Leistenhernien - eine zunehmende Volkskrankheit

Vortrag von Dr. Christan Kley beim Förderverein des Einbecker Bürgerspitals | häufige chirurgische Erkrankung

Für den interessanten und informativen Vortrag über Leistenhernien bedankte sich Brunhild Vatterodt, Vorsitzende des Fördervereins, bei Dr. Christian Kley.

Einbeck. Mit bis zu 250.000 Neuerkrankungen und 220.000 Bruchoperationen pro Jahr gelten sie als Volksrankheit, die Leistenbrüche. Über eine der häufigsten chirurgischen Erkrankungen sprach Dr. Christian Kley beim Förderverein des Bürgerspitals. Männer seien öfter betroffen als Frauen.

Leistenbrüche gelten teilweise als Wohlstandserkrankung wegen der vermehrten Zunahme des Körpergewichtes und Erhöhungen der Arbeitsbelastung. Brunhild Vatterodt, Vorsitzende des Fördervereins des Bürgerspitals, freute sich, erneut Dr. Christian Kley, Leiter der Klinik für Allgemeine und Minimalinvasive Chirurgie, als Referenten begrüßen zu können und von ihm Informationen über Leistenbrüche zu bekommen.

Der Chefarzt erläuterte, dass Leistenbruch, auch Inguinalhernie (lateinisch Hernia inguinalis) genannt, ein Eingeweidebruch (Hernie) im Bereich des Leistenkanals sei. Komme es in der äußeren Hülle der Muskeln, Sehnen oder des Bindegewebes zu Schwachstellen, entstehen Lücken, sogenannte Brüche (Hernien), wobei neben dem Nabel-, Schenkel- und Narbenbruch auch die Leistenhernie häufig auftrete.

Fünf bis zehn Prozent aller Bürger leiden in ihrem Leben am Leistenbruch, Männer seien öfter betroffen als Frauen, erklärte Dr. Kley. Die Behandlung müsse chirurgisch und rechtzeitig geschehen, lebensgefährliche Einklemmungen mit Absterben von Darmteilen drohen sonst.

Im Leistenkanal verlaufen neben Nerven und Lymphgefäßen bei Männern der Samenstrang (Funiculus spermaticus) und bei Frauen das Mutterband (Ligamentum teres uteri). Neben einer genetischen Veranlagung oder eines zu weiten Leistenkanals könne unter anderem eine Erhöhung des Bauchinnendrucks - zum Beispiel durch körperliche Schwerarbeit, chronisches Husten oder starkes Pressen bei chronischer Verstopfung - die Bildung eines Bruches auslösen, aber ebenfalls Diabetes, Adipositas, Tumore und Rauchen.

Daneben treten Brüche oft auch bei Frauen in der Schwangerschaft auf. Die Symptome seien meist Schwellungen in der Leiste, belastungsabhängige Schmerzen, die bis in den Oberschenkel, Hoden oder Unterbauch reichen, oder Verdauungsbeschwerden und Größenzunahme, erklärte Dr. Kley, wobei Brüche lebensgefährlich werden können, wenn die Organe des Bauchraums im Bruch eingeklemmt werden (Inkarzeration).

Beschreibe ein Patient Symptome, die für einen Leistenbruch sprechen, stelle der Arzt zunächst gezielte Fragen: Wann die Beschwerden auftreten und ob sie permanent bestehen. Anschließend untersuche er die Leistenregion und lasse den Patienten husten. Dabei erhöhe sich der Druck im Bauchraum, und die Hernie werde unter der Haut sichtbar. Lasse sich die Schwellung bereits so erkennen, fühle er sie ab und taste dabei auch die Hoden ab. Reiche diese körperliche Untersuchung nicht aus, können Sonografie oder MRT hilfreich sein.

Nicht immer führe eine Hernie zu Leistenschmerzen, denn geschwollene Lymphknoten, Tumore oder Aussackungen von Gefäßen können ebenso dahinterstecken. Die Operation sei die einzige Möglichkeit, um Einklemmungen von Organen und damit schwerwiegende Folgen zu vermeiden, wobei meist als Standard konventionelle oder minimalinvasive (»Schlüssellochmethode«) Operationsverfahren angewendet werden. Nachdem es in der Antike bei den Ägyptern schon erste erfolgreiche Bruchoperationen gab, behandelten im Mittelalter Bruchschneider die Patienten oft mit tödlichen Folgen, bevor sich in der Neuzeit die Verfahren der Wundärzte und Chirurgen kontinuierlich weiterentwickelten.

