Im richtigen Moment hingeschaut und geholfen

Zivilcouragepreis 2020 vergeben | Weißer Ring, Polizei, Rotary-Club und KSN würdigen Engagement

Jessica Bryant (Dritte von links, mit ihrem Lebensgefährten) wurde mit dem Zivilcouragepreis 2020 des Weißen Rings ausgezeichnet, ebenso Thorsten Froböse und Manuel Müller, die kurzfristig verhindert waren; deren Preise wurden stellvertretend entgegen genommen, unter anderem von Hans Walter Rusteberg (links) vom Rotary Club. Schirmherrin des Wettbewerbs ist Landrätin Astrid Klinkert-Kittel (vorn, Dritte von rechts). Die Leiterin des Weißen Rings, Dagmar Prelle-Traupe (hinten, Zweite von links), konnte als Laudatoren Rotary-Präsident Renatus Döring (vorn rechts), die KSN-Vorstandsvorsitzende Ute Assmann (vorn, Mitte) und den Landesvorsitzenden des Weißen Rings, Rainer Brucker (hinten, Zweiter von rechts), begrüßen. Die Preisträger würdigte auch Polizeichefin Maren Jäschke (Zweite von rechts). Über den PS.SPEICHER berichtete Geschäftsführer Lothar Meyer-Mertel (hinten, Mitte). Moderiert wurde die Veranstaltung von Dennie Klose (hinten links). Den musikalischen Rahmen setzte Sonja Tonn (hinten rechts).

Einbeck. Sie haben Menschen in Gefahr geholfen: Jessica Bryant, Thorsten Froböse und Manuel sind mit dem Zivilcouragepreis 2020 des Weißen Rings ausgezeichnet worden. Gemeinsam mit der Polizeiinspektion Northeim, dem Rotary Club Einbeck-Northeim und der Kreis-Sparkasse war der Preis unter dem Motto »Hinsehen – Helfen – Handeln« ausgeschrieben. Wegen der Pandemie musste die Verleihung im vergangenen Jahr abgesagt werden; jetzt wurde die Würdigung außergewöhnlichen Engagements im PS.SPEICHER nachgeholt.

Die Leiterin der Außenstelle Northeim des Weißen Rings, Dagmar Prelle-Traupe, erinnerte an die Geschichte des Preises: Eine Plakatausstellung dazu in der KSN fand so großen Anklang, dass man überlegt habe, einen Zivilcouragepreis auszuschreiben. Mit den drei Partnern wurde das in die Tat umgesetzt. Hinsehen, hinhören, nicht wegschauen, damit könne man Zivilcourage zeigen. Überall könne es zu bedrohlichen Situationen kommen; dann sei es wichtig, dass jemand da sei, der helfe, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen, der die Polizei rufe, Unterstützung hole und sich um das Opfer kümmere.
»Hinsehen – Helfen – Handeln«, den Slogan finde er großartig, sagte Rotary-Präsident Renatus Döring. Hinsehen oder wegschauen, diese Frage stelle sich vielfach in alltäglichen Zusammenhängen , und manchmal entscheide man sich zu Recht fürs Wegschauen. Bei Zivilcourage komme es darauf an, im richtigen Moment hinzuschauen und dann das Richtige zu tun. Dafür brauche man Partner, wie man sie für den Preis gefunden habe. Sie hätten sich dem Gemeinwohl verschrieben – alle passten zum Projekt.

Für die Polizeiinspektion Northeim betonte Polizeidirektorin Maren Jäschke, Zivilcourage sei der Mut, sich in bestimmten Situation für gerechte Werte einzusetzen. Dabei achte man nicht immer darauf, ob man selbst ein Risiko eingehe. Auch in der Pandemie könne man Zivilcourage zeigen: Jeder, der sich impfen lasse, tue das für die eigene und die Gesundheit anderer. Sie hoffe, dass auch die letzten, die das könnten und dürften, das noch tun würden. Negativ sei immer, wenn man wegsehe, bei Angriffen das Opfer nicht verteidige, Erste Hilfe verweigere. Die zu Ehrenden hätten intuitiv das Richtige getan, an die Opfer gedacht und mitgeholfen, Täter zu fassen. Die Nummer 110 bleibe wichtig, denn die Polizei sei für gefährliche Situationen trainiert. Auch die Polizei sei auf Zivilcourage angewiesen, betonte sie, sie brauche Zeugen und diejenigen, die Anzeige erstatteten. Sie dankte den Preisträgern für ihren Einsatz, aber auch den Unterstützern: Sie seien Motivation und Ansporn für andere.

Als Schirmherrin des Preises würdigte Landrätin Astrid Klinkert Kittel die Preisträger: Die hätten nicht weggeschaut, sondern Mut gezeigt. Verleumdungen, Mobbing und Gewalt seien oft zum Alltag geworden. Dagegen vorzugehen, dazu fehle vielen der Mut. Manchmal würden Menschen durch Mut in besonderes Licht treten, etwa Mahatma Gandhi – ein Beispiel, das zeige, wie der Mut eines Einzelnen die Welt verändern könne. In Gefahr anderen zu helfen, dieses Handeln verdiene Respekt und Anerkennung. Ihnen sei das Schicksal anderer nicht gleichgültig. Sie hätten Verantwortung gezeigt, und davon lebe die Gemeinschaft. Wer Zivilcourage zeige, gebe anderen Zuversicht, im Notfall nicht allein zu sein. Rückgrat und Haltung, »wie wir sie brauchen«, würden bei den Preisträgern sichtbar.

