Indologe Dr. Olaf Czaja ließ Tibets Malereien erzählen

Mythische Herrscher und Dämonen mit Körper-Landkarten: Leipziger Wissenschaftler gab Einblicke in tibetische Geschichte

Der Tibet-Reisefilm-Veranstaltung des Museums folgte jetzt ein Vortrag zu »Geheimnissen tibetischer Malerei« im Einbecker Geschichtsverein.

Einbeck. Malereien zu Mythen, Bilder der Abfolge von Präexistenzen, zum Beispiel aus der Reihe der Dalai Lamas sowie Thangkas, die Auskunft geben zu Klosterplänen: Dr. Olaf Czaja vom Institut für Indologie und Zentralasienwissenschaften der Universität Leipzig erläuterte in seinem Vortrag die gesamte Bandbreite der tibetischen Malerei.

Er gab Einblicke, wo und wie sich die tibetische Zivilisation entwickelte und erzählte von den ersten Mythen, der Entwicklung von Mensch und Rasse: Ein meditierender Affe wurde von einer Felsdämonin belästigt. Falls er nicht zu Willen sei, würde sie Tausende von Lebewesen verschlingen. Bei Avalokiteshvara, dem »Bodhisattva des Mitleids« bekam er die Erlaubnis zur Ehe. Sechs kleine Affen folgten. Mit der Leiter aus dem Himmel soll als erster mythischer Herrscher Nyathri Tsenpo gekommen sein. Über die Königszeit des fünften bis neunten Jahrhunderts geben Dokumente einer Bibliothek Aufschluss, die der Franzose Paul Pelliot (1878 bis 1945) bei einer Expedition entdeckte. Die Manuskripte informieren zu Alltagsgeschichte wie Kreditverträgen ebenso wie zu Königschroniken.  

Viele der gezeigten Wandmalereien stammten aus dem Potala-Palast, mit dessen Bau im siebten Jahrhundert begonnen wurde, initiiert von Songtsen Gampo (617 bis 649), der zu den Dharmakönigen gezählt wird: Dies war der Titel einiger religiöser Führer verschiedener Schulen des tibetischen Buddhismus. Ein weiterer Dharmakönig, Thrisong Detsen, ließ um 755 das erste tibetische Kloster, das Samye-Kloster erbauen.  

Auch Bilder zum Bau des Dschokhang- oder Jokhang-Tempels, einem der bis heute heiligsten Tempel in Lhasa, erläuterte Dr. Czaja. Beeindruckend ist ebenso die Darstellung einer Landkarte mit Tempeln, Flüssen und Klöstern auf dem Körper einer auf dem Rücken liegenden Dämonin. Die Entstehungslegende des ersten tibetischen Reichs unter König Songtsen Gampo besagt, dass diese Dämonin durch den Bau von zwölf Tempeln gezähmt und damit die Besiedlung Tibets möglich wurde.

Interessant anzuschauen waren die Abbildungen der farbenprächtigen Malereien mit vielen dekorativen Details, die der Referent mitgebracht hatte. Fotos zu Klöstern und Statuen gaben weitere Einblicke. Ausführlich schilderte Dr. Czaja auch das Leben der beiden Gelehrten Sakya Pandita und Phagpa aus dem 12. und 13. Jahrhundert: Pandita stellte Kontakt zwischen Mongolen und Tibetern her, Phagpa entwickelte neue Schriftzeichen.

Mit dem fünften Dalai Lama übernahm im 17. Jahrhundert die Sekte der Gelugpa die Macht. Er ließ den ersten Bau des Potala-Palastes in eine größere Anlage integrieren. Um eine glaubwürdige, politische Linie darzustellen, hatte dieser Dalai Lama seine Vorgeburtslinien neu ausgewählt, darunter auch Songtsen Gampo. Sein Tod wurde 15 Jahre geheim gehalten. Wichtig für die Historie seien der fünfte und der 13. Dalai Lama, der von 1876 bis 1933 lebte, erklärte der Referent. 1904 wurden die Tibeter in mehreren Kämpfen vom britischen Militär unter Leitung von Francis Younghusband geschlagen. Der Dalai Lama musste flüchten. 1950 wurde der 14. Dalai Lama inthronisiert.

Die interessierten Zuhörer in der Aula der Pestalozzi-Schule stellten dem Referenten, der frei vorgetragen hatte, noch viele Fragen. Von der Tibet-Initiative, Region Hannover-Hildesheim war Jochen Wadsack anwesend. Sein Verein hatte kürzlich den König von Ladakh zu Gast. Weiter geht es am 24. Januar in der Stadtbibliothek mit einem Vortrag von Dr. Peter Aufgebauer: »Dieselben Rechte und Freyheiten – König Jerome und die Emanzipation der Juden.«des