Gesamtschule soll länger gemeinsames Lernen ermöglichen

Informationsabend der Kreisverwaltung zur zweiten Elternbefragung über mögliche Gesamtschule in Einbeck / Jahrgänge 5 bis 10

Was kennzeichnet eine Kooperative Gesamtschule (KGS), was eine Integrative Gesamtschule (IGS), was unterscheidet sie, was können Schüler und Eltern erwarten? Im Rahmen der jetzt laufenden Befragung der Grundschuleltern im Nordbereich des Landkreises haben die Kreisverwaltung und Schulbehörde gemeinsam informiert. Nach dem großen Zulauf zur ersten Veranstaltung war die Resonanz im Bendow-Theater eher mager, die Fragen aber durchweg interessiert und sachlich.

Einbeck. Der Erste Kreisrat Dr. Hartmut Heuer erläuterte zunächst den Zeitplan der Befragung. Die Fragebögen, die Anfang der Woche in den Grundschulen in Einbeck, Dassel, Kreiensen, Bad Gandersheim, Kalefeld, Northeim und Katlenburg-Lindau verteilt wurden, sollten bis zum 19. August in den Schulen wieder abgegeben werden. Am 23. August werden sie bei den Kommunen vom Landkreis abgeholt und anschließend bis zum 27. August ausgewertet. Aus dem Ergebnis wird eine Beschlussvorlage für den Fachausschuss erarbeitet, der am 16. September tagt. Am 20. September wird sich der Kreisausschuss damit beschäftigen, am 24. September wird im Kreistag eine Entscheidung fallen. Läuft alles wie geplant, könnte zum 1. August 2011 mit einer Gesamtschule in Einbeck begonnen werden. Standort wäre das Schulzentrum am Hubeweg, wo die räumlichen Voraussetzungen gegeben wären. Allerdings müsste eine Mensa gebaut werden, wobei für eine Übergangszeit andere Lösungen denkbar wären.

Christa Markert, schulfachliche Dezernentin für Gesamtschulen am Standort Braunschweig, stellte die wesentlichen Grundzüge von KGS und IGS dar. Die KGS umfasst die Jahrgänge 5 bis 10 in aufeinander bezogenen Schulzweigen: Haupt- und Realschule sowie Gymnasium. Man könne nicht damit rechnen, dass gleich eine gymnasiale Oberstufe genehmigt werde. Es sei zwar eine zehnte Klasse mit Einführungsphase für die Oberstufe vorgesehen, der Schulträger prüfe dann aber die Einrichtung der Klassen 11 und 12. Es gibt sowohl gemeinsamen als auch schulzweigspezifischen Unterricht. Die Abschlüsse sind die gleichen wie im gegliederten Schulsystem. Es unterrichten Lehrer mit den spezifischen Lehrämtern. Die KGS muss mindestens vierzügig mit mindestens zwei Gymnasialklassen sein. Eine Planungsgruppe von Lehrkräften begleitet die Gründung, und dies ist in der Regel auch das zehn- bis zwölfköpfige Gründungskollegium. Auf dieser Basis wächst die Schule weiter.

Ziele der KGS sind unter anderem gemeinsame Lernerfahrungen, das Fördern von sozialem Lernen sowie erleichterte Übergänge, sowohl nach oben als auch nach unten. Die Teilnahme am Unterricht anderer Schulzweige ist in einigen Fächern möglich, ebenso Förderunterricht. Die Leistungsbeurteilung erfolgt nach Schulzweigen. Die Zahl der Schulabbrecher sei nur gering, so die Referentin. Die Schüler können die normalen Abschlüsse erreichen. Wer anschließend eine Oberstufe besuchen und das Abitur machen möchte, besucht die zehnte Klasse mit Einführungsphase.

