Großer Brand zerstört die Stadt

Fünf Mordbrenner mit Brandsätzen / Rettungmaßnahmen scheitern Ein Täter macht sich verdächtig / Suche nach dem Auftraggeber

Am Montag, 26. Juli 1540, betreten am späten Nachmittag fünf Gestalten die Stadt. Sie schlendern durch das Tiedexer Tor in die Innenstadt und trinken auf dem Marktplatz in aller Ruhe einige Biere. Danach gehen sie in unterschiedliche Richtungen davon. Plötzlich läuten die Feuerglocken der Stadt – Bürger und Dorfbewohner eilen herbei. Doch die Rettungsmaßnahmen scheitern. Es ist zu spät zum Löschen: Die Stadt Einbeck verbrennt.

Einbeck. Die Rauchwolken werden zuerst von den Einbeckern, die auf den umliegenden Feldern arbeiten, entdeckt. Doch ans Löschen ist jetzt schon nicht mehr zu denken. Überall schlagen die Flammen empor. Gemeinsam mit den Einwohnern der Dörfer versuchen die Einbecker zu retten, was zu retten ist. Doch schon nach kurzer Zeit müssen sie aufgeben. Jetzt gilt es, das nackte Leben zu retten. Nach einigen Stunden ist alles vorbei. 400 Menschen sind umgekommen, und die Stadt ist bis auf die Grundmauern abgebrannt. Einbeck steht nach der größten Katastrophe seiner Geschichte vor dem Nichts. Zu diesem Zeitpunkt sind die fünf Gestalten längst wieder aus der Stadt verschwunden.Der Hirte Cord Achtermann aus Hohenbüchen bei Alfeld und seine Kumpane Hans Goderdes, Jobst Nillen und die Hagedorn-Brüder hatten in ihren Kleidern Brandsätze versteckt und an verschiedenen Stellen in der Stadt gleichzeitig Feuer gelegt.

Jetzt liegt die gesamte Stadt in Schutt und Asche. Alle Bürgerhäuser, Buden und Scheunen mit ihren Nebengebäuden sind verbrannt. Das Rathaus mit dem im Keller gelagerten Pulver und allen Akten und Dokumenten ist explodiert und zu Asche verbrannt. Auch die steinernen Bauten werden schwer in Mitleidenschaft gezogen.

Das Göttinger Archiv wird später vermelden, »dat sick ein fueher erhawen, nicht an eynem, sundern an mehreren orden, unnd dermathen togenomen, diewile dat rathuss darsulwest durch dat pulwer unnd de geladen bussen tosprenget unnd umbgeworpen, dat alle de von Einbeck unnd die sunst sick dhem fuehre genaheten, sodanen fueher nicht hebben sturen noch widderstan mögen, alse dat alle clöster, dat stifft sankt Alexanders unnd alle kerken bynnen Eymbeck, thorme, huse, schunen, alle b[u]we to nicht, uthbescheden bolwerke unnd die doer, to grunnde uthgebrannt, darto ock vele menschen, beyde junge und alt, mit velem queck in sodanen brande verdorwen unnd to dode gekomen, also na uphören des brandes up den huessteden und kellern funden syn. Sodan schade unnd brandt is in ses stundengescheen.«

Noch ist von Brandstiftung keine Rede, wie der Hildesheimer Chronik von Johan Oldecop zu entnehmen ist: »Myt des seyn se ock, dat de gantze Stat were eyn Fur overall. Dar na wart erst de Klockenslach in den Kerken, wor noch Klocken weren ...«. »Aber das Feuer überschlug sie von allen Seiten und wurde schließlich so übermächtig, dass die Leute verzagten, so dass alles, was sich in der Stadt befand, ganz und gar verbrannte. Innerhalb von sechs Stunden brannte Einbeck bis auf den Grund ab, »so dass nicht einmal genug Holz übrig blieb, um ein Fischgericht zu bereiten … .«

