Rat Einbeck

Ratsmehrheit beschließt Steuererhöhungen ab 2019

Mehreinnahmen aus Gewerbe- und Vergnügungssteuer | Bauvorhaben umsetzen | SPD-Kritik: Prestigeprojekte

Einen Haushalt mit großen Projekten, aber auch mit Steuererhöhungen verabschiedete der Einbecker Rat bei seiner Sitzung am Mittwochabend mehrheitlich. »Alle außer SPD«, so lässt sich die Abstimmung zusammenfassen. Zuvor wurde intensiv um das Zahlenwerk, das Erträge von fast 54 Millionen Euro und Aufwendungen von gut 52 Millionen Euro aufweist, gerungen.

Einbeck. Die Verwaltung hatte vorgeschlagen, die Hebesätze der Steuern anzuheben: Ein Haushaltsausgleich wäre sonst ohne gravierende Einschnitte nicht möglich. Marcus Seidel, SPD, vermutete, die Haushaltsmehrheit habe gar kein Interesse an den erst vor wenigen Monaten festgelegten gemeinsamen strategischen Zielen, denn man verabschiede sich dauerhaft von der Konsolidierung.

Für Prestigeprojekte verschulde man sich neu. Die Gewerbesteuer, die um 20 Punkte auf 400 von Hundert angehoben werde, sei die wichtigste Einnahmequelle einer Kommune. Zugleich sei eine sichere Kalkulation schwierig. Eine gute wirtschaftliche Lage bringe gute Einnahmen. Eine Erhöhung, beispielsweise für den aufwändigen Ausbau des Neustädter Kirchplatzes, lehne die SPD ab.

Er sei, so Dietmar Bartels, Grüne, ein Verfechter von Steuererhöhungen, wenn damit die Infrastruktur gestärkt werde. Nicht zuletzt die Demokratieveranstaltungen mit den Schulen hätten gezeigt, wo man dringend etwas tun müsse, beispielsweise bei Schultoiletten.

Ebenfalls vorgesehen hat die Verwaltung eine Erhöhung der Vergnügungssteuer um fünf Punkte auf 20 von Hundert des Einspielergebnisses für Geräte mit Gewinnmöglichkeit. Das wäre ein jährliches Plus von 160.000 Euro.

Klaus-Reiner Schütte, SPD, sprach sich in dem Zusammenhang gegen die »Premium-Variante« beim Ausbau von Neustädter Kirchplatz und Tiedexer Straße aus. Weil die Finanzierung nicht gesichert sei, habe man die Vergnügungssteuer als Geldquelle entdeckt. Er könne dem nicht zustimmen, denn alle Erhöhungen müssten in den Zusammenhang eines finanzpolitischen Gesamtkonzepts gestellt werden – und nur für Maßnahmen im Standardbereich genutzt werden.

Die SPD, erinnerte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Ebrecht, habe sich der Strategiedebatte vor einigen Monaten noch entzogen – dann könne sie sich im Nachhinein nicht beklagen. Eine Steuererhöhung tue weh, aber dies sei der kleinste Kompromiss, bei der Gewerbesteuer die erste Erhöhung nach 25 Jahren.

In der vergangenen Ratssitzung sei von Steuererhöhungen noch nicht die Rede gewesen, vielmehr habe der Rat das Thema Ausbau einstimmig vertagt, erinnerte Rolf Hojnatzki, SPD. Er lasse sich nicht von der CDU vorwerfen, er habe die Debatte verpasst. »Sie drehen Pirouetten«, hielt er Ebrecht entgegen. Er habe keine Strategie, sondern agiere konfus. Steuererhöhungen seien denkbar für notwendige Projekte und wenn der Zusammenhang passe, und man müsse ehrlich dabei bleiben. Er sprach sich dafür aus, die Erhöhungen zurückzustellen und im Januar/Februar ein finanzielles Gesamtkonzept zu entwickeln.

Stillstand würde hunderttausende Euros für Planungen kosten, warnte Ebrecht. Insofern sei er froh über die Pirouette. Die Kommune müsse für ihre Leistungsfähigkeit sorgen. Der Neustädter Kirchplatz werde umso teurer, je länger man mit dem Ausbau warte. Man habe in der Vergangenheit immer nur auf Kante genäht; jetzt werde es Zeit, etwas durchzuziehen.

Sie halte es für mutig, Entscheidungen zu überdenken und zu verändern, sagte Antje Sölter, CDU: Der Kopf sei rund, damit die Gedanken ihre Richtung ändern könnten.

Für Flexibilität plädierte auch Dr. Reinhard Binder, FDP. Die Entscheidungen seien gut, weil man ein Ziel habe, nämlich den Ausbau von Neustädter Kirchplatz und Tiedexer Straße, womit man zur Entwicklung der Stadt beitrage. »Mit sehr viel Kopfweh« werde sie der Steuererhöhung zustimmen, kündigte Fraktionskollegin Dr. Marion Villmar-Doebeling an. Wenn man für Ehrlichkeit sei, müsse man das Interesse Einbecks im Blick behalten und nicht am Stillstand festhalten. Die »Pirouette« sei Politik für die Interessen Einbecks.

