Gelungenes Kunst- und Musikexperiment

Neue Ausstellung in der Art Lounge und Händel-Festspiele mit Barock-Musik in der Münsterkirche

In der KWS Art Lounge ist die Ausstellung »Intakt« eröffnet worden, entstanden in einer Zusammenarbeit von Künstlern »4 Times Baroque«.

Das Ergebnis eines ungewöhnlichen Kunstprojekts ist in Einbeck vorgestellt worden, ein Gesamtwerk aus barocken Klängen und spontaner Malerei. In der KWS Art Lounge »Newcomer« ist die Ausstellung »Intakt« mit Malereien, Kaligraphien und Graffitis zu sehen, und in der Münsterkirche St. Alexandri war im Rahmen der Internationalen Göttinger Händel-Festspiele Göttingen das Quartett »4 Times Baroque« zu Gast.

Einbeck. Zum allerersten Mal spiegele sich wider, warum KWS die Art Lounge gemacht habe, sagte KWS-Vorstandssprecher Dr. Hagen Duenbostel zur Eröffnung: Das Wilde und Kommunikative sei es, das alles zusammen mache große Freude. Es sei ein »wunderbares Kunst- und Musikexperiment gelungen«, das Anfang März in Bad Grund in einem gemeinsamen Workshop begonnen habe.

Tobias Wolff, Geschäftsführender Intendant der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen, erinnerte daran, dass die Idee eine längere Vorgeschichte habe. Neue Formate und Spielstätten zu entwickeln, halte er immer für hervorragend. Musik und Künstler seien in Bad Grund »eingesperrt« gewesen, aber diese Zeit war faszinierend und wertvoll.

Auf den Vorlauf des Projekts schaute auch Professor Dorothee Weinlich, Hochschule Hannover. Man brauche starke Nerven, um eine Gruppe mit vier Musikern, neun Studierenden, sieben KWS-Mitarbeitern und vier Dozenten in Schach zu halten. Das gelte für einen Intendanten ebenso wie für Hochschullehrer. Zudem, lachte sie, sei Vollmond gewesen, und man sei von einem Wintereinbruch überrascht worden – alles zusammen aber sehr inspirierende Bedingungen, wie Dr. Hagen Duenbostel feststellte. Dorothee Weinlich betonte, dass sich mit Blick auf das Ergebnis alles Durchdenken und Organisieren gelohnt habe, und mit dem »Zuckerhaus« der KWS im Harz sei noch etwas Besonderes dazu gekommen. »Alles ist möglich«, das sei das Gefühl, das alle begeistert habe. Astrid Eggert, Maltherapeutin, Künstlerin und Dozentin der Hochschule Hannover, erläuterte, dass zunächst auf riesigen Leinwänden gearbietet wurde. Das sei von Vorteil, denn bei üblichen Formaten »denke« man das Bild und bremse vorzeitig ab. So hätten es alle laufen lassen, die Bilder anschließend klein geschnitten und auf Keilrahmen gespannt. Das sei, räumte sie ein, ein kreativer, aber auch schmerzhafter Prozess gewesen. Alles in Weiß, Wände, Böden, der Schnee vor den großen Fensterfronten, das Cembalo in der Mitte des Raumes – diese besondere Atmosphäre habe jeder anders eingefangen und interpretiert. Zwischen barocker Musik und moderner Kunst habe es keine Vorbehalte gegeben, sondern immer große Offenheit.

Wissen sei begrenzt, Kreativität und Fantasie seien unbegrenzt – dieser Ansatz einer Teilnehmerin habe ihn beeindruckt, sagte Dr. Duenbostel. Jeder habe die gleiche Musik gehört, aber doch ein anderes Bild geschaffen.

»Intakt« ist bis zum 13. Juni in der Tiedexer Straße 20a/b mittwochs von 11 bis 13 und von 15 bis 17 Uhr, freitags von 16 bis 18 und sonnabends von 11 bis 13 Uhr geöffnet.

Das künstlerische Schaffen haben die Musiker von »4 Times Baroque« aufgegriffen und mit Videos zum Teil ihres Konzerts gemacht. In der Münsterkirche St. Alexandri waren Jan Nigges, Blockflöte, Jonas Zschenderlein, Violine, Karl Simko, Violoncello, und Alexander von Heißen, Cembalo, im Rahmen der Göttinger Händel-Festspiele zu Gast.

Die 2013 gegründete Gruppe gehört zu den aufstrebenden Ensembles, frech, frisch, mitreißen, junge Stars in der Szene der Alten Musik. Händel, aber auch Zeitgenossen wie Vivaldi oder Corelli standen auf dem Programm. Hier erlebe man, wie Musik in einen Kontext eingebettet werde, hieß der KWS-Vorstand die Besucher willkommen. Experimentelle Kunst und Musik des Barock: Im Workshop in Bad Grund seien mit den gleichen Schwingungen enge Verbindungen entstanden – ein wunderbares Feedback.

