»Geschichten« vor Gericht erzählt

Einstellung des Verfahrens | Vermeintlicher Raub sowie Nötigung

Einbeck. Angeklagt war ein 32-Jähriger, einem 53-jährigen Mann am 24. Mai 2021 gegen 17 Uhr in der Baustraße in Einbeck ein Fahrrad gestohlen zu haben. Der Eigentümer sah den Vorfall, rannte hinterher und versuchte dem vermeintlichen Dieb das Rad wieder aus der Hand zu reißen. Dabei soll es neben Wortgefechten auch zu einem Gerangel gekommen sein sowie zu einem Schlag mit einem Fahrradschloss auf den Kopf des Fahrradbesitzers. Die Aussagen von mehreren Zeugen und Angeklagten waren konfus und widersprüchlich. Unterschiedliche Versionen hörte man in der »Märchenstunde«. Eine Nötigung lag vor, die gab der Angeklagte in seiner Einlassung zu. Dem Antrag der Verteidigung, das Verfahren unter Auflagen einzustellen, stimmten Staatsanwältin und Schöffengericht um Richterin Martina Sievert zu. Der Angeklagte muss einen 300 Euro in monatlichen Raten zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zahlen.

Das 53-jährige »Opfer«, das auch als Zeuge und als Nebenkläger der Verhandlung beiwohnte, erzählte seine »Geschichte«, der Angeklagte eine andere. Noch konfuser wurde es bei den Zeugenaussagen. Darunter befanden sich zwei ehemalige Lebensgefährtinnen des älteren Mannes, eine davon ist jetzt mit dem Angeklagten zusammen. Ein Ortstermin in der Baustraße führte auch zu keinen aufschlussreichen Erkenntnissen. Die Staatsanwältin sagte, dass man bei den ganzen Wirrungen nicht wisse, »wer die Wahrheit gesagt hat.«

Der 53-jährige Nebenkläger gab an, dass er den Angeklagten beim Diebstahl gesehen habe, ihm nachrannte und stellte. Bei der folgenden heftigen Diskussion kam es zu einem Gerangel und einem Schlag mit einem Fahrradschloss auf seinen Kopf, was zu einer Verletzung führte. Fotografiert und angezeigt bei der Polizei wurde dies aber erst nach mehreren Tagen.

Der Angeklagte hingegen erklärte, dass es viele Auseinandersetzungen mit dem 53-Jährigen gab, weil er jetzt mit dessen Ex-Freundin zusammen sei. Nach telefonischen Beleidigungen fuhr er am 24. Mai hinter ihm in der Stadt her, um ihn zur Rede zu stellen. Das Fahrrad, um das es gehe, sei auch seins und nicht das des 53-Jährigens. Von diesem wurde er auch mit einer Spraydose und einem Feuerzeug bedroht. Solche Einschüchterungsversuche passierten des öfteren gegenüber ihm und seiner Freundin. Mehrere Personen sagten, dass der ältere Mann aufbrausend und aggressiv sei. Der Angeklagte war froh, nach dem Vorfall mit seinem Fahrrad fliehen zu können, ohne dass der 53-Jährige ihm etwas antat.

Während ein Zeuge, der direkt vor Ort war, schlichtend eingriff und nichts von dem Schlag sah, wollte eine Zeugin die vermeintliche Körperverletzung mittels Fahrradschloss aus größerer Entfernung genau beobachtet haben. Aber nur diese eine Aktion - sonst nichts von dem ganzen Geschehen, da sie sich um einen Hund kümmern musste. Auch wurde der tätliche Übergriff erst zeitverzögert der Polizei gemeldet. In der Zwischenzeit könne die Verletzung auch auf anderem Wege entstanden sein, so die Staatsanwältin. Viele Versionen habe man gehört, die Vorwürfe des versuchten Raubs in Tateinheit mit Körperverletzung wurden nicht erhärtet. Der von der Verteidigung gewünschten Einstellung des Verfahrens mit Auflagen stimmte sie zu - wie auch das Gericht. Wegen der eingeräumten Nötigung muss der Angeklagte 300 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.mru