Kirche überdenken und sich öffnen

Osterempfang: Regionalbischöfin Dr. Ruck-Schröder plädiert dafür, dass Kirche Neues wagen soll

Günter Tepelmann und Andreas Jaeger bereicherten den Abend mit Saxophon und Gitarre.

Einbeck. Kirchliches Leben überdenken, was dabei wichtig ist, was man lassen kann – dafür plädierte Regionalbischöfin Dr. Adelheid Ruck-Schröder. Beim Osterempfang in der Neustädter Kirche ging sie der Frage nach, wie Kirche sein will – heute und morgen.

Pastor Martin Giering begrüßte die rund 60 Gäste. Die vergangenen zwei Jahre seien durch die Pandemie geprägt gewesen, unklar sei, wie sich die neue Normalität entwickele. Und so rief er dazu auf, den Empfang zu nutzen für den Austausch.

Seit Juli 2021 ist Dr. Adelheid Ruck-Schröder als Regionalbischöfin des Sprengels Hildesheim-Göttingen im Amt. Adelheid Ruck-Schröder wuchs in Stuttgart auf, studierte Evangelische Theologie in Tübingen und Berlin und wurde 1997 an der Humboldt-Universität zu Berlin promoviert. Sie war als Berufsschulpfarrerin in Saarbrücken tätig sowie als Beauftragte für den Evangelischen Religionsunterricht an Berufsbildenden Schulen im Saarland. Von 2010 bis 2012 war sie Sprecherin für das Wort zum Sonntag in der ARD und danach Autorin und Sprecherin von Morgenandachten im NDR. Bevor sie 2015 Leiterin des Predigerseminars im Kloster Loccum wurde, war Ruck-Schröder Pastorin der Göttinger Stephanus-Gemeinde. Sie ist verheiratet mit dem Göttinger Theologieprofessor Bernd Schröder; das Paar hat zwei erwachsene Kinder.

Superintendentin Stephanie von Lingen stellte die Rednerin, die rund 200 Tage im Amt ist, vor. Die Regionalbischöfin hob hervor, dass sie es schön findet, wenn sich Menschen ansprechen lassen. Es sei kostbar, mit den Menschen ins Gespräch zu gehen. Die Kirche, war sie sicher, müsse »mehr rausgehen, offen sein« - beispielsweise mit ansprechender Musik oder moderner Sprache.

Die Regionalbischöfin rief dazu auf, wahrzunehmen und anzunehmen, was sei. Scheinbare Sicherheiten wie politische Systeme seien unter Druck geraten. Die Lebensbedingungen und die Art der Kommunikation hätten sich geändert. Klimawandel, Migration und Flucht, Digitalisierung, die Verlagerung der Kommunikation in private und soziale Netzwerke, der Bedeutungsverlust von Institutionen, Singularisierung und Pluralisierung der Lebensentwürfe verdeutlichen dass »wir in einer Zeit des Übergangs« leben. An Stelle der Autorität trete Authentizität.

Nur noch drei Prozent nähmen an den traditionellen Sonntagsgottesdiensten teil, sagte Ruck-Schröder. Nicht nur falsche Angebote, sondern auch der demographische Faktor spiele dabei mit. Waren 1989 noch 40 Prozent der Menschen evangelisch, sind es 2021 nur noch 21,5 Prozent. »Die gegenwärtigen Formen der Kirche sind in der Krise«, folgerte die Pastorin. Aber: Wandlungsprozesse seien Teil des Christentums, und so sei es Zeit, über zeitgemäßes Christentum nachzudenken.

»Wir brauchen eine Kultur des Ausprobierens« samt Fehlerkultur. Gemeinden sollten sich die Frage stellen, wo die Quellen der Freude und des Glaubens lägen. Es sei zu diskutieren, was man lassen könne, wo das Freiräume gebe. Und sie plädierte dafür, das Christsein von den Quellen her zu leben, also Menschen zu helfen, gemeinschaftlich zu feiern und miteinander zu sprechen, um Gott zu verstehen.
Ausprobiert werden müsse, was möglich sei – beispielsweise ökumenisch zu denken, die Gebäude zu öffnen, sich Konfessionslosen zuzuwenden, Kinder und Jugendliche in den Blick zu nehmen. Kirche könne an soziale Knotenpunkte gehen oder Diakonie als Gesicht der Kirche definieren, nannte sie als Beispiele. Dr. Ruck-Schröder plädierte dafür, auch bei den Gottesdiensten die ganze Bandbreite auszuschöpfen, beispielsweise mit Feierabendgottesdiensten. Kurz: Kirche müsse sich überdenken.

Im Anschluss war genügend Zeit für Gespräch und Begegnung beziehungsweise Austausch über das Gehörte. Die Gruppe »Leib & Seele« sorgte für einen Imbiss. Kirche, Politik und Gesellschaft ins Gespräch bringen, ist das Anliegen des Osterempfangs, zu dem die Kirchengemeinde Einbeck und die Superintendenten alle Bürger eingeladen hatten. Dank galt Günter Tepelmann und Andreas Jaeger für ihre Musik.sts