Hoffnung hegen, Protest und Solidarität zeigen

»Krieg darf niemals das letzte Wort sein«: Friedensmarsch durch Einbeck mit bis zu 500 Teilnehmern

Bis zu 500 Personen stark, so die Schätzung der Polizei, war die Gruppe, die an den Kundgebungen und am Friedensmarsch durch Einbeck, hier in der Marktstraße teilgenommen hat.

Dass – wieder – Frieden herrscht in Europa, ist für viele Einbecker zurzeit ein ganz wichtiges Anliegen. Bis zu 500 Teilnehmer haben sich am Sonnabend zum Friedensmarsch durch die Innenstadt und über die Wallanlagen versammelt; dazu hatten die demokratischen Parteien und Einbeck Marketing, die Kirchengemeinden und Fridays for Future aufgerufen.

Einbeck. Nach einer Andacht in der Marktkirche fand Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek auf dem Marktplatz eindringliche Worte: Russland habe die Ukraine völkerrechtswidrig überfallen, das sei eine unfassbare Situation. Die sicher geglaubte Friedens- und Rechtsordnung in Europa und der Welt wurde in ihren Grundfesten erschüttert. Auch der Bundestag habe eine Zeitenwende eingeläutet.

Der Angriff treffe nicht die Menschen in der Ukraine allein, »er trifft uns alle«. Er gelte dem Frieden und der Freiheit, treffe die humanistischen Grundwerte. Sie betonte, dass man weiter mit dem russischen Volk in Frieden leben wolle und die russischen Mitbürger nicht in Generalverantwortung für das Handeln der russischen Regierung nehme. Aber die militärische Aggression des russischen Präsidenten und den Überfall akzeptiere man nicht. »Präsident Putin, beenden Sie unverzüglich diesen Krieg und das Leid.

Lassen Sie die Waffen schweigen«, so Dr. Michaleks Appell. Man müsse sehen, was Zivilgesellschaft und Stadt tun könnten. Sie sei überwältigt von der generationenübergreifenden Beteiligung an dieser Solidaritätsbekundung. Gemeinsam stehe man für Frieden und Werte ein, für Demokratie, Menschenrechte und Zusammenhalt. Sie sei dankbar für die Hilfsangebote zur Unterstützung der Menschen in der Ukraine, und sie bat darum, das Engagement fortzusetzen. Jede Sachspende sei wichtig, jede zupackende Hand, jeder gespendete Euro. Die ersten Geflüchteten seien eingetroffen, und es würden wahrscheinlich noch viel mehr. Man sei dabei, Wohnraum- und Hilfsangebote zu sammeln, um in Einbeck Schutz und Sicherheit zu bieten, in Zusammenarbeit mit dem Landkreis und Hilfsorganisationen. »Danke, dass Sie uns helfen«, so die Bürgermeisterin. Sie habe immer noch die Hoffnung, dass der Krieg von russischer Seite doch schnell beendet werde und baldiger Frieden möglich sei: »Krieg darf niemals das letzte Wort sein.«

»Stell dir vor, dass alle Menschen ihr Leben in Frieden leben«: Auf John Lennon verwies Marcus Seidel für »Einbeck ist bunt« bei der Ansprache am Neustädter Kirchplatz. 30 Jahre habe man Frieden in Europa gehabt und das Gefühl, es sei gut, hier friedlich, sicher und geschützt zu leben. Berichte über Konflikte in der Ukraine habe man fast als lokales Problem gesehen. Aber wer habe 2022 mit einem Angriffskrieg mitten in Europa gerechnet? Das sei eine Tragödie. Er könne die Begründung für diesen Angriffskrieg auf einen unabhängigen Staat nicht akzeptieren. Es werde nur Verlierer geben, abertausendfaches Leid, Zerstörung, Hass, Entmenschlichung, Hoff- nungslosigkeit. Erneut würden sich Menschen auf die Flucht begeben. Was man in Einbeck tun könne, sei öffentlich Solidarität für die Opfer zu zeigen, zu spenden, Flüchtlinge aufzunehmen und zusammenzustehen – für eine einige und friedliche Welt.

