Landleben von seiner komisch-sympathischen Seite

Autorin Susanne Fröhlich liest beim Kulturring aus dem neuesten Andrea-Schnidt-Roman »Verzogen«

Moderatorin, Journalistin und Autorin Susanne Fröhlich hat im gut besuchten BBS-Forum in Einbeck aus ihrem Buch »Verzogen« gelesen.

Es war ein bisschen so, also ob man mit einer Freundin oder mindestens einer guten Bekannten plaudert, und die Damen waren ja auch – fast – unter sich: Moderatorin, Journalistin und Autorin Susanne Fröhlich hat jetzt beim Kulturring Einbeck ihr neues Buch »Verzogen« vorgestellt. Heldin Andrea Schnidt ist in diesem inzwischen zehnten Band der Reihe mit ihrem neuen Freund aufs Land gezogen, und hier erlebt sie Unerwartetes. Das ist manchmal nachdenklich, meist aber ziemlich komisch, und so verbrachte das Publikum einen sehr unterhaltsamen Abend.

Einbeck. »Bitte machen Sie das Licht wieder an«, bat Susanne Fröhlich die Technik um Beleuchtung im BBS-Forum. Ins Dunkle zu schauen, das gefalle ihr gar nicht, und die Rückmeldungen aus dem Publikum waren ihr wichtig. Der Nieselregen in Einbeck habe beim Joggen am Nachmittag ihre sorgfältig arrangierten Locken ruiniert, gestand sie, und dies und jenes kam im Plauderton zur Sprache. »Mach hin, dann sind wir bald fertig«, das seien jetzt sicher die Gedanken der – wenigen – männlichen Besucher, lachte sie. Dabei sei eine solche Veranstaltung, bei der man so viele Frauen live erleben könne, für Männer ­eigentlich ideal, »besser als Tinder«.

Mit dem dermaßen bestens eingestimmten Publikum ging die Autorin auf einen Querparcours durch »Verzogen«. Andrea, die Hauptperson, ist inzwischen 50 Jahre alt. Beim ersten Roman, »Frisch gepresst« von 1998, hatte sie ihren damaligen Mann gerade kennengelernt, dann die Kinder bekommen. Sie halte ein »Plädoyer für die Langstrecke«, sagte Susanne Fröhlich, das gelte insbesondere auch für die Partnerschaft. Und sie freute sich: »Sie lachen ja!« Dabei habe man sie doch gewarnt: »Da oben (in Niedersachsen) is’ schwierig.«

Andrea lebt seit sechs Monaten auf dem Land, und das ist ganz anders als erwartet. Mit Paul hat sie einen neuen Mann an ihrer Seite. Er ist Arzt, und als es darum ging, für ein Jahr eine Vertretung auf dem Land zu übernehmen, hat sie aus hormoneller Überflutung heraus ja gesagt. Mit der schwierigen Schwester Birgit wird über die demente Mutter gesprochen, und ebenso leichtfertig sagt Andrea, sie würde sie mitnehmen. So kommt es dann tatsächlich, die polnische Pflegerin zieht ebenfalls mit in das Haus dicht am Tannenwald, im letzten Ort vor dem Nichts, ins Sackgassendorf.

Der Kollege, den Paul vertreten soll, gibt drei »Damen« in die Obhut der neuen Bewohner. Erst hat Andrea den Verdacht, es seien junge Frauen, der alteingesessene Arzt sei so etwas wie der »Macron von Plasdorf«, aber Hannelore, Hedwig und Heidrun sind drei Hühner, mit denen Andrea gar nicht warm wird. Älterer Mann, junge Frau, diese Steilvorlage nutzte Susanne Fröhlich für erheiternde Überlegungen. Diese Konstellation sei längst akzeptiert, obwohl sie die 25-jährige Partnerin eines 65-Jährigen nicht verstehe. Andersherum? »Ich stehe manchmal vor den Gymnasien«, sagte sie augenzwinkernd – nein, das sei ein seltsamer Gedanke und überhaupt: Man müsste in so einer Konstellation Abba erklären und nochmal Vokabeln abfragen, nichts für sie.

