Getreide, Keramik und zwei Schweineskelette

Archäologische Arbeiten östlich der Otto-Hahn-Straße | Kegelstumpfgruben als frühe Vorratssilos entdeckt

Grabungsleiter Franz Roth neben dem Schnitt einer sogenannten Kegelstumpfgrube, in der Getreide gelagert wurde. Ungewöhnlich ist die Tiefe dieser und weiterer Gruben.

Einbeck/Volksen. Die Zahl der Befunde ist noch nicht ungewöhnlich groß, sie ist aber bemerkenswert: Auf einem Gelände östlich der Otto-Hahn-Straße, genau genommen nicht mehr im Gebiet der Kernstadt, sondern bereits in Volksen, finden derzeit archäologische Grabungen statt. KWS wird hier bauen, zuvor sind die Archäologen am Werk. Zu ihren Befunden zählen unter anderem Getreidesilos aus der vorrömischen Eisenzeit.

Das künftige Baugelände oberhalb der Bahnlinie nach Salzderhelden ist knapp 8.000 Quadratmeter groß. Drei Viertel davon sind jetzt freigelegt beziehungsweise bearbeitet, 44 Befunde gibt es bislang. Sie stammen unter anderem aus Siedlungs- beziehungsweise Abfallgruben und Gretreidesilos aus der vorrömischen Eisenzeit (800 vor Christus bis zur Zeitenwende). Das Bemerkenswerte dabei sei, so Stadtarchäologe Markus Wehmer und Grabungsleiter Franz Roth vom mit der Grabung beauftragten Unternehmen Goldschmidt aus Düren: Mit mehr als zweieinhalb Metern Tiefe sei man hier so tief wie sonst praktisch noch nie gegangen; üblicherweise bewege man sich in 70 bis 80 Zentimetern Tiefe. Dabei seien die Funde, etwa die Knochen, außergewöhnlich gut erhalten. Sonst seien sie nämlich, gerade bei Funden im oberen Bereich, stark entkalkt, beispielsweise durch sauren Regen. Zu den außergewöhnlichen Funden zählen die tadellos erhaltenen Skelette von zwei kleinen Schweinen, berichtete Archäologe Dáire Leahy vom Goldschmidt-Team. Die Archäologen gehen davon aus, dass es sich dabei nicht um Opfer handelte, sondern dass die Tiere verendet sind und nicht zum Verzehr gedacht waren. Es sei möglich, die Tierknochen über die sogenannte C14-Methode genau zu datieren, erläuterte Markus Wehmer.

Entdeckt wurden auch zahlreiche sogenannte Kegelstumpfgruben, reine Getreidevorratslager, mit einer kleinen Öffnung und einer trichterförmigen Erweiterung nach unten. Sie kämen seit der späten Bronzezeit vor, führten die Archäologen aus. Etwa drei bis vier Kubikmeter Getreide, in Einzelfällen auch mehr, passten hinein. Das sei, erläuterte Wehmer, für eine längerfristige Vorratshaltung gedacht, beispielsweise für Saatgut und für Getreide zum Backen. Die Seitenwände der Gruben waren mit Flechtwerk verstärkt. Oben wurden sie mit einer Lehmschicht abgeschlossen. Innen sei das Getreide bis zu zehn Jahre lang keimfähig geblieben, bei etwa zehn Prozent Verlust – in den Gruben herrschte ein günstiges Mikroklima. Einmal geöffnet, musste man den Inhalt aber auf einmal herausholen, ihn auf einer Darre trocknen und auf mehrere Haushalte verteilen. Eine solche Kegelstumpfgrube sei »kein Kühlschrank, sondern ein Silo« gewesen, führte Markus Wehmer aus. Die Vorräte fürs Dorf seien darin gelagert worden – allerdings nicht in der Nähe der Bebauung, sondern, wie in diesem Fall, in den auslaufenden Bereichen des Ackerlandes; ab der heutigen Bahnlinie hat die Aue begonnen, die dafür nicht mehr genutzt wurde. Wurde das Dorf überfallen, fiel den Angreifern jedenfalls nicht der gut versteckte Getreidevorrat in die Hände. Und die Bewohner des Dorfes werden sich anhand von Merkmalen in der Landschaft die Lage ihrer Vorräte gemerkt haben.

Der Schnitt durch die Gruben hat den Archäologen verschiedene Schichten gezeigt. Auf dem Boden befindet sich häufig ein Kegel von zusammengefallenen Getreideresten. Sie können genauer untersucht werden mit dem Ziel, das enthaltene Getreide zu bestimmen.

Eindeutig seien die Gruben ein Zeichen für Überproduktion, etwa durch verbesserte Anbautechnik, so Wehmer. Waren die Gruben geleert, hat man sie mit häuslichen Abfällen verfüllt. Auch davon haben die Grabungen beispielsweise Keramikscherben zutage gefördert.

Man könnte bei diesem Gelände also mit Blick auf den geplanten KWS-Neubau von mindestens 2.500 Jahren Flächennutzung für Saatgut sprechen.
Interessant für die Archäologie waren zudem mehrere Baumwürfe. In einem Wurzelteller sind menschliche Knochen entdeckt worden, allerdings weniger gut erhalten. Da dabei auch vereinzelte Feuersteintrümmer gefunden wurden, ist davon auszugehen, dass es sich vermutlich um eine Bestattung aus der Steinzeit handelt. Auch hier soll die C14-Datierung genaueren Aufschluss liefern, mit einem Vorlauf von einem halben bis dreiviertel Jahr.

Die Befunde haben sich bisher über die gesamte Fläche verteilt, auf der vier Suchschnitte angelegt wurden. Einige weitere Entdeckungen werden aber noch erwartet. Südhang, Lößboden und in der Nähe eines Gewässers – aufgrund dieser Gegebenheiten habe man davon ausgehen können, dass man hier Spuren einer frühen Besiedlung finde, führte Wehmer aus. Bekannt seien die Siedlungsspuren am Negenborner Weg beziehungsweise auf den Neubauflächen am Weinberg. Neu ist die Tiefe der Gruben: Das zeige, so Wehmer, dass es hier nicht so viel Erosion gegeben habe. Im Talbereich sei deutlich weniger Erde abgetragen worden als weiter oben am Berg.

Das Unternehmen Goldschmidt ist mit einem internationalen Team mit Mitarbeitern aus verschiedenen Ländern tätig, etwa fünf bis sechs Beteiligte seien zeitgleich im Einsatz, teilte Leiter Franz Roth mit.ek