Einbecker schießen auf Pappenheim

... der General nimmt’s übel | Scharmützel vor Tiedexer Tor | Feuermörser-Beschuss | Jungfrauen besänftigen

Blick über die Wallanlagen nach Nordwesten: Hier kam Pappenheim bei einem Erkundungsritt über den Berg.

Einbeck. Der Dreißigjährige Krieg währte schon gut 14 Jahren, und die Stadt Einbeck war bisher von Kampfhandlungen verschont geblieben. Doch im Frühjahr 1632 erschien die Armee des Generals Pappenheim vor dem Klapperturm. Abgesandte brachten seine Forderungen, und die Stadtwache eilte damit zum Bürgermeister: 60.000 Pfund Brot und 100 Fass Bier sollten den ersten Hunger der Soldaten stillen. Die Stadt Einbeck litt unter großen finanzielle Belastungen.

Erst musste man Tillys Armee versorgen, danach schwedische Truppen. Das, was General Pappenheim jetzt forderte, konnte man beim besten Willen nicht auch noch liefern. Schließlich hatte man erst kurz zuvor eigene Truppen aus der Stadt vertrieben, damit man sie nicht verköstigen musste. Viele besonnene Ratsherren und Bürger warnten, »dem Feinde keinen Anlaß zu Gewaltigkeiten zu geben, man könne den lieben Frieden nicht zu hoch erkaufen«.

Stadthauptmann Hans Schwarzkopf »war entrüstet über diese Zumuthung«, ein zweites Mal kam es zum Aufruhr. Deswegen lehnten Bürgermeister Heinrich Koch und Johann Mavors Pappenheims Forderungen ab. Ob Hauptmann Schwarzkopf eigenmächtig handelte, bleibt ungeklärt. Noch während die Stadtoberhäupter mit den Abgesandten verhandelten, fielen plötzlich Schüsse. Ein Trupp kaiserlicher Reiter wurde in der Nähe des alten Schützenhauses unter Beschuss genommen. Einer von ihnen war in den Ruinen vor dem Tiedexer Tor zurückgeblieben und offenbar eingeschlafen.

Er »wurde angefallen und hinter der Kirche erschossen«. Pappenheim lagerte beim Klapperturm - unerreichbar für die Einbecker Kanonen. Das hinderte unsere Vorfahren aber nicht daran, fleißig in diese Gegend zu feuern. Offensichtlich war dies der Aufregung geschuldet. Und als ob das gegenüber einer der gefürchteten Armeen des Dreißigjährigen Krieges nicht schon genug Wagemut war, machten die in Einbeck stationierten Reiter einen Ausfall und überfielen einen Trupp kaiserlicher Soldaten auf dem Hullerser Anger.

Dieser Angriff wurde aber im Keim erstickt und endete mit der heillosen Flucht zurück nach Einbeck. Am Abend machte General Pappenheim mit einigen Soldaten einen Erkundungsritt von Hullersen über Bartshausen zum Andershäuser Weg. Als der Trupp am Kuventhaler Berg »bei einem Hagenbusche der Stadt gegenüber« eine Pause machte, eröffneten die Einbecker wieder das Feuer. Die entscheidende Wende für das Schicksal der Stadt brachte der Zufall, als »eine Kanonenkugel gerade vor ihm nieder in die Erde schlug.

Dies erbitterte den alten Krieger so sehr, dass er beschloss, die Stadt zu belagern«. Jetzt war es mit der Option vorbei, durch Geldzahlung den Frieden zu erkaufen. Jetzt war der General persönlich beleidigt. Pappenheims Armee zog am nächsten Morgen Richtung Alfeld ab, um die Belagerung Einbecks vorzubereiten, und ließ sich von Hameln »etliche Stück Feuermörser und andere nothwendige Sachen bringen«.

»In dem Wahne, er sei auf dem Abzuge, wurden von den Einbecker Berittenen viele kaiserliche Soldaten, welche sich in die Nähe der Stadt gewagt hatten, theils erschossen, theils gefangen genommen«. Doch langsam wurde den Einbeckern bewusst, dass Pappenheim zurückkehren und die Stadt belagern würde. Am 22. März 1632 sammelte sich seine Armee in der Nähe der Stadt. Die Feuermörser wurden »bei dem Gerichte (dem Galgen) an der Hube aufgepflanzt«.

Am Abend konnten die feindlichen Soldaten einige Kanonen hinter den Gärten am Hubeweg aufstellen und eröffneten das Feuer auf die Stadt. Die erschreckten Bürger besetzten die Wälle und Tore, »um die Feuerkugeln gehörig zu beobachten und erforderlichen Falls mit Wasser zu löschen«. Als eine Granate zwischen Ostertor und Ravens Zwinger am Langen Wall einschlug und dabei »mehre Mann getroffen und getödtet wurden«, verließ die Einbecker der Mut, so dass weder der Bürgermeister noch die Offiziere sie wieder auf ihre Posten bewegen konnten.

Tags darauf schickte Pappenheim Unterhändler in die Stadt. Der Stadtrat war sich bewusst, in welcher Gefahr die Stadt schwebte und versuchte, mit Pappenheim und seinen Offizieren zu verhandeln. Doch Pappenheim war immer noch ziemlich sauer über die Dreistigkeit mit dem Kanonenschuss. »Er forderte sofortige Übergabe auf Gnade oder Ungnade, sonst wolle er den Wall ersteigen lassen«. Immerhin war die Befestigungsanlage vollkommen intakt, aber wahrscheinlich wurde den Einbeckern erst jetzt klar, was für eine Übermacht sie bedrohte.

Plötzlich war es vorbei mit dem Übermut der Hitzköpfe. Die Stadt entschied sich zur Übergabe, und am gleichen Tag zogen 10.000 feindliche Soldaten durch das Benser- und Ostertor in die Stadt; die Besatzung sollte 32 Wochen lang andauern. Um den General gnädig zu stimmen, erschienen kurz darauf »die vornehmsten Einbecker Jungfrauen … in festlichem Schmucke« in seinem Quartier.

Pappenheim war über »eine so auffallende Gesandtschaft« geschmeichelt und versprach, dass die Stadt nicht geplündert und niedergebrannt wird, so wie es ein Jahr zuvor mit Magdeburg geschehen war (Magdeburg wurde nach der Belagerung in Brand gesteckt und drei Tage lang geplündert - »magdeburgisiert«). Es blieben die Zahlung der riesigen Summe von 38.000 Talern und eine wöchentliche Kontribution von 225 Talern.

Um das Geld zusammen zu bringen, mussten die wohlhabenderen Einbecker Bürger ihre Wertgegenstände abgeben. Pappenheim zog mit seiner Armee ab. Es blieb eine Besatzungstruppe in der Stadt, die Einbeck erst nach einem halben Jahr wieder verließ. Drei Wochen, nachdem die Einbecker im Oktober 1632 das letzte Mal mit Pappenheim um die wöchentliche Zahlung verhandelt hatten, fand der General in der Schlacht bei Lützen den Tod.

Auch der schwedische König Gustav Adolf fiel, doch die Protestanten konnten die Schlacht für sich entscheiden. Einbeck kam wieder an seinen rechtmäßigen Landesherrn zurück. Allerdings war Herzog Christian von Celle der Meinung, dass die Stadt sich General Pappenheim zu leichtfertig ergeben hätte und entzog Einbeck zur Strafe alle Rechte und Privilegien. Ohne diese Privilegien war »Einbecks Glanz und Ansehen zernichtet« und »die nunmehr ganz erschöpfte, blutarme Bürgerschaft…in das hochklägliche Elend genöthigt worden«.wk