Die Gemeinschaft von Andrea und Paul, Mutter und Pflegerin bereichern schließlich Andreas Ex-Schwiegervater, und sein Hundewelpe »Willisch«, eigentlich nur vorübergehend, aber man weiß ja nie ... . Rudi spricht breites Hessisch, und er hat für alles praktische Lösungen.

Die Abgeschiedenheit wird zum Problem, als die Mutter eines Nachts halbnackt in den Wald verschwindet. Andrea verfolgt sie mit nur wenig mehr Bekleidung. Beide haben sich bei dieser Aktion auch noch ausgesperrt, und niemand hört ihr Klingeln. Während die Mama so geistesgegenwärtig ist, die Wärmelampe im Hühnerstall anzuknipsen, wird Andrea in ihrem fragwürdigen Zustand von einem »Kerl mit ­dickem Schlitten« aufgegriffen, dem Bürgermeister des Dorfes. Immerhin spendiert er ihr ein Snickers, das sie völlig erschöpft, im Liegen verspeist. »Morgen ist auch noch ein Tag ...«, mit diesem zitatreifen Gedanken endete die Lesung, nicht aber das Buch.

Sie selbst wohne, verriet Fröhlich, auch auf dem Land, im Hochtaunus in einem Ort, in dem es Soja-Latte-Karamell nicht gebe. Häufig werde das Landleben verklärt, aber es sei ihr auch wichtig, Vorurteile über Bord zu werfen. Es seien eben nicht alle in Hipster-Town Berlin zuhause, sondern die Mehrheit wohne »in Orten mit sehr gemischten Postleitzahlen«. Autobiographisch sei Andrea Schnidt aber nicht. Mit ihr habe sie eine Heldin geschaffen, die älter werden sollte, wenngleich man sich selbst »innen« als nicht alt fühle. Außerdem wollte sie zeigen, dass eine Beziehung nach einen Happy-End eigentlich erst anfange. Und eine gute Nachricht für alle Fans hatte sie auch: »Es gibt einen Band 11.« Ein Hörbuch, so eine Anregung aus dem Publikum, sei auch in Arbeit, wenngleich das nicht ihre Lieblingstätigkeit sei. Es gebe immer Störgeräusche, etwa »Magen«.

Vor dem Schreiben stehe, Idee und Struktur zu erarbeiten, so dass ein Buch etwa ein halbes bis ein ganzes Jahr dauere. Dass leichte Kost schnell erledigt sei, verneinte sie. Bücher schreiben mache ihr Spaß, es habe etwas von einem Handwerk.

Als Journalistin und Moderatorin sei es ihr gelungen, ihr »Mundwerk gewinnbringend einzusetzen«, wie ihr Vater ihr das geraten habe. Auf die Frage nach ihrer Lieblingslektüre nannte sie »gehobene Belletristik«, unter anderem Anne Tyler, aber auch Bücher aus dem »eigenen Gebiet«. Für ihre Literatursendung im MDR lese sie die besprochenen Bücher zur Vorbereitung selbstverständlich komplett; einmal habe sie auf das Ende verzichtet und sich dabei gar nicht gut gefühlt.

Zum Ende des erfrischenden und unterhaltsamen Abends gab es eine Menge Beifall, und Susanne Fröhlich stand gern für Autogramme und zahllose Selfies zur Verfügung, und sie signierte ihre Bücher. Gesponsert wurde die Lesung von der Einbecker Wohnungsbaugesellschaft. Die Besucher wurden beim Einlass mit einem Lesezeichen und weiteren nützlichen Utensilien willkommen geheißen. Nach der kurzweiligen und humorvollen Veranstaltung freuten sich die Zuhörer beim Verlassen des BBS-Forums über einen frischen Apfel vom Land – dem Ort, der das neue Zuhause von Andrea Schnidt ist.ek