Gedenken an die Reichspogromnacht:

Lesung und Kranzniederlegung im Kerzenschein

Einbeck. Mit einer würdevollen Feier hat die Stadt Einbeck in Zusammenarbeit mit dem Förderverein »Alte Synagoge« des Brandes der Synagogen in Deutschland in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 gedacht. Zunächst hatte der Förderverein in die alte Synagoge in der Baustraße zu einer Lesung mit Texten aus dem Buch der Psalmen eingeladen. In dem entkernten, mit Kerzen erleuchteten Gebäude lasen die Vereinsvorsitzende Dr. Elke Heege sowie die Pastoren Ewald Marschler von der katholischen Gemeinde St. Josef, Thomas Klammt von der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde und Thomas Borchert von der evangelischen Münstergemeinde St. Alexandri die Psalmen 23 (»Der gute Hirte«), 22 (über Leiden und Herrlichkeit der Gerechten), 27 (Gemeinschaft mit Gott) und 74, die Klage vor dem entweihten Heiligtum.

In den Versen des letzten Psalms geht es in beängstigender Weise um brennende Gotteshäuser. Das hat es vor 72 Jahren auch in Einbeck in der Bismarckstraße gegeben. Im gesamten Deutschen Reich wurden, blickte Bürgermeister Ulrich Minkner in seiner Ansprache am Mahnmal zurück, Synagogen in Brand gesteckt. Jüdische Geschäfte wurden ausgeraubt, Gemeindeeinrichtungen demoliert und geplündert, Wertgegenstände sinnlos zerstört und mitgenommen, zehntausende Juden in Konzentrationslager verschleppt. Viele Juden wurden verprügelt und ermordet, andere in der Folgezeit in den Selbstmord getrieben.

Die Reichspogromnacht sei allerdings nicht der Beginn der Verfolgung jüdischer Bürger gewesen, so Minkner weiter, bereits 1933 hätten Diskriminierung und Ausgrenzung begonnen, offene Beleidigungen und berufliche Einschränkungen. Mit dieser Nacht hätten die Nationalsozialisten aber bewusst ein öffentliches Zeichen gesetzt, alle sollten den brutalen Kampf gegen die Juden sehen. Die Opfer wurden allein gelassen. Einige Zeugen hätten gejohlt, andere schweigend oder gleichgültig zugesehen. Es sei wenig öffentlicher Protest überliefert. Er könne das nicht verurteilen, sagte der Bürgermeister, man könne sich heute nicht anmaßen, heldenhaftes Verhalten zu verlangen und nicht zu wissen, wie man sich selbst verhalten hätte.

Deshalb sei es ermutigend, wenn sich Menschen zum gemeinsamen Widerstand zusammenfinden würden, wenn verhindert werde, dass Nazis sogenannte Schulungszentren errichteten oder mit martialischen Demonstrationen Angst und Schrecken in die Städte tragen könnten. Der Kampf gegen alte und neue Nazis habe kein Ende, er sei eine dauerhafte Aufgabe der politischen Bildung. Dabei komme der Faschismus heute nicht nur in seiner hässlichen Fratze daher, sondern er versuche, sich mit modernen Methoden insbesondere Jugendlichen zu nähern. Minkner lobte ausdrücklich die derzeit laufende Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung in den Berufsbildenden Schulen. Es sei ihm unbegreiflich, wieso die sofortige Schließung der Ausstellung gefordert werde, weil nicht gleichzeitig linksextreme und islamistische Terrorakte verurteilt würden.

»Judenverfolgung und Holocaust sind einzigartig in der Geschichte, eine Relativierung durch andere Verbrechen verbietet sich«, betonte er. Es sei wichtig und notwendig, dass man an das Geschehen von 1938 erinnere. Diejenigen, die an die Stelle beziehungsweise ans Mahnmal des jüdischen Gotteshauses, das ungestraft niedergebrannt wurde, gekommen seien, wollten ein Zeichen setzen für Erinnerung und Verantwortung und gegen Gleichgültigkeit und Rassismus. Im Namen der Städte Einbeck und Thiais legte Minkner einen Kranz am Mahnmal nieder.ek