»Hudo hat mir alle Türen geöffnet«

Riesiges Interesse an Vortrag von Heidi Hetzer: Rallyefahrerin spricht über ihre Weltreise im Hudson-Oldtimer

Einbeck. 960 Tage, 84.500 Kilometer und der sehnsüchtige Seufzer: »Ich könnte gleich wieder losfahren.« Heidi Hetzer, inzwischen 80 Jahre alt, hat mit einem Oldtimer, einem Hudson Great Eight, Baujahr 1930, die Welt umrundet. Auf den Spuren von Clärenore Stinnes hat die Rennfahrerin fast 40 Länder gesehen, einen Heiratsantrag bekommen und am Ende drei Ratschläge an ihr Publikum in der rappelvollen PS.Halle in Einbeck: »Seid freundlich zueinander, habt mehr Mut - und blinkt öfter.«

Die PS.Förderfreunde freuten sich sehr über den guten Besuch dieses Abends, sagte der geschäftsführende Vorstand Dr. Günter Diener - eine Weltreise sei ja erst komplett, wenn man Einbeck gesehen habe. Bei einem so vollen Haus sollte es auch nicht schwer sein, die 500-Mitglieder-Marke bei den Förderfreunden zu knacken, so seine Hoffnung.

In Berlin, berichtet Karl-Helmut Larkamp, mit dem Heidi Hetzer kurzweilig über ihr Abenteuer plauderte, sei sie ein Promi. Ihr Vater hat 1919 eine Victoria-Vertretung eröffnet, seit 1933 Opel. 1969 hat sie das Autohaus, eines der größten in Berlin, übernommen und bis 2012 geführt. Mit 75 Jahren hat sie sich aus dem Berufsleben verabschiedet.

»Meine Kinder haben an allem Schuld: Du stirbst, wenn du nicht mehr arbeitest«, hätten sie gesagt, und so habe sie sich für die Reise entschieden. Sie hat seit 1953 Rennsport- und Rallye-Erfahrung, unter anderem bei der Mille Miglia, der Rallye Monte Carlo und der Carrera Panamericana. Für ihre Weltumrundung nach dem Vorbild von Clärenore Stinnes von 1927 bis 1929 mit einem »Adler« hat sie einen Hudson gewählt.

»Komme ich an die Kupplung, kann ich ihn lenken? Dann habe ich ihn gekauft.« Aus dem Hudson und dem Vorbesitzer mit dem Vornamen Udo wurde »Hudo«. An Autos gebastelt hat Heidi Hetzer schon als Kind mit ihrem Vater. Technisch traute sie sich die Tour also zu. Schwieriger wurde es mit dem Beifahrer.

Der erste hatte »Rücken«, danach nahm sie den Nächstbesten, aber der hat sie vier Tage nach dem Start am 27. Juli 2014 in Berlin verlassen. Mehrere Beifahrer hat sie verschlissen. Im Iran, in Aserbeidschan und China wurden ihr vom Staat Pflichtbeifahrer zugewiesen. Mit Beifahrerinnen, verriet sie, sei es besser gelaufen, die Frauen hätten sich nicht eingemischt. »Ich wollte doch kein betreutes Fahren!«, entrüstete sie sich.

Gemischte Erfahrungen hat sie mit Werkstätten gemacht: In mindestens 50 ist sie gewesen, und oft wurde schlecht repariert. Die schönste Länder waren für sie Laos und Neuseeland, die schönste Stadt Buenos Aires. In Kanada hat sie eine Fingerkuppe verloren, als ihre Hand zwischen Lichtmaschine und Ölpumpe geraten ist. »Der Lappen hat sich verfangen, am anderen Ende war die Hand - und dann hingen zwei Finger runter.«

Einer sei danach »nutzlos«, der andere »kürzer«. Auf die Frage, ob alles wieder gut sei, kam die passende Antwort: »Nachjewachsen isser nich.« Die Klinik, schmunzelte sie, habe sie als »schwierig« eingestuft, musste doch in den Gips eine Mulde für den Schaltgriff eingearbeitet werden.

Eine weitere Unterbrechung war notwendig für eine Krebsbehandlung in Deutschland. »Geht ruhig mal zum Arzt«, so ihr Rat. Einen Reservemotor für Hudo hatte sie im Vorfeld beschafft, eine kluge Entscheidung, denn schon nach wenigen Kilometern störte beim Originalmotor das »Ietsch, ietsch, ietsch«. Ein Lagerschaden in Afrika hat die Geduld der Pilotin auf eine harte Probe gestellt, aber wenn man drängele, dann gehe gar nichts mehr.

