Missliche Umstände haben den Abiturjahrgang zusammengeschweißt

Hand in Hand den Weg zurückgelegt / 124 Abiturienten an der Goetheschule / G9er-Jahrgang erzielt besseren Durchschnitt / Umwege müssen keine Irrwege sein

Das Glück spielte bei der Entlassungsfeier des Abiturjahrgangs 2011 der Goetheschule eine besondere Rolle: Alle Festredner wünschten den Abiturienten viel davon für ihr weiteres Leben, riefen sie aber zugleich dazu auf, mutig den eigenen Weg zu gehen und dabei auch Umwege einzuschlagen.

Einbeck. 124 Abiturienten wurden an der Goetheschule verabschiedet - deswegen wurde für die Feierstunde diesmal in das Wilhelm-Bendow-Theater ausgewichen. Der Notendurchschnitt des Doppeljahrgangs beträgt 2,5. 26 Schüler haben eine Eins vor dem Komma. Das beste Abitur legte mit 1,0 Manon Bertram ab, Syntche Pohl und Franziska Nagel erreichten eine 1,2 (G9er-Jahrgang). Im G8er-Jahrgang absolvierten Malte Bertram das Abitur mit einer 1,1, Julia Sauthoff mit einer 1,2 und Björn Stelter mit einer 1,7.

Kollegen und Schulleitung freuten sich mit den Abiturienten, stellte Schulleiter Hartmut Bertram fest. Für ihn war der Jahrgang ein besonderer, da er viele der Schüler kennt, auch sein Sohn und seine Tochter sind unter den Abiturienten. Nach acht beziehungsweise neun Jahren verlassen die Abiturienten nun die Goetheschule. Die Schulzeitverkürzung sollte zum einen helfen, das Durchschnittsalter der deutschen Hochschulabsolventen zu senken und sie früher ihre eigenen Wege gehen lassen. Doch: Ein Viertel der Gymnasiasten klage über ständige Kopfschmerzen, Milliarden Euro müssten in Nachhilfe investiert werden. Beim Abitur mit 17 müsse man entscheiden, was man werden wolle, bevor man wisse, wer man sei, fügen Kritiker an.

Im Durchschnitt hat der G9er-Jahrgang zwei Zehntel besser abgeschnitten mit 2,42 gegenüber 2,62 bei den G8ern. 52 Prozent der G8er hätten den direkten Weg zum Abitur nehmen können, bei den G9ern waren es immerhin 73 Prozent. Fünf der Abiturienten sind noch nicht volljährig. Doch man vertraue auf den jugendlichen Schwung, dass die jetzigen Abiturienten fähig seien, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. In der Schule hätten sie schließlich gelernt, wie man rudere. Im Team rudere es sich leichter, wenn man sich bei Kurs und Schlagzahl einig sei. Bildung nun sei das Anrudern gegen die Dummheit. Bertram appellierte an die Abiturienten, Verantwortung für sich und für andere zu übernehmen und wünschte ihnen die Kraft, auch gegen den Strom zu rudern.

Den »kulturgeschichtlich schillernden Begriff Glück« behandelte Dr. Marion Villmar-Doebeling vom Schulelternrat in ihrer Rede. Sie wünschte den Abiturienten, dass sie das Glück finden, das sie mit nichts auf der Welt tauschen mögen. Für den VE2R  gratulierte Frank Bertram zum bestandenen Abitur und überreichte das Jahrgangsfoto, das im Altbau seinen Platz finden wird.

Landrat Michael Wickmann stellte fest, dass die Abiturienten nun ein solides Fundament hätten. Er wünschte ihnen den Mut, sich nicht nur nach den Wertmaßstäben anderer zu richten. Ab und zu sollte man auch mal den kleineren, unattraktiven Weg durch holpriges Gelände gehen. »Der Umweg muss kein Irrweg sein.« Hilfsbereitschaft, Toleranz und Respekt vor den Mitmenschen seien die Bedingungen für eine freie, humane Gesellschaft. Und in diesem Sinne sollten sich die Abiturienten einbringen.

