»Nicht schweigend zusehen«

Seebrücke-Kundgebung gegen »Spaziergänger« | »Einbeck ist bunt« dabei

Gemeinsam gegen die »Spaziergänger« und für diejenigen in wirklicher Gefahr: Auf dem Marktplatz gab es am Dienstagabend eine Kundgebung von Seebrücke und »Einbeck ist bunt«.

Auf die Situation von Menschen aufmerksam machen, die sich in wirklicher Gefahr für Leib und Leben befinden: Die Seebrücke Einbeck traf sich am Dienstag erneut zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz, als Gegenveranstaltung zu den »Spaziergängen« von Corona-(Maßnahmen-)Kritikern.

Einbeck. Gemeinsam mit dem Bündnis »Einbeck ist bunt« lenkten die Teilnehmer das Augenmerk zunächst auf die Situation der Flüchtlinge im polnisch-belarussischen Grenzgebiet sowie auf dem Mittelmeer. An der EU-Außengrenze werde bewusst eine gefährliche Umgebung erzeugt. Auf dem Mittelmeer seien im vergangenen Jahr mehrere tausend Menschen gerettet worden, vor allem durch den Einsatz privater Organisationen. Es habe allerdings auch illegale Pull- und Pushbacks gegeben, und fast 115.000 Menschen seien gestorben. Durchschnittlich zwölf Menschen pro Tag seien beim Versuch, Spanien zu erreichen, ums Leben gekommen, oder sie würden vermisst – mehr als doppelt so viele wie 2020. Dass sich die Fluchtroute Richtung Kanaren verschiebe, sei gefährlich, dafür seien die Boote nicht geeignet. Die EU verstärke den Trend, etwa durch die Finanzierung einer militärischen Einheit, die die libysche Küstenwache unterstütze – damit werde die illegale Rückführung von Flüchtenden finanziert. Als Seebrücke fordere man ein Ende dieser Kooperation sowie eine europäische Seenotrettung und sichere Fluchtwege.

Hauptthema des Abends sollte wieder die Corona-Pandemie sein. Intensivstationen seien voll, es drohten Triage und die Verschiebung lebensnotwendiger Behandlungen. Während die Menschen, die täglich gegen die Pandemie ankämpften, dringend Unterstützung und Solidarität benötigten, gingen in vielen Städten Verschwörungsideologen, Corona-Leugner und Impfgegner auf die Straße, die Solidarität verweigerten und zu Rücksichtslosigkeit aufriefen.

Auch Einbeck habe die sogenannten »Spaziergänge« – unangemeldete Versammlungen, die die Gefahr von Covid-19 verharmlosten oder die Pandemie ganz leugneten. Die Weigerung, eine Maske zu tragen, gelte ihnen scheinbar als identitätsstiftend. Es würden irreführende und unwissenschaftliche Behauptungen über die Pandemie verbreitet, ausgrenzende Schuldzuweisungen und Sündenböcke propagiert, und dabei seien viele der wiederkehrenden Verschwörungserzählungen im Kern antisemitisch: Heute würden Rothschild, Gates oder Soros für die Pandemie verantwortlich gemacht; andere relativierten den Holocaust, wenn sie sich mit gelbem Stern auf der Brust als angeblich verfolgte Impfgegner inszenierten. Sie seien weit offen für Rechte, die in vielen Städten fester Bestandteil der Mitmarschierenden seien.

Die Forderung nach Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung für sich stehe neben der Drohung mit offener Gewalt. Es werde Zeit, sich diesen verschwörungsideologischen Protesten in den Weg zu stellen und deutlich zu machen, dass man nicht schweigend zusehe, wenn durch Rücksichtslosigkeit und Gewalt das Leben von Menschen bedroht werde: »Unsere Geduld ist am Ende.« Seit Beginn der Pandemie helfe man bei ihrer Überwindung, lasse sich impfen, trage Maske, halte Abstand, widerlege Fake News, kläre über rassistische Verschwörungsmythen auf. Man kritisiere den Umgang mit nicht angemeldeten Versammlungen, die nicht gestoppt würden und bei denen nicht auf die Einhaltung bestehender Rechte geachtet werde.

Es werde Zeit für eine klare öffentliche Absage an egozentrische, wissenschafts- und demokratiefeindliche Verschwörungsideologen und für eine Forderung nach einem solidarischen Umgang mit der Pandemie. Solange sich nicht ausreichend vielen Menschen gegen Corona impfen ließen, werde die Pandemie weitergehen. Der Ruf nach der Impfung gelte weltweit – dazu müssten Impfpatente freigegeben werden. Solidarität bedeute auch Unterstützung der Krankenhäuser und vor allem des Pflegepersonals.

»Wir alle leiden sozial, wirtschaftlichen und kulturell seit fast zwei Jahren unter den Corona-Maßnahmen«, hieß es weiter. Für Menschen mit geringem Einkommen treffe das besonders zu. Gerechte Kritik an den bisherigen Maßnahmen müsse geäußert werden. Aber Impfverweigerung und Verschwörungsdenken lösten die Krise nicht, sondern verschärften sie. An Politik und Polizei ging die Forderung, gegen nicht angemeldete illegale Versammlungen vorzugehen und für die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben zu sorgen oder Konsequenzen für die Teilnehmer einzuleiten. Zur Solidarität gehöre auch, sich impfen zu lassen und sich gegen Elemente zu stellen, die das Zusammenleben gefährdeten, und den Gegenprotest zu unterstützen, »denn wir sind mehr.«ek