Im 19. Jahrhundert reformierte Gottlieb Richter im ersten europäischen Hospital in Göttingen das allgemeine Operationswesen. Edoardo Bassini konzipierte die Leistenbruchverfahren per Muskelnähten oder Bruchlückenverschlüssen; im 20. Jahrhundert setzten sich Netzprothesen und die minimalinvasive Chirurgie durch.

Der kanadische Arzt Edward Earle Shouldice habe in den 1950ern Bassinis Ansätze der Nahttechnik modifiziert, die weiter bei jungen Patienten angewendet werde, teilte Dr. Kley mit. Standard sei oft die Implantation von Kunststoffnetzen, die aus resorbierbaren Komponenten bestehen. Sie werden in der Technik des amerikanischen Chirurgen Irving Lichtenstein offen oder minimalinvasiv eingesetzt.

Die »Schlüssellochmethode«, bei der es nur kleine Schnitte gebe, werde entweder durch TAPP-Technik (laparoskopisch transperitoneal) über eine Spiegelung vom Bauchraum aus vorgenommen, bei der das Bauchfell aufgeschnitten und das Netz über der Bruchpforte platziert werde, oder durch das TEPP-Verfahren (endoskopisch präperitoneal). Hierbei bringen die Chirurgen das Netz nur über eine Bauchdeckenspiegelung zwischen Bauchfell und Muskulatur ohne Schnitte, ohne Nähte und ohne Metallclips ein - jedes der angewandten Standardverfahren habe seine Stärken und Schwächen, bedinge aber auch eine hohe Erfahrung des Operateurs.

In der sensiblen Körperregion liegen zum Beispiel Nerven des zentralen Nervensystems, so dass es leicht zu Nervenirritationen, Missempfindungen oder Schmerzen kommen kann - vor allem in den Bereichen von »Triangle of Pain« (Dreieck des Schmerzes) oder »Triangle of Doom« (Dreieck der Verdammnis). Eindrucksvoll präsentierte Dr. Kley die TAPP-Technik anhand von Videosequenzen.

Egal welche Technik, jede ziehe wenige Komplikationen nach sich, versicherte Kley, wobei mit Netzen auch geringere Rezidivraten (Wiederauftritte) und Schmerzen auftreten sowie eine schnelle Rückkehr zur normalen Aktivität möglich sei. Als Beispiel gab der Chirurg an, dass er Göttinger Fußballer minimalinvasiv operiert habe, die schon drei Tage später ihr nächstes Punktspiel bestritten.

Patienten könnten meist nach 24 bis 28 Stunden das Krankenhaus wieder verlassen und sich vorsichtig belasten. Rund 350 Hernienoperationen werden jährlich im Bürgerspital durchgeführt, 70 Prozent endoskopisch oder lapraskopisch, 30 Prozent offen oder konventionell.

Der Anteil der Männer ist dreimal so hoch wie der der Frauen. Je nach Patientenwunsch oder nach individueller Begebenheit wendet Dr. Kley die Techniken nach Shouldice (Jugendliche und junge Erwachsene, lokale Narkose, Ablehnung des Netzes), Lichtenstein (Jugendliche und junge Erwachsene, lokale Narkose, Gefahr des erneuten Bruches) oder die Möglichkeiten der minimalinvasiven Chirurgie (Sportler, Vollnarkose, Bruch auf beiden Seiten, Wiederauftritte) an, was sich jeweils bei den Patientengesprächen kläre.

Da er sich schon früh auf die Behandlungen des Leistenbruchs spezialisiert habe, besitze er viel Erfahrung und führe wöchentlich auch mehrere Eingriffe im Bürgerspital durch, sagte Dr. Kley. Wichtig sei immer, sich individuell mit jedem Patienten zu befassen, um Vorerkrankungen oder Einschränkungen zu erfahren und die jeweils beste Operationsmöglichkeit herauszufinden. Nachdem Gäste noch zahlreiche Fragen ihn gestellt hatten, bedankte sich Vattrodt mit einem Präsent bei Dr. Christian Kley für den erneut interessanten Vortrag.mru