100-jährige Einbecker Aufnahme ziert Stromkasten

51. verschönerter Stromkasten zeigt Blick auf Ostertor und Dächer der Innenstadt

Über eine besondere historische Aufnahme auf dem Verteilerkasten am Anfang des Stukenbrokparks freuen sich (von links) Hans-Jürgen Kettler, Manfred Thiele, Gerd und Ursel Hillebrecht, Frauke Steinhoff und Jörg Hinkelmann.

Einbeck. Vor 100 Jahren gab es auch späten Schnee im April. Dies ist auf dem verschönerten Verteilerkasten im Stukenbrokpark zu sehen. Aufgenommen hat das Bild Georg Marienhagen am 16. April 1921 vom oberen Giebelfenster des Neues Rathaus. Man sieht einen Blick über das Ostertor auf die Einbecker Dachlandschaft mit Schnee.

Den Paten Gerd und Ursel Hillebrecht dankten von der Bürgerinitiative Sch(l)aufenster Vorsitzender Hans-Jürgen Kettler und Stellvertreter Manfred Thiele. Es sei etwas Besonderes, einen Verteilerkasten genau nach 100 Jahren miz einem historischen Bild von damals zu verschönern. Die gestalterische Vorbereitung übernahm Malermeister Jörg Hinkelmann, die Herstellung des Fotos und die Beklebung Frauke Steinhoff vom Druck Kurier Service Steinhoff aus Wellersen. Thiele dankte ihnen dafür – wie auch der Telekom, die die Erlaubnis zur Umgestaltung des Kastens gab.

51 Stromkästen in der Kernstadt und in Dörfern wurden verschönert, teilte er mit. Fünf Umgestaltungen folgen demnächst. Einige weitere Bewerber und Interessenten gebe es, so Kettler. Die Idee, aus grauen Kästen besondere Schmuckstücke mit historischem Bezug werden zu lassen, die zum Betrachten einladen, erfreue sich großer Beliebtheit. Einige absolvieren sogar Stadttouren anhand der Stromkästen durch Einbeck.

Wenig habe sich in den 100 Jahren seit der Aufnahme an der Dachlandschaft Einbecks verändert, so Gerd Hillebrecht. Auf der linken Seite des Bildes seien die hohen Dächer und Türme der Häuser um das ehemalige Kreishaus zu erkennen, auf der rechten dominiert der hohe Turm der Marktkirche St. Jacobi.
Es fehlen in der heutigen Zeit der Dachreiter der 1962 abgerissenen Neustädter Kirche. Auf der Aufnahme von 1921 kann man ihn am Horizont erkennen. Der bepflanzte Vorgarten vor Haus Neuer Markt 33 (Haus Hainski) existiere ebenfalls nicht mehr. Es fehlen zudem im Vordergrund der gerade noch angeschnittene Zaun zum Abhang der Straße zu den Gütergleisen des Bahnhofs und die hohe Straßenlaterne auf der Kreuzung des Ostertores.

Louis Marienhagen, der Vater des Fotografen Georg Marienhagen, arbeitete im Versandhaus Stukenbrok (ASTE). So war es nicht verwunderlich, dass seine drei Söhne nach ihrer Schulzeit dort auch Ausbildung und Arbeit fanden. Georg Marienhagen war der jüngste Nachkomme.

1921 wohnte er mit seinen Eltern im Haus Hohe Münsterstraße 21 – rückseitig am parkartig angelegten Grundstück der Villa Stukenbrok gelegen. Die Nähe dazu, seine fotografischen Kenntnisse plus seine Mitarbeit in der Kameraabteilung bei der Firma ließen ihn zu einer Art »Hof-Fotograf« bei Stukenbroks werden, erklärte Hillebrecht. Marienhagen wurde oft zu Privat-Aufnahmen gebeten. Einige der dabei entstandenen Aufnahmen sind im Buch von Wolfgang Kampa und Werner Zänker »August Stukenbrok – Wirtschaftswunder der wilhelminischen Zeit« abgebildet.

Georg Marienhagen ist der Vater von Ursel Hillebrecht. Dadurch kam das Bild in den Besitz von Ursel und Gerd Hillebrecht. 1964 zogen sie aus beruflichen Gründen nach Aus-tralien. Nach vier Jahren kehrten sie 1968 das erste Mal nach Deutschland zurück, um unter anderem die in Australien geborenen zwei Kinder den Großeltern vorzustellen. Anlässlich des Besuchs wurden unzählige alte Fotos angesehen – über die Jahre in vielen Schachteln aufgehoben. Als Erinnerung an Einbeck und die Heimat baten Ursel und Gerd Hillebrecht unter anderem um das Bild »Ostertor«. So kam es mit nach Australien.
Jahre später folgte beruflich bedingt ein Umzug in die USA. Das Bild folgte mit auf den nächsten Kontinent. Auch als es später nach Süddeutschland ging, war es mit dabei.

Nach Eintritt in den Ruhestand und einem weiteren Umzug 2006 nach Einbeck kam die Aufnahme zurück. Genau 100 Jahre nach Entstehung ist es jetzt im Heimatort im öffentlichen Raum zu sehen.

Die Besuche in Deutschland waren selten, es lagen immer Jahre dazwischen, erklärte Gerd Hillebrecht. Immer sammelte das Ehepaar »alte Erinnerungsstücke«, die für sie einen großen sentimentalen Wert hatten. So war es auch mit dem »Ostertor«-Bild. Wenn sie sich nach Jahren wieder für einen Besuch ansagten, hieß es teilweise in der Verwandtschaft: »Schränke zu, Schubläden zu, Gerd und Ursel kommen.«
Ob das Bild ohne die sentimentale Einstellung zu alten Dingen aus einer damals fernen Heimat überlebt hätte, wer weiß es, hinterfragten Ursel und Gerd Hillebrecht bei der Präsentation. Erfreuen kann man sich im Stukenbrokpark jetzt an einer 100 Jahre alten historischen Ansicht von Einbeck.oh/mru