Glückliche Kindheit prägt späteres Leben

Kindergärten der Baptistengemeinde feiern 125-jähriges Bestehen | Engagment mit Herz und Nächstenliebe

Zum Abschluss des Kinderfestes vor der Mendelssohn-Musikschule stiegen unzählige Seifenblasen zum Himmel auf.

Einbeck. »Eine glückliche Kindheit ist wie eine gute gefüllte Schatzkiste für das Leben« und »In der Kindheit gut verwurzelt wachsen - und vom Aufwind im Leben getragen werden« sind die Mottos der evangelisch-freikirchlichen Kindergärten »Pusteblume« und »Schatzkiste«, die jetzt 125-jähriges Bestehen feierten.

Zu Beginn des Jubiläumsfestes im Gemeindezentrum in der Baustraße freuten sich Pastor Lothar Leinbaum sowie Kerstin Voß, Joachim Voges und Wolfhard Puscz vom Trägerverein evangelisch-freikirchlicher Arbeitskreis für christliche Sozialarbeit Einbeck (ACS), dass so viele gekommen waren.

1894 entstand auf Initiative von Samuel Knappe mit Mitteln der Baptistengemeinde in der Kapelle der Waisengasse der erste Kindergarten Einbecks. Im gleichen Jahr wurde auch Deutschlands älteste noch zugelassenes Auto, die Benz Victoria Nummer 99, die oft durch Einbeck fährt, gebaut.

Im selben Zeitraum entstand das Versandunternehmen August Stukenbrok - die Eisenbahn fuhr auch schon vor Ort, schmunzelte Voß. Einbeck war damals fortschrittlich - die Errichtung des Kindergartens gilt als Meilenstein. Mit der Zeit vergrößerte er sich, 1972 wurde die zweite Einrichtung in der Wagnerstraße eingeweiht.

Im Mai 1995 gründeten Mitglieder des Vorstands der Baptistengemeinde den Verein evangelisch-freikirchlicher Arbeitskreis für christliche Sozialarbeit Einbeck (ACS), den Träger der Kindergärten. 2002 zogen 15 Kinder mit zwei Erzieherinnen als »Pusteblume«-Außengruppe von der Waisengasse in den Einbecker Stadtwald; seitdem besteht die Waldgruppe. 2014 startete nach entsprechendem Anbau an die »Schatzkiste« die Krippe als neues Angebot für Jungen und Mädchen unter drei Jahren.

Albert Thormann, stellvertretender Bürgermeister der Stadt Einbeck, gratulierte zum besonderen Jubiläum. Vor 125 Jahren wurde eine Entscheidung mit Weitblick getroffen. Man könne froh sein, dass die Vorfahren so weise waren. Mit Engagement und Herzblut setzen sich die Erzieherinnen ein und prägen die wichtige Lebensphase der Kinder. Ihr Ziel sei, eigene Persönlichkeiten zu entwickeln und eine breite Basis für das spätere Leben zu vermitteln.

Für die Zukunft wünschte Thormann, dass die Arbeit weiter vom guten Geist beseelt sei. Thomas Klammt, ehemaliger Pastor in Einbeck und jetzt im Bund der evangelisch-freikirchlichen Gemeinden tätig, meinte, dass er eine schöne und prägende Zeit vor Ort erlebte - nicht nur beim Gitarre spiele in den Kindergärten.

Weiter überlegte er, was Samuel Knappe wohl zum 125-jährigen Erfolg seiner Idee sagen würde. Wie er es sich gewünscht habe, verbreitete sich die gute Saat des Glaubens stetig weiter. Kinder seien wie Pusteblumen, sie brauchen einen guten Grundstock, eine Schatzkiste, um dann in die große weite Welt zu ziehen.

Klammt hofft auf eine lange anhaltende Wirkung des besonderen Engagements der Erzieherinnen. Schon vor 125 Jahren einen Kindergarten zu gründen, das sei modern und innovativ gewesen, sagte Martina Peters von der Arbeitsgemeinschaft der evangelisch-freikirchlichen Kindertagesstätten. Aus einer Vision von Samuel Knappes wurde Realität - diese habe sich bewährt und sei ein Vorbild für die jetzt 50 freikirchlichen Kindergärten in Deutschland. Im Festvortrag sprach Hans-Peter Pfeifenbring, Vorsitzender des Diakoniewerks Kirchröder Turm, über die »Motivation christlicher Diakonie«.

