Rainer Cestnik, einer der beiden Söhne des Malers Franz Cestnik, eingegangen sind, als sie den Besuchern des Kunsthauses nach einer kurzen Einführung durch die beiden Initiatoren einen Kugelschreiber und eine Karte in die Hand drückten und dann erst einmal abwar-teten. Die Bilder waren durchnummeriert, die Titel waren entfernt, und die Aufgabe hieß, jeder sollte sein bevorzugtes Bild – oder auch mehrere – auswählen und seine Wahl in einigen Sätzen begründen.

Und schon nach einer relativ kurzen Zeit zeigte es sich: Das Wagnis war geglückt, und es folgte eine angeregte Diskussion, in der durchaus verschiedene, sachlich begründete Meinungen zum gleichen Bild vorgetragen wurden – es ist eben nicht alles »eindeutig«.

Den höchsten Zuspruch fand das Bild eines freundlichen Clowns vor einem Baum mit Früchten und einem Fisch als Symbol urzeitlichen Lebens. Auf den zweiten Platz kam eine rote Landschaft mit Brücke und Sonne, ein von Franz Cestnik mehrfach gestaltetes Thema, ein melancholischer Blick in eine große, aber helle Ferne.

Der Maler selbst gab im Verlauf des Abends spontan eine Darstellung seiner Arbeitsweise von der anfänglichen Skizze mit Bleistift über die genauer ausgestaltete Zeichnung bis hin zur Radierung auf der Metallplatte, zum Holzschnitt oder zum Ölbild. Und sein Sohn führte das rein technische Werden der »Radierung« ganz korrekt vor. Nele Maas, Kunsterzieherin an der Paul-Gerhardt-Schule in Dassel, zog Verbindungslinien von Franz Cestniks Werken zu den Malern der »Brücke« und des »Blauen Reiters«, der wichtigsten Künstlervereinigungen des frühen Expressionismus am Beginn des vorigen Jahrhunderts.

Die Podiumsdiskussion war ein gelungenes Wagnis – sie könnte Vorbild sein für Ähnliches.D.A