Für den PS.SPEICHER als Gastgeber der Feierstunde kündigte Geschäftsführer Lothar Meyer-Mertel Neues an: Unter anderem werde der Zukunftstunnel überarbeitet. Eine große Sammlung von Modellfahrzeugen werde man im Turm ausstellen, und 2022 sei der PS.SPEICHER Ausrichter des Landeswettbewerbs »Jugend forscht«.

Der zweite Preis ging am Manuel Müller aus Hettensen, den Renatus Döring würdigte. Im Oktober 2019 haben seine Nachbarn einen Alptraum erlebt: Sie kamen abends nach Hause und bemerkten Einbrecher. Sie liefen auf die Straße, riefen um Hilfe, und Manuel Müller, Berufskraftfahrer, der sich auf die Spätschicht vorbereitete, hörte das. Er erfasste die Situation und fuhr dem flüchtenden Täter hinterher, Richtung Autobahn. Dabei hielt er Kontakt zur Polizei, die den Flüchtigen kurz vor der Auffahrt mit zwei Streifenwagen stellen konnte. Es stellte sich heraus, dass er noch für drei weitere Taten verantwortlich war. Manuel Müller habe durch seinen Einsatz den Preis wirklich verdient, sagte Döring.

Der erste Preis wurde zweimal vergeben: KSN-Vorstandsvorsitzende Ute Assmann würdigte Jessica Bryant. Sie hat einer jungen Frau beigestanden, die im Auto von einem Mann geschlagen wurde. Das Opfer wollte an einer Kreuzung aussteigen, der Täter hielt die Frau aber am T-Shirt fest. Jessica Bryant sah das, als das Auto neben ihr stand. Dem Opfer gelang zunächst die Flucht, doch der Täter nahm die Frau in den Schwitzkasten Jessica Bryant stieg daraufhin aus, rief die Polizei und nahm die verfolgte Frau mit ins Auto. Der Täter wollte sie an der Weiterfahrt hindern, aber sie hatte die Türen verriegelt. Gemeinsam konnten sie den Tatort verlassen, während der Wagen des Täters von weiteren Verkehrsteilnehmern blockiert wurde, bis die Polizei zur Festnahme erschien. Sie habe sich intuitiv verhalten, Bedenken seien ihr erst gekommen, als sie hinterher davon gelesen habe, berichtete Jessica Bryant später. Das couragierte Verhalten sei so außergewöhnlich, dass man es würdigen wolle, so Ute Assmann.

Einen weiteren ersten Preis verlieh der Landesvorsitzende des Weißen Rings, Rainer Bruckert, an Thorsten Froböse. Anhand dreier Geschichten zeigte er zuvor auf, wie schwierig es sei, dass jemand in der Öffentlichkeit helfe. Gute Ratschläge gebe es im Nachhinein immer, aber während der Tat rufe kaum jemand die 110 an. Und wenn jemand Zivilcourage zeige, dann komme das bei der Berichterstattung oft zu kurz, »das müssen wir ändern.« Zivilcourage erfordere Mut, und sie berge Risiken. Appelle nützten leider wenig, und er sei traurig, dass es für richtiges Verhalten nicht mehr Solidarität der Gemeinschaft gebe. Dabei würden kurioserweise Menschen eher helfen, wenn sie allein seien – und je weniger, desto mehr Personen am Ort des Geschehens seien.

Thorsten Froböse, der weitere erste Preisträger, Feuerwehrmann aus Höckelheim, hat im Sommer 2019 Mut gezeigt, überlegt gehandelt und eine junge Frau vor körperlichem Schaden bewahrt. Nach einem Übungsabend beobachtete er, wie eine Frau von einen Mann belästigt wurde. Er schlug den Täter in die Flucht, alarmierte die Feuerwehrkameraden zur Verfolgung und rief die Polizei, die zur Festnahme schreiten konnte. Er habe konsequent gehandelt und alles richtig gemacht. Er sei überzeugt, dass es viele gebe, die so gehandelt hätten – aber dennoch zu wenig. So habe er größten Respekt vor dieser Leistung und vor allen, die dazu beigetragen hätten, das Richtige zu tun. »Rambos gibt’s genug, die richtige Wahl sind die Profis unter 110«, betonte der Landesvorsitzende.
Alle Preisträger erhielten eine Urkunde, einen aus Glas gestalteten Preis sowie eine Familienkarte für den PS.SPEICHER und einen kulinarischen Gutschein des Weißen Rings.

Die Verleihungsfeier wurde moderiert von Dennie Klose, Kraft-gegen-Gewalt-Botschafter des Weißen Rings, und von Sonja Tonn, Akkordeon-Lehrerin an der Mendelssohn-Musikschule.

Der nächste Zivilcouragepreis soll 2022 vergeben werden. Vorschläge können bereits gemacht werden bei der Polizeiinspektion Northeim, Präventionsteam, Teichstraße 4, 37154 Northeim, oder an weisser-ring-northeim@t-online.de. Zu nennen sind der eigene Name, der Name des Vorgeschlagenen und warum diese Person den Preis verdient hätte.ek