150 Schüler pro Jahrgang, auch mit langfristiger Perspektive, sollen es für eine IGS sein, wobei »es an 148 Schülern nicht scheitern soll«, versicherten sowohl Christa Markert als auch Dr. Heuer. Werde bei den Anmeldungen diese Zahl jedoch überschritten, würden die Plätze verlost. Dazu werden aus starken, mittleren und schwachen Schülern Leistungstöpfe gebildet. Unterrichtet werden die Klassen 5 bis 10 nach Jahrgängen, nicht nach Schulzweigen. In den Klassen werden die Schüler gemischt. Die Lehrkräfte kommen aus allen Lehrämtern. Gemeinsames Lernen soll so lange wie möglich erfolgen, es wird nicht früh sortiert, wohl aber individuell gefördert. Es gibt Pflichtunterricht in Fächern und Fachbereichen, und ab der sechsten Klasse bestehen Wahlpflichtmöglichkeiten, etwa für eine zweite Fremdsprache. Ab Klasse 7 wird weiterer Wahlpflichtunterricht angeboten.

Innere Differenzierung ist ein Unterrichts-prinzip. Das heißt, dass die Schüler unterschiedliche Aufgaben bekommen, je nach Leistungsstärke. »Frontal alle gemeinsam zu unterrichten, das funktioniert nicht«, machte Markert deutlich. Die Aufgaben müssten vielmehr zu den Kindern passen. Dabei gebe es drei Anspruchsanforderungen: Basis-, erweiterte und Zusatzanforderung. Mit Differenzierungen wird ab Klasse 7 begonnen. Kursein- und -umstufungen erfolgen nur mit Information der Eltern. Versetzungen beziehungsweise Sitzenbleiben gibt es nicht. Ab Klasse 9 nimmt der gemeinsame Unterricht weiter ab, Fachleistungskurse sind verpflichtend. Dann gibt es auch Notenzeugnisse, die ersten Abschlüsse können erworben werden. Klasse 10 wird für Schüler, die das Abitur anstreben geteilt; hier läuft die Einführungsphase für die Oberstufe, die Schüler besuchen können, die Zusatzanforderungen erbringen und sonst im Notendurchschnitt mindestens eine Drei haben.

Die IGS ist eine Jahrgangsteamschule, die Lehrerteams bleiben von Klasse 5 bis 9 oder 10 gleich. Es wird eine gemeinsame Jahres- und Unterrichtsplanung vorgenommen. Sowohl IGS als auch KGS sind als offene Ganztagsschule angelegt, mindestens an zwei Nachmittagen findet Regelunterricht statt, und es gibt Förder- und Freizeitangebote. Auch Freiarbeit ist vorgesehen. Das gemeinsame Mittag-essen ist ein wichtiger Teil des Konzepts. Hausaufgaben gibt es in der Regel nicht.

Ob eine IGS oder eine KGS eingerichtet werde, hänge vom Umfrageergebnis ab, erläuterte Dr. Heuer. Sollte das Votum der Eltern keine Mehrheit zeigen, werde die Politik eine Entscheidung treffen. Von der Raumsituation her sei es egal, das Schulzentrum am Hubeweg sei für beide Schulformen geeignet. Landesweit  gebe es eine Tendenz zur IGS. Beide Referenten machten darauf aufmerksam, dass die Umfrage keine Anmeldung bedeute. Der Kreistag brauche aber eine Grundlage für seine Entscheidung, wobei man unterstelle, dass Eltern, die jetzt Interesse bekundeten, ihr Kind auch anmelden würden.

Zum Fortbestand der Gymnasien im Landkreis gebe es unterschiedliche Erfahrungen: »Wir erwarten eine Stabilisierung der Oberstufe, weil auch Schüler aus dem Umland angezogen werden.« Dassel, so Dr. Heuer, halte er für ausreichend stark aufgestellt; Probleme seien dagegen für die Schulstandorte Greene und Kalefeld zu erwarten. Eine Gesamtschule in Einbeck könnte deren Sterben beschleunigen.

Kommt das Kind schlauer aus der Gesamtschule, lernt es leichter? Diese Frage lasse sich nicht eindeutig beantworten, so Markert. Fest stehe: Der Weg sei länger offen. Keine Noten bedeuteten auch weniger Druck, es werde nicht aussortiert, und es gebe weniger Versagensangst. Statistisch nachzuweisen sei, dass mehr Kinder einen höheren Abschluss erreichen könnten als es ihre Schulempfehlung vorsehe. ek