Haft auf Bewährung und eine dringende Mahnung

Blitzeinbruch beim Göttinger Juwelier: Zwei Jahre Jugendstrafe und Auflagen für 21-Jährigen aus dem Landkreis

Während die Staatsanwaltschaft davon ausging, dass der Angeklagte aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung nicht schuldfähig sei und untergebracht werden sollte, kam das Gericht zu einer anderen Entscheidung.

Einbeck/Göttingen. »Da hängt ein Schwert über Ihnen, das Sie in die Verantwortung zwingt.« Mahnende Worte von Amtsgerichtsdirektor Thomas Döhrel begleiteten das Urteil, das das Jugendschöffengericht beim Amtsgericht Einbeck jetzt gesprochen hat: zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung. Einem 21-Jährigen aus der Region waren unter anderem schwerer Raub und Schwarzfahren vorgeworfen worden. Diese und weitere Vorwürfe räumte der junge Mann ein. Während die Staatsanwaltschaft davon ausging, dass der Angeklagte aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung nicht schuldfähig sei und untergebracht werden sollte, kam das Gericht zu einer anderen Entscheidung.

Ende März des vergangenen Jahres hat der damals 20-Jährige abends die Scheibe eines Juweliergeschäfts in der Göttinger Fußgängerzone eingeschlagen und Uhren und Schmuck im Wert von rund 216.000 Euro eingesteckt. Um die Scheibe zu zerstören, benutzte er den Betonfuß eines Bauzauns, ein Metallrohr hatte er außerdem in der Tasche. In einem Supermarkt hatte er zuvor Müllsäcke gekauft, um die Beute zu verstauen. Passanten, die ihn davon abhalten wollten, bedrohte er. Zu viert gelang es Zeugen schließlich, ihn zu überwältigen und festzuhalten, bis die Polizei eintraf. Wenige Tage zuvor war er, nachdem er als Schwarzfahrer in einem ICE angehalten wurde, gegenüber dem Zugpersonal aggressiv und beleidigend geworden.

Sein Mandant räume die Taten ein, sagte Verteidiger Dr. Erkan Altun, und der Angeklagte stand dem Gericht Rede und Antwort. Im Zug wollte er ums Zahlen herum kommen, berichtete er. In Göttingen habe er nach dem Besuch bei einem Kumpel auf dem Weg am Juwelier vorbei gedacht, »das kannste mal mitnehmen«, auch aufgrund seiner schlechten finanziellen Situation. Was er mit einem möglichen Erlös aus der Beute machen könnte, habe er nicht bedacht. Und in der Vernehmung durch die Polizei habe er dummes Zeug erzählt.

Bisher ist der 21-Jährige mehrfach mit unterschiedlichen Delikten mit dem Gesetz in Konflikt geraten, ohne dass dies für ihn Konsequenzen gehabt hätte: »Diesen Angeklagten wollte niemand bestrafen«, stellte Richter Döhrel fest.

Von schwierigen Zeiten sprach die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe. Mehrfach sei er psychisch auffällig geworden, berichtete der medizinische Gutachter. Er ging auf eine schwere psychische Erkrankung ein, die dazu geführt habe, dass er mehrfach und auch für längere Zeiträume in entsprechenden Einrichtungen behandelt wurde. Er setze immer wieder selbstständig die Medikamente ab, und er leide unter Denkstörungen, wodurch er seine Handlungen nicht mehr steuern könne. Dabei habe er wenig Krankheitseinsicht. Die Schuldfähigkeit sah der Gutachter als beeinträchtigt, wenn nicht sogar aufgehoben an. Die Steuerungsfähigkeit sei so erheblich gemindert oder ganz aufgehoben. Er halte eine andauernde Betreuung für richtig, andernfalls sei mit einem Rückfall zu rechnen.

Die Staatsanwaltschaft stellte in ihrem Plädoyer fest, sie gehe von einer erheblichen Minderung der Schuldfähigkeit aus. Eine komplette Schuldunfähigkeit würde zum Freispruch führen, das wäre nicht zu verantworten. Der Angeklagte sei schon erheblich in Erscheinung getreten, allerdings noch nicht verurteilt worden. Fürs Schwarzfahren wurde ein zweiwöchiger Jugendarrest beantragt. Um weitere zu erwartende Straftaten zu verhindern, müsse man den 21-Jährigen engmaschig überwachen. Eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus werde deshalb beantragt.

Der Erziehungsgedanke spiele im Jugendstrafrecht eine große Rolle, stellte die Verteidigung fest. Wenn man sich für eine Unterbringung entscheide, müsse zweifelsfrei feststehen, dass – mindestens verminderte – Schuldunfähigkeit bestehe. An der Krankheit gebe es keinen Zweifel, dass der Angeklagte die Taten aber deshalb begangen habe, basiere auf einer »dünnen Tatsachenlage«. Allein die genaue Planung des Einbruchs spreche dagegen. Da sei keine verminderte Steuerungsfähigkeit zu sehen; der Sachverständige habe es sich zu einfach gemacht, auch mit Blick auf die Gefährlichkeitsprognose. Eine Jugendstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, erscheine sinnvoll; bisher habe er sich noch nicht bewähren müssen.

Zwei Jahre Jugendstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, zu diesem Urteil kam das Jugendschöffengericht wegen schweren Raubes, Beförderungserschleichung, Beleidigung und Körperverletzung. Insbesondere das Vorgehen im Zusammenhang mit dem Raub beim Juwelier zeige, wie gezielt er vorgegangen sei. Die verminderte Schuldfähigkeit habe der Sachverständige aus Sicht des Gerichts nicht richtig bewertet.

Er habe allein aus dem Verhalten im vergangenen Jahr darauf geschlossen. Wer allerdings so agiere wie in diesem Fall, steuere sein Verhalten. Somit sei er nicht vollkommen außerstande, die Krankheit zu kontrollieren, und das sei jetzt die Pflicht des Angeklagten. Eine verminderte Schuldfähigkeit habe das Gericht zu seinen Gunsten nicht ausgeschlossen, sonst wäre die Strafe höher ausgefallen und ohne Bewährung verhängt worden. Bisher habe er sich der Justiz stets entziehen können, jetzt müssten »auch mal Maßnahmen angeordnet werden«. Andere, kritisierte Döhrel, seien zu großzügig gewesen. Unter erzieherischen Aspekten halte das Gericht eine Unterbringung für nicht tauglich. Dass er weiter Medikamente nehmen müsse, müsse der junge Mann wissen und wollen.

Die Bewährung laufe über drei Jahre, begleitet von Bewährungshelfer und Betreuer. Es werde eine stationäre Therapie angeordnet, die etwa in einer betreuten Wohnform erfolgen könne. Wichtig sei die Kontrolle und dass der Angeklagte sich angewöhne, seine Krankheit einzusehen sowie Medikamente zu nehmen. Würden die Auflagen nicht erfüllt, müsse die Bewährung widerrufen werden, und das werde ihm nicht gefallen. Das zwinge ihn jetzt in die Verantwortung: »Zeigen Sie, was Sie drauf haben.«ek