»Körperverletzung mit Turnbeutelchen«

Amtsgericht verhandelt über Rangelei und Pfefferspray-Einsatz | Nötigung, Fahren ohne Führerschein

30-Jährige zu 90 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt.

EInbeck. Am Anfang stand eine Reihe Vorwürfe: uneidliche Falschaussage, Sachbeschädigung, Körperverletzung, Nötigung, Fahren ohne Führerschein. Am Ende gab es eine Strafe von 90 Tagessätzen sowie die Ermahnung von Amtsgerichtsdirektor Thomas Döhrel, die Angeklagte möge sich nicht so leicht provozieren lassen.

Eine 30-Jährige aus Einbeck war unter anderem beschuldigt worden, ein Auto zerkratzt zu haben.

Den Fahrer soll sie durch Ausbremsen genötigt haben; als er anhielt, ist sie aus ihrem Fahrzeug ausgestiegen und hat ihm einen Reifen zerstochen. Weiter wurde ihr und ihrer jüngeren Schwester Körperverletzung mit Pfefferspray im Zusammenhang mit einer Rangelei in der Einbecker Fußgängerzone vorgeworfen. Und schließlich ist sie dabei erwischt worden, dass sie ohne Führerschein Auto gefahren ist. Das Verfahren gegen die Schwester wurde gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt.

Die 30-Jährige zeigte sich geständig, was das Fahren ohne Führerschein und das Zerstechen des Reifens anging. Dass sie das Auto zerkratzt habe, stritt sie ab. Anhand zahlreicher Zeugenaussagen versuchte das Gericht, die Vorgänge vom 17. Juli 2016 in der Marktstraße aufzudröseln. Dort hatte es Schläge sowie eine Attacke mit Pfefferspray gegeben. 20 bis 25 Personen seien bei diesem Vorfall vor Ort gewesen, berichtete ein Polizeibeamter. Die Angeklagte soll mit ihrer Mutter und ihrer Schwester die Marktstraße entlanggegangen sein und eine dort sitzende Frau beschimpft haben. Auf die Beleidigung folgte eine Handgreiflichkeit mit einem als Handtasche genutzten Turnbeutel. Unbeteiligte Dritte, die schlichten wollten, wurden ebenfalls attackiert. Im Verlauf der Rangelei ging die 30-Jährige zu Boden, und es kam Pfefferspray zum Einsatz.

Nicht jede Zeugenaussage war dabei hilfreich in Bezug darauf, wer nun wann gewalttätig wurde, und einige der insgesamt 24 Vorgeladenen blieben der Verhandlung fern. Mehrfach verhängte das Gericht deshalb 100 Euro Zwangsgeld, alternativ zwei Tage Haft. Nicht jeder Zeuge erwies sich gesundheitlich als stabil genug, sich der Befragung durch das Gericht zu stellen. Und nicht jeder verfügte über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, um sachdienliche Aussagen machen zu können. Einige wenige glaubwürdige und nachvollziehbare Aussagen gab es aber schließlich doch.

Fahren ohne Führerschein, Nötigung und Sachbeschädigung habe die Angeklagte zugegeben, die Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage und Sachbeschädigung werde man einstellen, da bleibe nur die gefährliche Körperverletzung, so die Staatsanwaltschaft. Aufgrund der Schilderungen sei es unstrittig, dass die Angeklagte nicht mit dem Pfefferspray gesprüht habe. Sie habe wohl die Schlägerei begonnen. Allerdings sehe man hier keine gefährliche, sondern eine einfache Körperverletzung, zu der sie sich provoziert fühlte – entsprechend einschlägig sei sie vorbestraft. Die Staatsanwaltschaft beantragte insgesamt 120 Tagessätze zu je 15 Euro.

Zum größten Teil könne er sich da anschließend, so Verteidiger Matthias Wuttke. Wer wann wen womit aus welchem Anlass geschlagen habe, da sei ihm aber vieles »inkonstant«. Von den Zeugen habe man »jede Menge Blödsinn« gehört – die Staatsanwaltschaft werde aktiv werden müssen, etwa wegen uneidlicher Falschaussagen. Da die ersten Schläge gar nicht die Zielperson, sondern Unbeteiligte getroffen hätten, könne man von versuchter oder fahrlässiger Körperverletzung sprechen. Dafür gebe es keinen Strafantrag. Eine gefährliche Körperverletzung sehe er nicht, es müsse aus Mangel an Beweisen einen Freispruch geben.

So sah es auch der Richter. Für Nötigung, Sachbeschädigung und mehrfaches Fahren ohne Führerschein verhängte er 90 Tagessätze zu je 15 Euro; außerdem trägt die Angeklagte die Kosten des Verfahrens. Hinsichtlich des Führerscheins, den sie vielleicht zeitnah nicht wieder bekommen werde, gab er ihr den gut gemeinten Rat, künftig nicht mehr zu fahren, sonst komme sie in eine »ganz blöde« Situation. Er habe sie erlebt als jemanden, der »sehr, sehr impulsiv« reagiere. Das zeige sich unter anderem an der Nötigung und am zerstochenen Reifen.

Die 30-Jährige sollte überlegen, ob sie künftig nicht besser Provokationen aus dem Weg gehe, Situationen könnten sich sonst schnell hochschaukeln. »Lieber mal die Klappe halten, die Situation vorübergehen lassen und einen Kaffee trinken.« Die Rangelei stelle er sich so vor, dass sich nach einer Beleidigung zwei Personen gegenüber standen; die Beschuldigte habe mit ihrer Tasche ausgeholt und getroffen. Für die Feststellung einer Tat müsse man aber ein Opfer haben. Zweifel gebe es zudem, wer mit dem Pfefferspray gesprüht habe . Sie sei es definitiv nicht gewesen; wer das Spray aus der Tasche genommen habe, sei für das Gericht offen. So bleibe eine »Körperverletzung mit Turnbeutelchen.«

»Hören Sie auf, sich auf diese Art und Weise provozieren zu lassen«, so Döhrels Rat. Sie gehe in entsprechenden Situationen drauflos. »Tun Sie’s nicht, das gibt kein gutes Ergebnis.« Das Urteil von jeweils 30 und zusammen 90 Tagessätzen, von denen nicht, wie sonst üblich, etwas heruntergerechnet werde, halte er in der Gesamtschau für richtig: »Das soll auch abschrecken.«ek