Hören mit Licht als vielversprechende Vision

Göttinger Wissenschaftler Professor Dr. Tobias Moser stellt neueste Forschungsergebnisse bei Einbecker Lions vor

Lions-Präsident Olaf Schwerin (rechts) und Lions-Mitglied Albrecht Koch (Mitte) dankten Professor Dr. Tobias Moser für seinen spannenden Vortrag, in dem er künftige Möglichkeiten erläuterte, Schwerhörigkeit durch Implantate zu korrigieren, die auf Licht reagieren.

Einbeck. Neue Chancen für alle, die ihr Gehör verloren haben: Die medizinische Forschung arbeitet an der Entwicklung von Cochlea-Implantaten, die auf Lichtreize reagieren. »Hören mit Licht« auf der Basis von Gentherapie wäre dann eine Zukunftsvision, die Schwerhörigen helfen könnte. Leibniz-Preisträger Professor Dr. Tobias Moser aus Göttingen, einer der führenden Wissenschaftler der Region, war jetzt zu Gast beim Lions-Club Einbeck, wo er über die aktuelle Forschung berichtet hat.

Das Cochlea-Implantat ist eine Hörprothese für Gehörlose, deren Hörnerv als Teilorgan noch funktionsfähig ist. Das System besteht aus einem Mikrofon, einem digitalen Sprachprozessor und weiteren Komponenten. Lions-Präsident Olaf Schwerin erläuterte, dass die Lions in Einbeck seit Jahrzehnten Hilfe dort anbieten würden, wo der öffentliche Einsatz nicht ausreiche. Es gebe viele Aktivitäten, mit denen man nachhaltige Unterstützung ermögliche.

Der Abend bringe Einblicke in eine spannende Wissenschaft, kündigte er an: Professor Dr. Tobias Moser, Neurowissenschaftler an der  Universitätsmedizin Göttingen und Gründungsdirektor des Instituts für Auditorische Neurowissenschaften, sei mehrfach für seine Arbeiten zur besseren Herstellung des Hörens ausgezeichnet worden.

Es werde Einblick in die Welt des Hörens geben und dazu, wie Schwerhörige künftig besser zurechtkommen könnten. Zunächst erläuterte der Wissenschaftler den Aufbau des Ohres mit Außen-, Mittel und Innenohr. Im Innern befinde sich die Cochlea, die Hörschnecke. Schall werde hier und in weiteren Teilen zu Hirnströmen umgewandelt.

Das sei ein komplexes System, das man nicht in einer Kulturschale nachbauen könne, und das sei auch das Dilemma der Forschung: »Wir brauchen Tierexperimente.« Wer diesen Fortschritt in Anspruch nehmen wolle, müsse sich auch überlegen, ob er bereit sei, das in Kauf zu nehmen. In der Cochlea werde Schall nach Frequenzen zerlegt: tiefe Töne in der Spitze, hohe Töne im Eingangsbereich. »Das macht Ihr Ohr mechanisch.«

Wie die Sinneszellen arbeiten, zeigte er am akustischen Beispiel: Eine äußere Haarzellen ließ er zu Bill Haley »zucken«. Die inneren Haarzellen sind die Kontaktstellen zu den Hörnervenfasern. Hier werden Botenstoffe ausgeschüttet, und über die Hörbahn werden die Impulse weitergegeben.

»Das ist ein Wunderwerk der Natur«, erläuterte er die Funktionsweise. Gehen Haarzellen verloren, etwa durch Erkrankungen des Innenohrs, können sie sich beim Menschen wie bei allen Säugetieren nicht neu bilden, übrigens im Gegensatz zu Vögeln. Das Hören ist dann nur noch über Hörgeräte beziehungsweise Cochlea-Implantate möglich. Das elektronische Cochlea-Implantat sei die beste Neuronenprothese, um Sprache wieder zu verstehen.

Die Elektroden würden in die Hörschnecke eingesetzt; sie wirkten direkt an den Nervenzellen, ohne dass Haarzellen erforderlich seien. Allerdings bringe es die Stromausbreitung mit sich, dass die Frequenzen schlecht aufgelöst würden. Das erinnere an das Klavierspiel mit der ganzen Hand. An Beispielen zeigte er den Unterschied in der Spannbreite, etwa mit vier, acht oder 128 Kanälen - je mehr Kanäle, desto besser das Verstehen.

Besser wäre es, Licht zu nutzen, das man bündeln könne. Damit könne man »kleinere« Reize setzen. Allerdings seien die Zellen im Ohr nicht lichtempfindlich. Eine genetische Manipulation sei erforderlich, um die Frequenzen besser aufzulösen zu können. Forschungen an Grünalgen hätten die Wissenschaft hier eher zufällig weiter gebracht. Durch Optogenetik werde es möglich, einen »Lichtschalter« in die Zellen zu bringen.

Im Experiment sei es gelungen, Viren in Zielzellen zu injizieren und einen Gentransfer vorzunehmen. Die Zellen konnten so gezielt manipuliert werden. Je stärker das Licht, desto stärker sei der Ausschlag als Anzeigen für Höraktivität. Eine Reizung mit einem optischen Cochlea-Implantat löse dieses Verhalten aus: das sei somit Hören mit Licht. In ersten Versuchen wurde mit blauem Licht gearbeitet, das jedoch negative Auswirkungen haben könne.

Besser sei rotes Licht, allerdings seien damit die Schaltvorgänge eigentlich zu langsam. Eine Weiterentwicklung mache es aber möglich, bis in den Bereich normaler Reaktionen zu kommen, denn das Hören sei ein schneller Vorgang, der sich im Bereich von Millisekunden abspiele.

Ebenfalls neueste Forschung, erläuterte Professor Moser, sei der Einsatz eines Mehrkanal-Cochlea-Implantats auf optischer Basis. Die Optogenetik biete eine Vielzahl von Möglichkeiten. Die Machbarkeit sei im Versuch unter Beweis gestellt, auf dem Weg zum optischen Cochlea-Implantat habe man schon viel erreicht. Die Frage, ob daraus tatsächlich ein Medizinprodukt werde, sei allerdings noch nicht beantwortet.ek