Immer wieder habe sie erfahren, wie hilfsbereit die Oldtimer-Gemeinschaft sei, »und Hudo hat mir alle Türen geöffnet.« Mit ihrer Rolle als »alte Schachtel« und dem alten Auto sei sie jedenfalls gut gefahren. 160 Liter Sprit konnte sie tanken, einschließlich der Reservekanister - damit kam Hudo 400 Kilometer weit. 460 Liter Öl hat sie auf einer Tour verbraucht. Viele Menschen haben ihre Reise verfolgt, bei Instagram hatte sie 5,5 Millionen Clicks.

Etliche interessante Menschen konnte sie kennenlernen, einige Weltenbummler habe sie mehrfach getroffen. Von den 960 Nächten, die sie unterwegs war, habe sie nur etwa ein Drittel im Hotel verbracht, den Rest privat, berichtete sie. Viele Menschen waren über ihr Kommen informiert, hätten geradezu darauf bestanden, Heidi Hetzer bei sich zu Gast zu haben. Sogar einen Heiratsantrag hat ihr die Weltreise eingebracht, von einem Oldtimersammler in Neuseeland; er sei zehn Jahre jünger als sie gewesen und damit eigentlich zu alt.

»Gar nix«, antwortete sie resolut auf die Frage, was denn gefährlich gewesen sei. Eine Reifenpanne an der Grenze zwischen Irak und Iran habe sie allerdings in unguter Erinnerung. Dass sie immer einen elektrischen Türkeil dabei habe, habe sie in der Herberge vermutlich vor einem Überfall russischer Motorradfahrer geschützt. Sie habe, bestätigten die Zuhörer in der Diskussion, Mut und Leidenfähigkeit bewiesen, aber ob sie denn nicht lieber mit einem modernen Motor gefahren wäre? Nein, Clärenore hätte auch keinen anderen gehabt.

Und etwas habe sie der legendären Vorgängerin voraus: Die habe die Anden mit dem Zug überqueren müssen, sie habe es zweimal mit dem Auto geschafft. So viele beeindruckende Erlebnisse, das schreit geradezu nach einem Buch: Sie könne nur erzählen, so die 80-Jährige, jemand anders müsse schreiben. »Die oder der muss so deftig sprechen wie ich, ‘ne Tussi kann das nicht.« Sie will unbedingt wieder fahren.

Deutschland, so ihr Eindruck, sei aggressiver geworden, das Wetter sei »so ‘ne Scheiße«, alle seien in Eile, keiner nehme sich Zeit, freundlich zu sein. Das sei unterwegs anders. Die Menschen hätten nichts, und es werde trotzdem geteilt. Sie selbst habe sich verändert. »Ich habe keine Angst mehr.«

Was sie nicht mehr wolle, sei massenhafter Konsum. Als sie in Südafrika bestohlen wurde, habe sie bemerkt, wie wenig man doch brauche. »Du hast eine Uhr, ich habe Zeit«, habe ihr in Afrika jemand gesagt. Sie glaube überdies an Schicksal: Diejenigen, die sie getroffen habe, sollte sie auch treffen. Der Wagen für die nächste Reise ist schon bestellt: ein Toyota mit Allradantrieb und einem guten Motor, ohne Elektronik, mit leichtem Aufbau, Hubdach und Außendusche. Im April wird er in Marokko getestet, im Oktober geht es nach Ägypten und in den Sudan und weiter mit Ziel Kapstadt.

Einen Begleiter im Range Rover hat sie ausgewählt, »aber jeder hat sein eigenes Lenkrad.« Die Aufmerksamkeit, die ihr entgegen schlägt, wundert Heidi Hetzer manchmal: »Ich bin nur Auto gefahren, ich kann nur Auto«, lachte sie. Und dass so viele Menschen gekommen seien, »extra für mich«, das berühre sie sehr.

In der Rennsportszene ist der nächste Gast der Förderfreunde zu Hause. Am 17. November kommt Christian Geistdörfer. »Weltmeister, Unternehmer und Mensch« lautet der Titel des Abends, an dem er über Weltmeisterschaften mit Walter Röhrl, 13 WM-Siege und den viermaligen Gewinn der Rallye Monte Carlo berichten wird. Beginn ist um 19 Uhr. Anmeldungen nimmt Ursula Raschke, ursula.raschke@ps-speicher.de, Telefon 05561/92320270, entgegen.ek