Orte des Erinnerns vermeiden eine Geschichtsfälschung

Konferenz des Netzwerkes »Topografie der Erinnerung - Gedenken und Erinnern in Südniedersachsen« / Offener Dialog der Religionen

Mehr als Erinnern – wie gelingt ein Ort des Dialogs? Dieser Frage stellte sich die fünfte Konferenz des südniedersächsischen Netzwerks »Topografie der Erinnerung – Gedenken und Erinnern in Südniedersachsen« am vergangenen Wochenende in Einbeck. Sie wurde vom Förderverein Alte Synagoge in Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte Moringen veranstaltet im Gemeindezentrum der Baptistengemeinde und der benachbarten Alten Synagoge.

Einbeck. Im Mittelpunkt der ganztägigen Konferenz stand eine gut besuchte Podiumsdiskussion, die von Superintendent Heinz Behrends moderiert wurde. Diskussionspartner waren Dr. Dietmar Sedlaczek (Leiter der KZ-Gedenkstätte Moringen), Konstantin Seidler (Sozialwissenschaftler und Mitglied der Liberalen jüdischen Gemeinde Hannover) sowie Joachim Voges (Vorstand des Fördervereins Alte Synagoge). Zuvor erläuterte  der Vorsitzende Fördervereins Alte Synagoge, Frank Bertram, die Motive der Arbeit im Förderverein.

Ein zentrales Ziel der Vereinsarbeit ist die Förderung des jüdisch-christlichen Dialogs und kultureller Aktivitäten als Zeichen der Verständigung und Versöhnung über kulturelle und religiöse Unterschiede hinaus. Geplant ist für die Zukunft eine breit gefächerte öffentliche Nutzung der Alten Synagoge in Einbeck. Das Gebäude, um das Jahr 1800 in zweiter Reihe in der Baustraße gebaut, wird vom im Jahre 2004 gegründeten Förderverein denkmalgerecht wiederhergestellt. Schon heute wird die Alte Synagoge mehrmals im Jahr für Veranstaltungen im Sinne der Begegnung und des Dialogs genutzt.

Bertram stellte fest, dass die Sanierung eine Menge Überraschungen mit sich bringe. In der Verschalung über der Eingangstür fand sich jetzt ein Holztäfelchen mit Beschriftung: »Diese Sinagoge wurde für Wohnhaus umgebaut im Jahre 1907« - Karl Pleschotzky, Tischlermeister. 1896 hatte die jüdische Gemeinde ihre neue Synagoge in der Bismarckstraße bezogen. 1938 war nicht mehr bekannt, dass dieses Gebäude eine Synagoge war, in der Pogromnacht blieb es verschont. An der speziellen Fachwerkkonstruktion war die Synagoge aber erkennbar. Seit 2004 kümmert sich der Förderverein um die Sanierung der Synagoge. Er hat sich zum Ziel gesetzt, mehr als zu erinnern. Zentrales Ziel ist die Förderung des jüdisch-christlichen Dialogs, so Bertram. »Ein Ort der Begegnung und des offenen Dialogs« soll die Alte Synagoge sein. In diesem Jahr wird der Verein ein Klezmer-Konzert veranstalten. Der Förderverein möchte mit seinen Veranstaltungen einen grundlegenden Beitrag zur Bildungsarbeit leisten, zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen kulturellen und geschichtlichen Identität anregen, Vorurteile abbauen und zu einer offenen und engagierten Zivilgesellschaft beitragen. So wünschte sich Bertram eine Diskussion möglichst aller Religionen.

Ziel des Podiumsgesprächs war es, eine Vision für Orte zu entwickeln, die sich - wie die Alte Synagoge in Einbeck - als Foren des offenen Dialogs verstehen. Welche Voraussetzungen sollte ein solcher Ort des Dialogs erfüllen? Sollten diese Foren ganz offen begriffen werden oder einen bestimmten Schwerpunkt wie »Lernen aus der Geschichte« haben?

Da dem jüdischen Glauben immer noch Vorurteile entgegenschlagen und jüdische Feste unter Polizeischutz stattfinden müssen, wünschte sich Konstantin Seidler, Mitglied der Liberalen jüdischen Gemeinde Hannover, vor allem eine offene Bereitschaft zum Dialog. Scham und Schuld verhindere einen Dialog. Für einen gelungenen Dialog notwendig hielt Dr. Dietmar Sedlaczek, Leiter der KZ-Gedenkstätte Moringen, das Kennenlernen des Gegenübers und des eigenen Ichs. »Wissen ist die Basis«. Dialogpartner müssen für Joachim Voges vom Vorstand des Fördervereins Alte Synagoge klare Positionen vertreten, um dann einen »gemeinsamen Lernweg« beschreiten zu können.  Vielleicht brauche man die Position des Anderen, um die eigene Position in Frage zu stellen, formulierte Moderator Heinz Behrends.  Orte des Erinnerns vermeiden eine Geschichtsfälschung, das wurde deutlich. Vielleicht brauche es aber mehrere Generationen Zeit, um einen offenen Dialog führen zu können. Und damit ein Ort des Dialogs entstehen könne, müsse man mehr tun: viele gesellschaftliche Gruppen zusammenbringen. Bertram zog ein Fazit: »Aus der Diskussion nehmen wir dankbar viele Impulse und Anregungen mit auf unseren Weg hin zu einem durchaus auch sperrigen und unbequemen Ort des lebendigen Dialogs.«

Am Vormittag der Konferenz wurde darüber hinaus ein Rundgang unter der Leitung von Inge Hüttig auf den Spuren jüdischer Geschichte in Einbeck angeboten. Insgesamt waren 35 Teilnehmer aus der Region Südniedersachsen in Einbeck zu Gast.

Das Netzwerk »Topografie der Erinnerung« ist ein loser Zusammenschluss von Multiplikatoren und Akteuren der Bildungs- und Erinnerungskultur, die sich im südlichen Südniedersachsen auf diesem Feld engagieren. Die Erinnerungskonferenzen finden seither jährlich statt. Sie sind eine zentrale Basis des Netzwerks und haben zum Ziel, dieses weiter auszubauen.sts