Knochenjob mit Glühlampe und Zweitakter

LANZ-Wirtschaft öffnet ab heute im PS.Depot Lkw + Bus | Immer sonnabends, ohne Anmeldung

Eine echte Rarität ist dieser Lanz -D 9006 HRO, ein Holzgasrückbau von 1944 mit 13,8 Litern Hubraum und einer Motorleistung von 40 PS im Gas- und 63 PS im Dieselbetrieb sowie einer Spitzengeschwindigkeit von 18,6 Kilometern pro Stunde. Nur eine Handvoll Exemplare hat überlebt, nur zwei - eines davon steht in Einbeck – sind fahrbereit, wie Lanz-Kurator Andreas Bock, Pressesprecher Stephan Richter, Lkw- und Bus-Kurator Michael Stadler und Geschäftsführer Lothar Meyer-Mertel (von links) beim Rundgang durch die neue LANZ-Wirtschaft berichteten.

Einbeck. Sie sind ein Herzensprojekt des Stifters Karl-Heinz Rehkopf: die Lanz-Fahrzeuge. Seine Sammlung mit 37 Lanz sowie einige weiteren Fabrikaten, die meisten sogar fahrbereit, wird jetzt öffentlich gezeigt: insgesamt 54 Fahrzeuge. Der PS.SPEICHER öffnet damit ein weiteres Depot, jetzt zum Thema Landmaschinen. Die LANZ-Wirtschaft kann ab dem heutigen Sonnabend im Rahmen der Öffnungszeiten des PS.Depots Lkw + Bus im Otto-Hahn-Park besichtigt werden.

Das Leben sei keine Autobahn, sondern manchmal auch ein Acker, stellte PS.SPEICHER-Sprecher Stephan Richter fest. Unternehmensgründer Heinrich Lanz habe dafür ab 1859 Faszination gesät. Die halte nach wie vor an: Ein einziger Beitrag zum Thema, kürzlich in den sozialen Medien gepostet, sei der reichweitenstärkste in der Geschichte des PS.SPEICHERs geworden, mit mehr als 100.000 Zugriffen. Die große Bindung vieler Menschen ans Thema bestätigte Geschäftsführer Lothar Meyer-Mertel. Im laufenden Depot-Eröffnungs-Marathon sei die LANZ-Wirtschaft ein wertvoller Bestandteil, die Sammlung werde auf besondere Weise abgerundet. Für Karl-Heinz Rehkopf spielte die Sammlung eine herausragende Rolle: Auf dem Feld seines Onkels war ein Lanz das erste Fahrzeug, das er in seiner Jugend selbst bewegt habe, und sein Herz hänge daran. Er habe sie immer behütet und aufgehoben für den richtigen Standort, den man nun gefunden habe.

Der älteste Lanz der Sammlung sei ein Mops mit acht PS, gebaut 1923 und wirtschaftlich ein Flop, der jüngste ein Fahrzeug von 1955, 28 PS stark und einer der letzten, die im Lanz-Werk in Mannheim gebaut wurden; der kleine Volldiesel wurde 1955 vom Kornhaus Einbeck verkauft. Der größte Lanz, der hier zu sehen ist, hat 63 PS. Eine Attraktion, erläuterte Kurator Andreas Bock, dürfte auch der Eil-Bulldog sein, der es auf 33 Kilometer pro Stunde brachte – üblich waren sonst 14 Kilometer. Aber auch Dampf- und Dreschmaschine, Raupen und die während des Krieges üblichen Holzvergaser-Schlepper, original oder zurückgebaut, sind ausgestellt. Die Sammlung umfasst dabei auch sehr seltene Exponate, die nur noch in geringer Stückzahl erhalten sind. Alle haben eine Geschichte hinter sich, sie wurden für schwere Arbeit gebaut, und einige zeigen das auch noch.

Klein, gedrungen und kräftig wie eine englische Bulldogge, so erscheinen die Fahrzeuge. Das Anlassen der Einzylinder-Zweitakter ist eine Kunst für sich: Sie müssen mit einer Glühlampe an der Glühnase vorgewärmt werden. Wer die Lanz betrachtet, kann dabei eintauchen in ein Stück Landwirtschaftsgeschichte und einen Blick darauf werfen, wie früher gearbeitet wurde. Da Lkw unüblich waren, baute Lanz 1925 eine Feldbahn. Im selben Jahr lief im Unternehmen die erste Fließbandfertigung an, mit einem 175 Meter langen Förderband. Aus den 1920er Jahren stammt zugleich eine Stahldreschmaschine, der Lanz-Knecht.

Gebaut wurde, was der Kunde wollte, wobei die Geräte nichts für den kleinen Hof waren, sondern vor allem auf großen Gütern zum Einsatz kamen – man musste sie sich leisten ­können. Wer heute in der klimatisierten und komfortablen Fahrerkabine eines modernen Schleppers seinen Arbeitsplatz hat, kann sich kaum vorstellen, wieviel Kraft und Einsatz man beim Lanz aufwenden musste: Heute ver­brauche ein Fahrer mehrere Schlepper, damals habe ein Schlepper mehrere Fahrer verbraucht. »Das war ein Knochenjob«, stellt Andreas Bock fest – aber es sei doch ein Fortschritt gewesen gegenüber der Arbeit mit einem Pferd.

Ende der 50er Jahre setzte sich ein bequemerer Startvorgang durch. Auch Lanz wollte da zunächst mithalten; 1956 erwarb das Unternehmen John Deere jedoch die Aktienmehrheit, um Zugriff zum Lanz-Markt zu halben. Man habe, so Andreas Bock, zu lange am alten Konzept festgehalten. Die letzte Baureihe lief 1960 aus.

Dampfwalzen, Lokomobile von 1927 – einmal unrestauriert, einmal instand gesetzt und einsatzbereit – Stationär-Motoren zum Antrieb von Mühlen und anderen Geräten. Weiter zeigt die LANZ-Wirtschaft, was die Mitbewerber gemacht haben, etwa Hanomag, oder Famo; von dieser Breslauer Firma ist ein Raupen-Boxer zu sehen.

Der Eintritt für die LANZ-Wirtschaft ist im Preis für das PS.Depot Lkw + Bus enthalten. Öffnungszeiten sind von April bis Oktober sonnabends von 10 bis 18 Uhr. Für Gruppen können auch individuelle Termine vereinbart werden.ek