Wie der Titel der Einbecker Festschrift zu 175 Jahre Baptistengemeinde und 125 Kindergärten in Einbeck »Dort gebe es viele engagierte Menschen« aussage, brauche diakonische Arbeit engagierte Personen, so Pfeifenbring. Wichtig seien Nächstenliebe, Empathie sowie Hilfe zu geben und anzunehmen.

Diakonie bedeute, Menschen zu achten und wertzuschätzen, unabhängig von Alter, Gesundheit, Geschlecht oder Herkunft. Ob informelle Hilfe der Menschen untereinander, kirchliche Diakonie samt Altenpflege oder klösterliche Zuwendung - sie sei immer und allen Bereichen wichtig.

Schon in der Gründungsphase der Diakonie wurden Frauen eingebunden und übernahmen wichtige Aufgaben. Verschieden Formen der Nächstenliebe und Menschlichkeit existieren, so Pfeifenbring, emphatisch sollten man immer seinen Mitbürgern zu Seite stehen. In der Bibel im Buch Mose stehe, dass Arme, Flüchtlinge und Benachteiligte das Recht auf Nachlese und den Zehnten haben. Es gelte, ihnen unter die Arme zu greifen - ihre Teilhabe im Sozialstaat zu gewährleisten.

Den Mut müsse man haben, auch mal neue Wege zu beschreiten - wie in Einbeck vor 125 Jahren, sagte Peifenbring. Für die Zukunft wünschte er weiter viel Erfolg bei diakonischen und christlichen Arbeit vor Ort. Einblicke in den Alltag der Kindergärten gewährten die Mitarbeiter der »Pusteblume« und »Schatzkiste«. Ob kleine Verletzungen, besondere Herausforderung beim Anziehen, Organisation von Veranstaltungen oder Gespräche mit Eltern, mit einem Lächeln im Gesicht werden die Herausforderungen gemeistert, denn »wir sind Erzieher, das kommt von Herzen.«

In einer von Wolfgang Bauer moderierten Diskussionsrunde blickten auf ihre Erfahrung mit den Baptistenkindergärten zurück: Thomas Klammt, ehemaliger Einbecker Pfarrer, David Wurbs, früher selber im Kindergarten und jetzt Vater, Stephanie Johanns-Gläser, engagierte Mutter, sowie Britta Dehne von der Kindergartenleitung und Wolfhard Puscz vom ACS-Vorstand. Nachdem Puscz die Entstehungsgeschichte darstellte, lobte Klammt Engagement und Nächstenliebe der Mitarbeiter.

Immer wieder faszinierend sei, so Dehne, wie die Jungen und Mädchen in die biblischen Geschichten eintauchen. Die Bibel biete eine gute Lebensorientierung. Von der Vermittlung der christlichen Werte habe er sehr profitiert, so Wurbs, ähnlich sei es jetzt bei seinen Kindern. Helfen und unterstützen, seien Elementarwerte der Gesellschaft, umfassend werde die Nächstenliebe in den Kindergärten vermittelt, lobte Johanns-Gläser.

Zum Abschluss des Festakts dankte Voges allen, die sich für Gemeinde, Kindergärten sowie Menschlichkeit und Nächstenliebe einsetzen - ohne sie wäre das Leben viel ärmer. Musikalsich untermalt wurde die Feier von dem Berliner A Cappella-Quartett »Schall und Rauch«. Viel Beifall gab es für sie für ihre unterhaltsamen Darbietungen. Ein Teil der Jubiläumsfeier war das Kinderfest im Garten der Mendelssohn-Musikschule.

Über viele Stunden bevölkerten unzählige Jungen und Mädchen mit ihren Familien das Areal und hatte viel Spaß an den unzähligen Angeboten und Mitmachaktionen. Immer wieder gab es Neues wie in einer großen Schatzkiste zu entdecken. Etwas Besonderes war das große Finale: alle Gäste ließen zusammen einen großen Seifenblasenteppich zum Himmel steigen.mru