Einfacher, schneller und bequemer

Medien-Abend an den BBS: Eltern sollten mit den Kinder spielen und Apps kennenlernen

Einbeck. Zocken, unterhalten, relaxen - das Internet bietet viele Beschäftigungsmöglichkeiten. Wann das ständige Online-sein zur Sucht wird, welches Konfliktpotenzial es zwischen Kindern und Eltern entwickelt und wie man damit umgehen kann, das war Thema des Medien-Abends in der BBS Einbeck »Immer online: Elternfrust und Mediensucht?« nahm dabei die Zuhörer mit in digitale Welten.

Lucas Döbel von der Fachstelle Mediensucht »return« brachte es auf den Punkt: Wenn Menschen nicht finden, was sie (im analogen Leben) begehren, begnügen sie sich damit, das zu begehren, was sie (im virtuellen Leben) finden. Merkmale und Umgang mit Internetabhängigkeit beleuchteten Stefan Jagonak und Stefanie Seydewitz vom Lukas Werk. Internetabhängigkeit zu definieren sei schwierig, denn auch das exzessive Spielen im Offline-Modus falle darunter. Internetabhängigkeit sei eine Verhaltenssucht.

Das Internet gebe die Möglichkeit, Schwächen verschwinden zu lassen und den eigenen Status durch Postings aufzuwerten. Die PC-Welt lasse Probleme in der Gegenwart verschwinden, diene dem Frustabbau. Exzessiver Konsum habe Auswirkungen auf das Sozialleben, es könne zu Entzugserscheinungen und Kontrollverlust kommen. Trotz negativer Konsequenzen würden die Aktivitäten im Netz fortgesetzt.

Oftmals würden Familienmitglieder über das wirkliche Ausmaß der Nutzung getäuscht. Internetabhängigkeit, machte Jagonak klar, sei (noch) nicht als Krankheit anerkannt. Männliche Personen nutzten häufiger Computerspiele, weibliche Personen eher soziale Netzwerke. Bei Jugendlichen liege die Krankheitshäufigkeit bei fünf Prozent. Diese Prävalenz werde sich möglicherweise durch die technologische Entwicklung noch erhöhen.

Exzessiver Gebrauch von PC, Internet, Handy und Fernsehen könne isoliert und auch in Mischformen wie Gaming, Chatting und Surfing auftreten. Psychische Störungen können Ursache oder auch Folge der Internetabhängigkeit sein. Unter anderem soziale Ängstlichkeit, ungünstige Erziehungsstile oder eine niedrige Funktionalität der Familie und schwaches Kommunikationsverhalten können Ursachen sein.

Es ist ein Kreislauf: Dem Erleben von Stress folgt das Computerspielen, um Stress zu vergessen, das wirkt belohnend, das Verhalten wird exzessiver, die Stressfaktoren in der realen Welt bestehen aber nach wie vor, zusätzlich wird das Computerspielverhalten zum Konfliktherd, und somit wird wieder Stress erlebt. Internetabhängigkeit bedeute Motivationsverlust in Bezug auf soziale Kontakte und Verpflichtungen. Ein immerer größerer Konsum werde benötigt, damit eine Befriedigung eintritt.

Psychische Folgen seien eins Gefühl der Hilf- und Wertlosigkeit, soziale Phobien, Depression, Suizidität und der Verlust der Fähigkeit, an etwas Gefallen zu finden. Antriebslosigkeit, Vereinsamung und der Verlust von Alltagskompetenzen kämen hinzu. Suchttherapeut Lucas Döbel von der Fachstelle Mediensucht »return« appellierte an die Zuhörenden, Jugendliche zu verstehen und zu begleiten.

Die Faszination der Medienwelt liege im »einfacher, schneller, bequemer«. Döbel machte klar, dass der Konsum von Medien die psychosoziale Reife beeinflussen kann. Die bisher bekannten Grundbedürfnisse des Menschen müsste man heute um Akku und W-Land erweitern. Die Medien sprechen die menschlichen Bedürfnisse an: »Hier bekommst du alles, einfach und schnell«. Das digitale Leben verspreche kurzfristige Belohnungen, auf lange Sicht gesehen könne das Leben aber so nicht gelingen.

»Digital können die Bedürfnisse nicht abgedeckt werden«, war sich Döbel sicher. Die Gehirnforschung zeige, dass die Dopamin-Ausschüttung erhöht sei: »Beim Zocken gibt es ein bisschen dope.« Gerade im Alter zwischen 13 und 18 entwickelten sich die Gehirnregionen unterschiedlich, das »Partyzentrum« und das »Kontrollzentrum« lägen weit auseinander. Exzessiver Konsum könne sich aber im Laufe der Jahre auswachsen, folgerte der Suchtexperte. Er war sicher: Wenn das reale Leben als nicht gut empfunden wird, sei die Gefahr der Abhängigkeit größer.

»Jeder hat die Verantwortung für Medienkonsum.« Auf dem Podium diskutierten Schüler Marvin Munzli, Lehrerin Katrin Michaelis, Schulsozialarbeiterin Anja Linneweber, Elternratsvorsitzende Andrea Sietz, Schulleiter Renatus Döring, und die Suchtberater Lucas Döbel und Stefan Jagonak über Medienkonsum.  Manch einer kann kaum vom Handy lassen, andere wünschen sich das zeitweise Abschalten. Verteufelt werden sollte die Technik nicht, sie könne auch Bereicherung sein. Die Wortwolke, die von den Zuhörern online erstellt wurde, enthielt verschiedene Schlagwörter: unter anderem Wikipedia, Nackenstarre, Aggression, Stress, Unsicherheit und Erreichbarkeit oder Kontaktersatz und Realitätsflucht.

Aufgefordert wurde alle Eltern, mit ihren Kinder zu spielen, Apps kennenzulernen und in die Welt der Jugendlichen einzutauchen. Locker moderiert wurde die Veranstaltung durch den bekannten Einbecker Dennie Klose. Für den gelungenen Einstieg in den Abend sorgte ein Film von den kaufmännischen Assissenten mit Lehrerin Katrin Michaelis, die passende Musik »Innerer Kompass« stammt von der Göttingern Band »Better than«. Schulleiter Döring dankte der Schulelternratsvorsitzenden Andrea Sietz, den Referenten und dem Schulsozialarbeits-Team dafür, dass sie das Thema in den Fokus gerückt hatten.sts