Neue Erkenntnisse über die »Römerschlacht am Harzhorn«

Dr. Petra Lönne berichtete in der Loge über »Roms vergessenen Feldzug« 235 nach Christus / Mehr als 2.000 archäologische Funde

Eine erbitterte Schlacht tobt am Harzhorn. Die bewaldeten Hänge sind erfüllt mit wildem Kampfgeschrei römischer und germanischer Krieger. Speere, Pfeilsalven und Geschosse aus Torsions-Geschützen fliegen durch die Luft. Verzweifelt versuchen Germanen-Krieger, römischen Einheiten, die sich auf dem Rückmarsch gen Süden befinden, den Weg zu verstellen. Wie sich dieser Kampf im Jahr 235 nach Christus real zugetragen haben könnte, das versucht Kreisarchäologin Dr. Petra Lönne mit ihrem Team herauszufinden. Die neuen Erkenntnisse stellte sie in einem Vortrag bei der Einbecker Freimaurerloge »Georg zu den drei Säulen« vor.

Einbeck. Dass traditionelles Denken und geschichtliche Aspekte im historischen Bezug ein Teil des Freimaurertums seien, sehe man am 250-jährigen Jubiläum in Deutschland sowie am 214-jährigen Bestehen in Einbeck, so Rainer Koch, Meister vom Stuhlt der Loge »Georg zu den drei Säulen«. Er stellte dar, das selbst antike Begebenheiten bis in die heutige Zeit ausstrahlen könnten, wie die Schlacht am Harzhorn vor 1776 Jahren zeige, bei der Römer gegen Germanen kämpften.

Für die Darstellung der neuesten Forschungsergebnisse begrüßte er Kreisarchäologin Dr. Petra Lönne in den Räumen der Loge. Sie referierte über die Geschichte, die Gegebenheiten und den aktuellen Erkenntnisstand der »Römerschlacht am Harzhorn«. Als ihr im Sommer 2008 einige stark verrostete Metallobjekte wie Geschosshülsen und Hippo-Sandalen aus einem Waldstück am Harzhorn zur Begutachtung vorgelegt wurden, wurde ihr trotz anfänglicher Skepsis schnell klar, dass es sich bei den außergewöhnlichen Stücken um Fundstücke römischer Herkunft handele. Besonders die Hippo-Sandale, ein eiserner Hufbeschlag für Nutz- und Reittiere, stützte diese Vermutung, da es diesen Hilfsgegenstand nur bei den Römern gab. Bisher dahin wurde vermutet, dass der letzte Germanen-Feldzug der Einmarsch von Germanicus im Jahr 16 nach Christus gewesen sei. Aus diesem Grund gelten die Funde, datiert auf das dritte Jahrhundert nach Christus, als Sensation, die ihrer Meinung nach die römische Geschichte in Germaninen stark beeinflussen wird.

An der Grenze des Landkreises Northeim  gehört der Vogelberg, zu dem das Harzhorn zählt, zu den Gemeinden Kalefeld und Bad Gandersheim. Lönne sagte, dass es im Bereich der heutigen Autobahn und der Bundesstraße  ein Feuchtgebiet gegeben habt, weshalb die Römer unter Kaiser Maximinus Thrax wohl ihren Weg über die Ausläufer des Harzhorns nahmen. Bei dem militärischen Zusammenstoß sollen wohl mehrere tausend Römer gegen die Germanen gekämpf haben.

Während den Anfängen der Prospektion, dem Erkunden und Aufsuchen von archäologischen Stätten im Boden, sei der Gund mit bis zu elf Metalldetektoren untersucht worden. Anfangs sei der Enthusiasmus groß gewesen, so die Archäologin, da alle paar Meter Projektile sowie Speer- und Lanzenspitzen gefunden wurden, ebenso wie Schuhnägel, Hippo-Sandalen, Pferdegeschirr und Teile der Rüstung. Sie erklärte, dass jeder einzelne der mehr als 2.000 Funde  exakt in seiner Lage dokumentiert und eingemessen wurde, so dass ein dichtes Bild vom Umfang des Schlachtfeldes und der Verteilung der Funde entstanden sei. Selbst moderne technischen Hilfsgeräten wie GPS oder C14-Analysen seien benutzt wurden, um ein genaues Schema zu erstellen, so die Archäologin. Die Grabungen brachten ebenfalls viele Überraschungen hervor, da die Wissenschaftler die meisten Gegenstände in einer Tiefe von nur zehn bis 40 Zentimetern fanden. Ebenso lagen die Funde größtenteils heute noch so wie vor 1.800 Jahren, wie die freigelegten Katapult-Bolzen und Pfeilspitzen zeigten. Sie steckten noch in den Felsspalten, in die sie hineingeschossen wurden. Der aufsehenerregendste Befund der archäologischen Ausgrabungen sei jedoch eine zunächst unscheinbare, mit Lehm gefüllte Grube gewesen, so Lönne, die einem Pferd zum Verhängnis geworden ist. Die Lage der Knochen des Tieres zeigten den Forschern, dass es in aufsteigender Bewegung in die Grube gestürzt und dort verendet war. Neben typologischen Vergleichen gaben elf gefundenen Münzen hervorragende Hinweise auf den Zeitpunkt der Schlacht, so die Wissenschaftlerin. Die jüngsten Münzen seien wohl unter Kaiser Severus Alexander im Jahr 228 nach Christus geprägt worden, so dass die Kämpfe folglich danach stattgefunden haben müssten. Die C14-Daten der Holzreste in der Speerschäften deuten der Meinung vieler Wissenschaftler ebenfalls auf einen Zeitraum zwischen 230 und 240 nach Christus hin. Lönne gab weiter an, dass der Schriftsteller Herodian und die »Historia Augusta« berichteten, dass der Soldatenkaiser Maximinus Thrax mit mindestens zwei Kohorten (mehr als 1.000 Soldaten) bei einem Rachefeldzug tief in das germanischen Hinterland im Jahre 235 gezogen sein solle. Gemäß der Ausrichtung der gefundenen Pfeil- und Lanzenspitzen müssten also die Römer auf ihrem Rückweg gen Süden gewesen sein, als sie das Harzhorn passierten, da alle Geschosse und Spitzen in diese Richtung zeigten.

