Modernisieren ohne Hörer zu verschrecken

Hörfunkchef von NDR 1 Niedersachsen, Eckhart Pohl, beim Osterempfang der Kirchengemeinde Einbeck

Der gebürtige Einbecker Eckhart Pohl (stehend) ist Hörfunkchef bei NDR 1 Niedersachsen. Beim Osterempfang der Kirchengemeinde Einbeck berichtete er vom Wandel der Radio- und der Lebenswelten. Unterhaltsam und informativ – so könnte man den diesjährigen Osterempfang beschreiben, zu dem evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Einbeck engagierte Personen eingeladen hatte, denen das Wohl Einbecks am Herzen liegt. Gastredner war diesmal Eckhart Pohl, der das Hörfunkprogramm des NDR 1 Niedersachsen leitet. Der gebürtige Einbecker beschrieb am Beispiel der Veränderungen im Rundfunk den Wandel der Lebenswelten.

Einbeck. Der gebürtige Einbecker und ehemalige Goetheschüler ist seit 17 Jahren Hörfunkchef von NDR 1 Niedersachsen. Einen Einbecker, der zudem noch vor 47 Jahren in der Münsterkirche konfirmiert worden ist, an verantwortlicher Stelle zu wissen, erfreute Superintendent Heinz Behrends und Pastor Martin Giering, die die Gäste begrüßten. Pohl, der als Schüler auch für die Einbecker Morgenpost arbeitete, ging auf Einsichten und Irrtümer zum Thema Radio ein. NDR 1 Niedersachsen, manchmal auch als »Radio Sterbehilfe«  bezeichnet, habe sich verändert, biete weiterhin Themen für ältere, traditionsbewusste Hörer an, versuche aber gleichzeitig auch die 50- bis 60-Jährigen zu erreichen. Hürde, das gab er zu, sei dabei das Image. Die Radiomacher versuchen »zu modernisieren, ohne die Traditionshörer zu verschrecken«. Im letzten Jahr habe man 300.000 Hörer gewinnen können, allerdings habe man auch eine sechsstellige Zahl an Hörern verloren. Ziel sei es, möglichst für alle Hörer ab 50 Jahren da zu sein.

Seit 20 Jahren sei NDR 1 Niedersachsen mit rund 25 Prozent Marktanteil die Nummer eins unter den Hörfunkprogrammen, stellte Pohl fest. Das bedeute allerdings erhebliche Anstrengungen – im Bereich des Wortes und der Musik. Das Wort sei im Radio ein wichtiges Transportmedium, aber auch die Mu­sik, die eine Art Stimmungsmanagement betreibe. Die Art und Weise, wie ein Programm gehört werde, sorge für Bindung. Man wolle möglichst viele Menschen erreichen, formulierte Pohl den inhaltlichen Anspruch des werbefreien Programms. Deshalb gebe es Programm für Mehrheiten wie NDR 2 oder NDR 1, aber auch für Minderheiten wie »enjoy« oder »NDR kultur«. Der Programmauftrag sieht vor, dass der NDR über alles Relevante  umfassend und vielseitig berichtet. Doch es gibt Konkurrenz, und die Hörerschaft habe sich verändert. Ohne inhaltliche Abstriche zu machen, präsentiere sich NDR 1 Nieder-sachsen heute moderner, pointierter. »Wir klingen anders«, warb Pohl für seinen Sender. Der Sender verliere jedes Jahr 30.000 bis 40.000 Hörer. Und diejenigen, die nachwachsen, hätten andere Erwartungen an das Programm, unterstrich er. Man wolle auch für jüngere Hörer attraktiv sein. NDR 1 Niedersachsen habe zwei Zielgruppen, die Traditionshörer und jüngere Hörer. Der Sender sei ein Dienstleister, der den Blick auf den Hörer werfe. Dazu genutzt werden Untersuchungen zum Mediennutzungsverhalten: Wer hört wann was?»Das Gesamtprodukt muss stimmig sein«, stellte der 61-Jährige fest. Wort, Musik und Moderation müssten eine Atmosphäre erzeugen. Der Wort-Anteil liege insgesamt bei 38-Prozent,  wobei das über den Tag verteilt schwankend sei. Bis 7 Uhr morgens sei die Musik »fetziger«, denn dann seien die Berufstätigen aufgestanden, ebenso am Nachmittag, wenn sich diese Gruppe auf den Heimweg mache. Die differenzierte Analyse des Hörerverhaltens bestimmt den Rhythmus des Senders – in der Woche klingt er anders als am Wochenende. »Wir brauchen Gleichmäßigkeit und Spannung«, dazu gebe es Verpackungselemente, die den Programmfluss erzeugen. Ziel sei es, den Hörer am Radio zu halten.Weil das Radio ein »Begleitmedium« sei – nur drei Prozent schalten es gezielt ein beziehungsweise aus - müsse ein Programmfluss erzeugt werden. Die Musikauswahl erfolge deshalb gezielt. Dabei sei es nicht einfach, den unterschiedlichen Geschmack der Traditionshörer und der jüngeren Generation unter einen Hut zu bringen. So ständen sich Schlager und englische Musik gegenüber – selbst die »Rolling Stones« sind bereits 70 Jahre alt. Deshalb gebe es »möglichst melodiöse Titel«, aber auch »Versöhner«, die den Hörer am Sender halten. Es sei »hochkomplex« die Musik zusammen zu stellen, erklärte der Radiomacher.

NDR 1 Niedersachsen, so Pohl weiter, habe den höchsten Wortanteil aller Sender. Da sich fast alle Menschen für ihre Region interessieren, gebe es mehrmals am Tag regionale Nachrichten. 70 Prozent der Nachrichten beziehen sich auf Niedersachsen, 20 Prozent seien bundesweite und zehn Prozent internationale Nachrichten. Wenn der Aufmacher eine internationale Nachricht sei, komme an zweiter Stelle sofort eine Niedersachsen-Meldung, erklärte Pohl. Bei den Themen setze man auf journalistische Recherche, und so dankte er den Zuhörern, dass sie mit ihrem Rundfunkbeitrag dies ermöglichten. Das größte Lob bedeutet für Pohl, wenn die Sprache des Senders ins Ohr geht, »wenn die Hörer noch im Auto sitzen bleiben und zuhören«.

Für Musik beim Osterempfang sorgten Ulrike Hastedt und Sören Schirmer, Cello. Beim anschließenden Gespräch war die Gruppe »Leib und Seele« für den Imbiss verantwortlich.sts