Anscheinend hat es einen regelrechten Feuersturm gegeben, der ähnlich wie bei den Bombenangriffen des Zweiten Weltkrieges den ganzen umliegenden Sauerstoff ansog und in ein Flammenmeer verwandelte.Die obdachlos gewordenen Einbecker kamen bei Freunden und Verwandten in den umliegenden Städten und Dörfern unter oder kampierten in ihren Gärten vor der Stadt. Bereits am Tag nach der Katastrophe trafen die ersten Hilfslieferungen in Form von Brot, Butter, Käse, Speck, Fisch und Bier aus Northeim, Göttingen und Hildesheim ein. Sechs Tage später kamen von der Stadt Braunschweig acht Zentner Butter, 13 Zentner Speck, 16 Zentner Käse, für 26 Gulden Brot, 500 Pfund Stint, fünf Tonnen Rotscher (Karauschen), 30 Haken und Büchsen mit der »Retschop«, 20 Hellebarden, 13 Haken und 31 eiserne Schaufeln, 60 Eimer, 100 hölzerne Schaufeln und 300 Gulden an Bargeld.»Die Einwohner büßten außer ihren Gebäuden auch alle ihre Habseligkeiten ein; den Kaufleuten gingen zugleich alle Waaren verloren. So verbrannten unter anderem der Witwe des im Jahre 1530 verstorbenen Hans Diek … 1.000 Malter Roggen und 1.500 Malter Hafer.«

Neben dem Verlust an Häusern und Inventar waren auch viele Kunstwerke und Bücher zerstört worden. In Einbeck bestand eine Malschule, an der unter anderem Hans Raphon gewirkt hatte. Nicht nur in den Kirchen und Klöstern der Stadt, auch in den Häusern der wohlhabenden Patrizierfamilien dürften sich etliche Kunstwerke befunden haben. Auch die drei Bibliotheken, die des Alexandri-Stiftes, des Augustiner-Klosters und die Bibliothek des Johannes Alberti wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen.

Zwei Tage später wollte der Hirte aus Hohenbüchen sich offensichtlich überzeugen, »eff see ock ör gelt wohl verdeynet« hätten. Er begab sich auf den Neuen Markt, wo er sich betrank und unvorsichtig wurde. Nachdem er verdächtige Reden geschwungen hatte, wurde er verhaftet.

Im Verhör, »jedoch nur durch die Folter und durch angestellte Suggestiv-Fragen«, erhob er eine ungeheuerliche Anschuldigung: Heinrich Diek, Angehöriger eines Einbecker Adelsgeschlechts, habe ihm Geld gezahlt, damit er die Stadt anzünde. Angeblich soll Diek 14 Tage vor dem Brand gesagt haben, »so ghönde hee woll, dat Eymbeck in den hethen Kohlen stünde …«.Zunächst schien die Anschuldigung absolut aus der Luft gegriffen. Doch der Verdacht gegen Diek erhärtete sich, als es von anderen Brandstiftern, die bei Northeim und Braunschweig aufgegriffen wurden, ebenfalls hieß, sie seien von Heinrich Diek gedungen worden.

Nach dem Verhör des Hirten glaubte man in Einbeck genug zu wissen. Heinrich Diek wurde »zur Fahndung ausgeschrieben«. Zwischenzeitlich war Heinrich Diek, »nicht ahnend, was man in Einbeck gegen ihn im Schilde führte« von Hohenbüchen in seine Heimatstadt Einbeck geritten. Dort stand er in den Diensten des Claus von Mandelsloh, einem ehemaligen Einbecker und erklärtem Feind der Reformation. Mandelsloh verließ das protestantisch gewordene Einbeck und zog nach Hohenbüchen, wo er Heinrich Diek, der ebenfalls ein Gegner der Reformation war, als Vogt anstellte. Diek hatte eine wissenschaftliche Ausbildung genossen und wahrscheinlich in Erfurt studiert. Die Anstellung in Hohenbüchen kam Diek sehr gelegen, weil er sich im Laufe der Zeit stark verschuldet hatte.»Er hielt mit seinem Pferde vor dem Benser-Thore und, von dem aus Hohenbüchen gefangenen Hirten und dessen Aussage nichts wissend, sprach er, ohne Arges zu fürchten, mit mehren Bürgern, beklagte das harte Schicksal der Stadt, insbesondere seine Freunde und sprach: das ergangene Unglück sei ein Verhängnis Gottes.«

Einige der umstehenden Einbecker verstanden diese Äußerung so, dass Diek genaueres über die Entstehung des Brandes wisse und »gaben dem Pferde auf einmal einen herben Schlag, so dass es scheu und flüchtig durch das Thor in die Stadt laufen musste.« Die Bürger liefen zum Stadtrat und erstatteten Anzeige. Heinrich Diek wurde verhaftet …

(Fortsetzung folgt).wk