Zwar seien schon viele Artefakte gefunden und Erkenntnisse gewonnen worden, so Lönne, doch werfen Antworten immer wieder neue Fragen auf: Warum die Funde nach so langer Zeit so gut erhalten seien, zu was bestimmte Metallscherben gehörten, wie groß das Schlachtfeld gewesen sei, ob es Palisaden, Gräben sowie germanische oder römische Siedlungen in der Nähe gegeben hätte, dies alles will das Forschungs-team versuchen herauszufinden. Zuschüsse des niedersächsischen Denkmalschutzes, des Landes, zugesichert von Dr. Johanna Wanka, niedersächsische Ministerin für Wissensschaft und Kultur, und des Kreises seien noch für die nächsten Jahre gesichert, berichtete die Kreis-Archäologin. Nach ihren Ziele gefragt, antwortete sie, dass sie gern eine menschliche Leiche finden und untersuchen würde, um noch genauere Erkenntnisse zu gewinnen. Leider aber hätten früher die Germanen und Römer ihre Toten und Verletzten nicht auf den Schlachtfeldern gelassen, so dass diese Wahrscheinlichkeit sehr gering sei.

 Für Lönne ist die Lage des Schlachtfeldes bemerkenswert, denn es handelt sich um die engste Stelle an einer überregionalen Trasse von Norddeutschland in die hessische Senke hinein -die gleiche Stelle wird heute von der Bundesstraße und der Autobahn genutzt. Es könnte daher sein, dass germanische Verbände diese Engstelle gegen die römischen Truppen versperrten und die Römer zu Ausweichmannövern zwangen. Ihrer Meinung nach versuchten die römischen Soldaten an allen möglichen Stellen auf die Höhe zu gelangen, was sie auch schafften. Dort wurden sie in Kämpfe verwickelt, in denen sie ihre überlegenen Katapulte wie die Torsions-Geschosse einsetzen konnten. Die Wissenschaftlerin stellte dar, dass eine Reihe von Funden die Schicksale einzelner römischer Soldaten zeige, wie das Messer mit der kunstvoll verzierten Scheide, die silberne Fibel und der Gürtel mit der Tierkopfapplikation. So seien ebenfalls den Germanen bisher nur wenige Gegenstände zugewiesen worden, da sie oft mit römischen Waffen kämpften.

Lönne freut sich darauf, dass 2013 im Braunschweiger Landesmuseum ein Teil der Funde ausgestellt werde, so dass viele Interessenten die außergewöhnlichen Artefakte zu sehen bekämen. Nicht nur in Fachkreisen stieß und stößt die Schlacht am Harzhorn auf  enormes Interesse. Bei der ersten Pressekonferenz am 15. Dezember 2008 seien mehr als 100 Pressevertreter anwesend gewesen, so die Wissenschaftlerin.

Um das Thema ebenfalls touristisch zu vermarkten, ließen die Verantwortlichen ein eigenes Logo für die Harzhorn-Schlacht entwickeln und als Marke sichern. Weiter seien Guides ausgebildet worden, die Besucher am Harzhorn informierten und Rundgänge durchführten. Zwar gebe es diese Jahr keine normale Führungen mehr, so Lönne, denn diese starten erst wieder im April 2012, doch sollten sich interessierte Gruppen an die Tourist-Information in Bad Gandersheim wenden, um vielleicht doch noch einen Extra-Termin für einen Rundgang zu bekommen. Für alle Beteiligten sind die Ziele für die Zukunft, das Gelände am Harzhorn mit Schautafeln zu bestücken, einen Informations-Punkt zu errichten sowie die Werbung für die »Römerschlacht am Harzhorn« zu verstärken.mru