Körper und Seele nicht getrennt betrachtet

Oberarzt Thomas Rudolph spricht über Naturheilkunde und Traditionelle Chinesische Medizin

Naturheilkunde und Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) in den Fokus nahm jetzt Thomas Rudolph, leitender Oberarzt der Abteilung für Naturheilkunde/TCM im Charlotten-Hospital Stadtoldendorf. Auf Einladung des Vereins »Freunde und Förderer« stellte er vor vielen interessierten Zuhörern die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten vor.

Einbeck. Der überzeugte Schulmediziner guckt über den Tellerrand, hat sich in Naturheilkunde und TCM fortgebildet und das »Stadtoldendorfer Modell« entwickelt, das einst gegensätzliche Welten auf dem medizinischen Sektor vereint hat. Gemeint ist das Modellprojekt »Integration von Naturheilkunde und Traditioneller Chinesischer Medizin in ein Akutkrankenhaus«. Das Charlotten-Hospital Stadtoldendorf ist das einzige Krankenhaus in Niedersachsen mit einem derartigen Angebot. Aus kleinen Anfängen heraus wurde das Projekt stetig weiterentwickelt, heute gilt es als Funktionseinheit zur multimodalen Schmerztherapie und naturheilkundlichen Komplexbehandlung, die von den Krankenkassen anerkannt ist. Die »Naturheilkunde« in Stadtoldendorf ist nach wie vor keine eigenständige Abteilung, sondern ein Funktionsbereich der Inneren Medizin. Dies macht das Projekt einzigartig. Die Kombination von schulmedizinischen und naturheilkundlichen Verfahren soll insgesamt bessere Behandlungsergebnisse bringen, erläuterte der Allgemeinmediziner.

Zu den Therapieverfahren der klassischen Naturheilkunde zählen die Phytotherapie, also der Einsatz von Pflanzenwirkstoffen, die Hydrotherapie (Wasseranwendungen), die Bewegungstherapie und die Ernährungstherapie, die Unterstützung der Behandlungen durch eine gesunde Kost und eine dem Krankheitsbild angepasste Diät, sowie die Ordnungstherapie, die  eine ausgewogene Lebensführung im regelmäßigen Rhythmus und im Einklang mit der Natur vorsieht.

Zu den therapeutischen Verfahren der chinesischen Medizin zählen vor allem deren Arzneitherapie und die Akupunktur sowie die Moxibustion (Erwärmung von Akupunkturpunkten). Zusammen mit Massagetechniken wie Tuina und mit einer am Wirkprofil der Arzneien ausgerichteten Diätetik werden die Verfahren heute als die »fünf Säulen« der chinesischen Therapie bezeichnet. Die TCM ist die traditionelle Medizin mit dem größten Verbreitungsgebiet, besonders die Akupunktur wird heute weltweit praktiziert. Die TCM gilt als alternativ- oder komplementärmedizinisches Verfahren. Schul- und Komplementärmedizin fänden heute immer mehr zusammen, urteilte Rudolph. Denn beide hätten ihre Berechtigung.

Die TCM unterscheidet sich von der westlichen Schulmedizin unter anderem dadurch, dass sie auf der Fünf-Elemente-Lehre (Holz, Feuer, Erde, Wasser, Metall) sowie auf den Theorien von Yin und Yang (Gegensatzpaare), Qi (Lebensenergie) und anderen beruht. Diese ehemals abstrakten Begriffe liefern heutzutage eine Grundlage für das Verständnis von Naturgesetzen, die auch im Körper gültig sind.

Das Ziel der traditionellen chinesischen Medizin ist es, die Elemente sowie Yin, Yang und Qi im Körper im Gleichgewicht zu halten beziehungsweise das Gleichgewicht wieder herzustellen. Wird eine der Kräfte ungleich stärker oder schwächer, wird sie über die Behandlung mit ihrem Gegenstück wieder ausgeglichen. Die Diagnose wird dabei über mehrere Untersuchungsmethoden gestellt: Befragung, Betrachtung, Behorchung, Beriechung und Betastung. Dabei beruht die TCM darauf, Beschwerden mit ihrem Gegenteil zu therapieren und den Körper so wieder in Balance zu bringen. Frieren wird mit Wärme behandelt, Schwitzen mit Käl-te. Bei Schwäche wird der Körper angeregt, bei Überaktivität beruhigt.

Erkundet werde, warum der Mensch die Be-schwerden habe, stellte Rudolph fest. Dabei würden in der Betrachtung Körper und Seele nicht voneinander getrennt, und so werde eine individuelle Therapie entwickelt.Im November schließt der Förderverein seine Vortragsreihe für dieses Jahr mit einem Vortrag von Dr. Olaf Städtler über Schwindel ab. Der genaue Termin wird noch bekannt gegeben.sts