Flexibel zu bleiben und den eigenen Weg zu suchen, riet Einbecks stellvertretende Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek. Ausdauer hätten die Schüler bewiesen, ihre Begeisterung sollten sie behalten, ebenso ihren Idealismus und ihre Träume. Sie sollten unbeirrbar sein, auch wenn manch einer vielleicht auf Risiko setze.

Für die Abirede hatte sich der Jahrgang Lehrer Michael Brüggemann gewünscht, der die Schule mittlerweile verlassen hat. Durch den Gapp-Austausch hat er eine besondere Beziehung zu den Abiturienten aufgebaut. Ob Niederlage oder Gewinn, immer sei man selbst verantwortlich, stellte Brüggemann heraus. Besondere Achtung zollte er in diesem Zusammenhang denjenigen Abiturienten, die nicht auf komplette Unterstützung aus dem Elternhaus setzen konnten. Mit dem Abitur hätten sie Großes geleistet.

Der Doppeljahrgang habe unter großen Kursen zu leiden gehabt, es habe keine fertigen Lehrbücher gegeben. Die Stunden-Belastung sei enorm und viel Improvisation nötig gewesen. Die Reform sei schlecht gemacht. Die Schule solle auf den Wettbewerb, dem man sich im Leben stellen müsse, vorbereiten, die Schule müsse aber auch Schonraum bleiben, damit es für die Jugendlichen ein Leben daneben gebe, so Brüggemann. Er wünschte sich, dass die Abiturienten auch bei Niederlagen aufstehen.

Die Flexibilität in der Adaption neuer Lebensverhältnisse sei ein wichtiger Baustein für die psychische und physische Gesundheit eines Menschen.

Man könne nur glücklich und erfolgreich sein, wenn man das tue, was einem Freude bereite. In Deutschland hänge noch viel von der sozialen Herkunft ab, aber sein berufliches Schicksal könne man zum mehrheitlichen Teil selbst bestimmen. Die Abiturienten hätten nun die Aufgabe, sich für eine gerechte Gesellschaft einzusetzen. Um in der Welt zu bestehen, hätten sie an der Goetheschule gutes Handwerkszeug erhalten, und so wünschte Brüggemann den ehemaligen Schülern eine glückliche Zukunft.

Die Abiturienten vermissen wird der elfte Jahrgang, stellten Silas Weisser und Bente Werner fest. Sie verglichen den Jahrgang mit einer Tüte Gummibärchen: Jeder sei anders, aber alle seien gemocht worden. Für den musikalischen Rahmen sorgte Marlene Wenzig.

Für den Abiturjahrgang blickten Johannes Coenen und Fabian Martin auf die vergangene Schulzeit zurück: 13.500 Stunden Unterricht würden hinter ihnen liegen, nach 12,5 Jahren. Nun würden sie die Anstalt verlassen und unterschiedliche Wege einschlagen. Die misslichen Umstände hätten den Jahrgang geformt, ohne sie wäre nicht ein so fester Verbund entstanden - auch wenn es beachtliche Altersunterschiede bis zu vier Jahren gebe. Den Stress des Abiturs habe man mit Unterstützung vieler lieber Menschen überstanden. Hand in Hand habe der Jahrgang dabei den Weg zurück gelegt, auch wenn einige manchmal kurz davor waren, verrückt zu werden. Die »Anstalt« würden sie nun aber als Gewinner verlassen, die positiv in  die Zukunft schauen.

Der VE2R zeichnete Eike Sprecher, Fabian Martin und Isabelle Meyer für ihr Engagement in der Schule mit einem Buchpräsent aus. Ausgezeichnet für die besten Leistungen im Fach Chemie wurden Franziska Nagel und Mareike Henniges, im Fach Physik Björn Stelter und Manon Bertram, in Mathematik Björn Stelter und Kai Alexander Liebscher und im Sport Malte Bertram und Marie-Kristin Schaper.sts