Matthias-Claudius-Lied auf dem Marktplatz

Einbeck. Es ist für viele schon zu einem tröstlichen und liebgewonnenen Ritual in diesen außergewöhnlichen und schweren Zeiten geworden: Täglich erklingt um 19 Uhr das Lied »Der Mond ist aufgegangen«, instrumental gespielt auf Balkonen oder an offenen Fenstern oder zuhause gesungen. Die Evangelische Kirche hatte zu diesem »Balkonsingen« aufgerufen, denn Singen verbindet und tut gut. Das findet auch Dr. Wolfgang Auer. Nachdem er die bekannte Melodie zunächst an einigen Abenden aus einem Eckzimmer seiner Wohnung am Marktplatz gespielt hatte, hat er sich inzwischen entschlossen, mit seiner Tuba vor dem Eulenspiegel-Brunnen Platz zu nehmen.

»Hier ist die Akustik besser«, verrät der musikalische Mediziner, der unter anderem in der Bläsergemeinschaft Kuventhal-Einbeck spielt und im Kirchenchor in St. Jacobi singt. Über die Chorleitung seien die Mitglieder angeregt worden, sich an dieser Aktion zu beteiligen - und das hat er gern aufgegriffen. Der neue Platz, verrät er außerdem schmunzelnd, liege genau im Blickfeld der Webcam der Einbecker Morgenpost: So könnten noch mehr Menschen die Aktion verfolgen, er habe dazu bereits Rückmeldungen erhalten.

Vor Ort auf dem ansonsten leeren Marktplatz postieren sich inzwischen allabendlich einige Fans, mit ausreichendem Sicherheitsabstand selbstverständlich, und sie freuen sich, wenn es noch eine kleine Zugabe gibt, beispielsweise der »Gefangenenchor« aus der Verdi-Oper »Nabucco«: »Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen«. Wer das Matthias-Claudius-Lied von 1779, das viel Gottvertrauen ausdrückt, mitsingen möchte, hier sind die Strophen 1, 2 und 7: »Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen am Himmel hell und klar. Der Wald steht schwarz und schweiget, und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar. – Wie ist die Welt so stille und in der Dämmrung Hülle so traulich und so hold als eine stille Kammer, wo ihr des Tages Jammer verschlafen und vergessen sollt. – So legt euch denn, ihr Brüder, in Gottes Namen nieder; kalt ist der Abendhauch. Verschon uns, Gott, mit Strafen und lass uns ruhig schlafen. Und unsern kranken Nachbarn auch!«ek