»Der Krieg ist nach Europa zurückgekehrt«, sagte CDU-Ratsfrau Heidrun Hoffmann-Taufall, Mitorganisatorin der Veranstaltung. Das wecke schlimme Erinnerungen, die viele nur noch aus Erzählungen der Eltern kennen würden. Sie ringe nach Worten für die beispiellose Skrupellosigkeit. Putins »langer Tisch« sei ein Zeichen für die Situation: keine Gemeinschaft, sondern maximale Distanz. Dieser Krieg sei globaler und bedrohlicher als je zuvor – mit der offenen Frage, wie weit Putin gehen werde. Er kämpfe gegen die Vorstellung, dass jeder Mensch frei und autonom sei. Es müsse schwer sein für ihn zu erkennen, dass er machtlos sei gegen die vielen, die für diese Überzeugung auf die Straße gingen. Sie bewundere, so Heidrun Hoffmann-Taufall, Menschen, die sich einsetzen würden und dabei ihr Leben riskierten. In Einbeck sei man Teil einer weltumspannenden Solidarität und bereit, Grenzen zu öffnen und zu helfen.

»Stell’ dir vor, es ist Krieg, und keiner verteidigt dich«: Für die BLGfE betonte der Vorsitzende Dirk Strohmeyer am Bäckerwall, einem weiteren Stopp beim Friedensmarsch, man habe das Privileg, in einem freien Land zu leben, einem freien Europa. Man wünsche sich Frieden, aber nicht zu jedem Preis. Der Kampf der Ukraine für das Recht auf Freiheit gehe auch Deutschland etwas an: Es wäre eben nicht besser, wenn Putin gewinne. In zwei Jahren greife er das Baltikum an, Moldawien, Finnland oder Polen. Und Deutschland? »Wer steht für uns dann ein?« Wer an Frieden und Freiheit glaube, sei Teil der Gemeinschaft. Die Hoffnungen seien bei den Ukrainern, dass sie überleben würden, und bei denjenigen Russen, die den Krieg ablehnten und die Größe ihres Landes nicht an der Fläche messen wollten, sondern an Errungenschaften eines freien Landes.

Die FDP-Vorsitzende Dr. Marion Villmar-Doebeling erinnerte an Martin Luther King: »I have a dream.« Sie wünsche sich, dass man durch die zahlreichen Menschen, die auf die Straße gingen, Kraft geben könne für die Ukraine und dass man Putin »per Telepathie« auffordere, den Krieg zu beenden. Hier setze man weltweit ein gemeinschaftliches Zeichen für den Frieden. Die Hilfsbereitschaft sei groß. Ruhe bewahren und besonnen sein, das gelte für alle NATO-Partner, und sie habe Hoffnung, dass das gelinge. Der Krieg in Europa im 21. Jahrhundert treffe in Mark und Bein. Und doch biete die Gemeinschaft die Chance, Kraft zu schöpfen und auf ein Ende von Gewalt und Schrecken zu hoffen. Diese Hoffnung würden alle weitertragen. Frieden sei das höchste Gut, und man stehe nicht allein. Man habe Worte, um Herzen zu bewegen, Angst zu überwinden und Mut und Zuversicht weiter zu tragen.

Ganz Europa spüre eine real gewordene Angst, sagte Rebecca Siemoneit-Barum, Geschäftsführerin von Einbeck Marketing. Man mache sich berechtigte Sorgen um die Zukunft. Ihr hätten Mut und Willenskraft des ukrainischen Volkes und des Präsidenten Selenskyj ein wenig Angst genommen. Wenn sie dort nicht kapitulierten, sollte man hier nicht so ängstlich sein. Die Welt stehe zusammen gegen Putin, die internationale Hilfsbereitschaft sei immens. Die Kräfte, die man jetzt bündele, der Zusammenhalt, den man beschwöre, müsse für alle gelten. Man könne miteinander diskutieren und gütig sein, wenn man nicht einer Meinung sei; man könne auf furchtbare Zustände an der Grenze hinweisen, und trotzdem auf der Seite der Ukraine stehen; man könne wütend sein auf Putin, sich aber um die Bevölkerung sorgen und die Nöte der russischstämmigen Nachbarn hier anhören. Einbeck sei ein Schmelztiegel mit Mitbürgern aus vielen Ländern. Sie lebten miteinander, seien Familie, Freunde, Nachbarn, Mitschüler. Man stehe vor einer Bedrohung, die alle sprachlos mache. Was man tun könne, sei Zusammenhalt zu zeigen, den Geflüchteten zu helfen und allen beizustehen, die sich Sorgen machten um ihre russischen Verwandten, denn »die Russen sind nicht Putin.« Niemand sollte sich seiner Nationalität schämen.

Den Abschluss bildete, wie auch an den einzelnen Stopps unterwegs, ein kleines Konzert mit John Deppe: »We Shall Overcome«, »Imagine« oder »Blowin’ in the Wind« – die Friedenslieder vergangener Jahrzehnte sind wieder aktuell geworden.ek