Festspiel-Intendant Wolff verriet, dass ein wesentlicher Impuls für dieses Zusammentreffen von KWS ausgegangen sei. Er sei sicher, dass die Zuhörer die Ergebnisse dieser zauberhaften Zeit genießen würden. Filmsequenzen von Benjamin Brommann, André Jachting und Siyani Retnam vermittelten die Atmosphäre hervorragend.

Zur Ouvertüre aus »Rinaldo« von Georg Friedrich Händel (1685 bis 1759) erhielten die Besucher einen Einblick, wie gearbeitet wurde, begleitet von fröhlich-festlichen Klängen. Mit Händel zu beginnen, liege nahe, erläuterte Jan Nigges, der die Zuhörer unterhaltsam auf die Werke einstimmte. Eine Ouvertüre in dieser »kleinen« Form sei im 18. Jahrhundert gängige Praxis gewesen: Die Musik sollte zuhause nachgespielt werden. Allerdings sei dies kein Standardwerk, sondern im Ursprung sei eine Solo-Oboe mit einem Gesangssolo verbunden, was hier mit Blockflöte und Violine dargestellt werde. Zudem sei es ein internationales Stück: in England komponiert, mit italienischen und französischen Einflüssen.

Ein »Telemann-Fake«, die Triosonate d-Moll, stand dann auf dem Programm. In Bibliotheken finde man ungeahnte Schätze, und so sei erst spät bemerkt worden, dass der Komponist dieser Sonate Pierre Prowo (1667 bis 1757) sei: Ein Kompositionsfehler, den man Telemann nicht zutraue, habe das verraten. Ungewöhnlich und charmant greift ein polnischer Tanz im letzten Satz die Ideen der Bierfiedler auf: Kneipenstil des 18. Jahrhunderts.

Antonio Vivaldi (1678 bis 1741) war unter anderem Priester und Musiklehrer, und dabei hat er für seine Schülerinnen viel komponiert, auch sehr anspruchsvolle Stücke. Die »Mädels« hätten beispielsweise das Kammerkonzert F-Dur »so hingehauen«, staunte Nigges; heute dagegen breche man sich fast die Finger dabei. Man hoffe, dass man den jungen Musikerinnen des Barock gerecht werde, schmunzelte er.

Mit Arcangelo Corellis (1653 bis 1713) Sonate opus 5 Nummer 7 d-Moll zauberten die Musiker als Trio einen leichten und lebhaften Klangteppich, der die Besucher in die Pause mitnahm. Corelli, hieß es, habe sich mit »La Folia« ein Denkmal gesetzt und viele andere inspiriert. Er klinge dabei nicht nur wie Bach, sondern Bach habe sogar ähnlich komponiert. Die »Folia«, »Verrücktheit«, falle mit ihren neun Sätzen aus der Rolle, sie sei zugleich Corellis beste Komposition. Die Altblockflöte dominierte hier, beeindruckte durch enormes Tempo und trieb dabei die Mitspieler voran - großer Applaus dafür.

Guiseppe Sammartini (1695 bis 1750) war Oboist bei Händel und ein guter Blockflötenspieler. Viele Barockstücke wurden aus der Orchesterversion für jedermann umgeschrieben: Jeder habe ein Instrument gespielt, »und der Gentleman spielte Blockflöte«, erläuterte Jan Nigges lachend. Die »Sonata a due F-Dur«, gedacht für zwei Flöten, interpretierte das Quartett mit einer Flöte und der Geige in der Rolle der zweiten Flöte. Auch hier ergänzte der im Hintergrund gezeigte Film über das Kunstprojekt über das Schneiden der Arbeiten hervorragend die Musik.

»La Notte« von Vivaldi lädt ein zum Kopfkino: »Stellen Sie sich vor, Sie sind in Venedig ....!« Da könne man der Fantasie freien Lauf lassen, und Vivaldis Concerto unterstützte das: ein wenig geheimnisvoll, mit dunklen Tönen, aber auch überraschend, zart und verträumt.

Mit Tarquino Merula (1559 bis 1665) und einer »Ciaccona« endete das Programm: Ein Bassmotiv wird von Flöte und Streichern begleitet, und man habe »echt lange« proben müssen, verriet der Flötist. Aber möglicherweise sei das der Weg, wie früher improvisiert wurde. Mit Gesangsauftakt klang das Stück federleicht und schwungvoll.

Erst nach einer Zugabe ließen die begeisterten Zuschauer die Musiker von der Spielfläche vor dem Altar von St. Alexandri. Anschließend wurden Kunst und Musik noch einmal in der Art Lounge zusammengeführt.ek