Für ehrlich hielte sie es, später zusammen zu beraten, so Eunice Schenitzki, SPD. Insbesondere habe sie der Antrag zum Neustädter Kirchplatz im Finanzausschuss überrascht.

Dieser Antrag, betonte Albert Eggers, CDU, sei überfällig und notwendig gewesen. Man handele verantwortungsvoll, es sei lange geplant worden, für viel Geld, aber ohne Ergebnis. Bis 2022 müsse das Vorhaben wegen der erwarteten Fördermittel abgeschlossen sein. Weiter dürfe man nicht warten, »das holt uns ein.« Die Steuererhöhungen seien dabei ein notwendiges Übel zur Verbesserung der gesamten Infrastruktur.

Zugestimmt hat der Rat auch der Übernahme der Defizite der Forst, die seit dem 1. Januar nicht mehr dem Bauhof, sondern dem städtischen Kernhaushalt zugeordnet ist. Seit 2013 ist ein Defizit von rund 70.550 Euro aufgelaufen, das im laufenden Haushaltsjahr von der Stadt ausgeglichen werden soll.
Ebenfalls genehmigt wurde der Stellenplan der Stadt Einbeck.

Zum Haushalt 2019 stellte Alexander Kloss, SPD, fest, dass Aufgaben wie Tourismus, Jugend, Soziales und Kultur wichtig seien, aber nicht kostendeckend erfüllt werden könnten. Dafür sei jeder Euro gut investiert. Man müsse aber mit den Ressourcen verantwortungsvoll umgehen, und das am Steinwege geplante Wissensquartier sei ein gutes Beispiel dafür. Das Projekt werde kein Prestigebau. Vielmehr sei der Neubau des Kindergartens Münstermauer dringend erforderlich, ebenso ein Neubau für das Stadtarchiv. Fördermittel machten die finanzielle Last erträglicher. Durch die angedachte spätere Kombination mit dem Stadtmuseum und der Bibliothek würde in direkter Innenstadtnähe ein Ensemble entstehen, das ein Magnet für Groß und Klein sei, das sichtbare Bekenntnis zu einer lebendigen Innenstadt, für kurze Wege, auch barrierefrei. Dabei habe man den festen Willen, Einbeck für die Zukunft gut aufzustellen.

Das Wissensquartier sei sorgfältig geplant und kalkuliert, und es könne bescheiden umgesetzt werden. Andere Projekt im Haushalt seien leider weniger sorgfältig durchdacht, dafür unter hohem Druck und gegen massiven Widerstand. So gut der SPD das Projekt Wissensquartier auch gefalle: Dem Gesamthaushalt werde sie nicht zustimmen.

Die Erhöhung der Ortschaftsmittel nach zehn Jahren begrüßte Eunice Schenitzki, SPD – ein Plus des Haushalts, dem sie aber dennoch die Zustimmung verweigerte.

Klaus-Reiner Schütte verwies darauf, dass man bei der Unterhaltung der Grundschulen eine Menge erreicht habe, Wichtiges werde dennoch geschoben, weil auch wegen neuer Projekte nicht genug Geld vorhanden sei. Es dafür einzusetzen, wäre besser als für den Neustädter Kirchplatz oder den überstürzten Ausbau der Tiedexer Straße. Lob für die Multifunktionshalle gab es von René Kopka, SPD, wenngleich sie teurer werde als geplant. Auch die Ausgaben für die Kindergärten seien gut, aber vor dem Hintergrund der Bauvorhaben frage er, ob man die Standards halten könne.

Sie mache sich Sorgen um die Ortschaften, erklärte Gitta Kunzi, SPD. Es gebe eine lange Liste  mit notwendigen Maßnahmen. Nur dringende Vorhaben könne man sich erlauben, wenn man langfristig handlungsfähig bleiben wollte, so Christine Jordan, SPD.

Die SPD sage, dass vieles gut sei, und dann picke sie zwei Kritikpunkte als »Wurzel allen Übels heraus«, wunderte sich Dirk Ebrecht. Dieser Kurs bedeute Blockade und Stillstand. Beim Neustädter Kirchplatz sei das Handeln alles, aber bestimmt nicht überstürzt.

Für eine stärkere Berücksichtigung der sich verändernden Bevölkerungsstruktur sprach sich Dr.  Marion Villmar-Doebeling, FDP, aus. Man müsse sich mit der Entwicklung ehrlicher auseinandersetzen.

Andreas Fillips, SPD, beantragte eine »kleinere« Lösung für den Neustädter Kirchplatz zu wählen. Man habe schon hohe Kosten gehabt und sollte nun mit 750.000 Euro auskommen.

Kritik an der Luxus-Lösung, gerade auch im Vergleich zur Budget-Aufstockung für die Ortschaften, übte Hans-Jörg Kelpe, SPD: Da werde mit zweierlei Maß gemessen.

Rolf Hojnatzki betonte, dass in den jetzigen Planungen zur Tiedexer Straße nichts zur Abschaffung der Straßenausbaubeitragsatzung stehe: Vielmehr würden die Anlieger mit 608.000 Kosten veranlagt, 47 Prozent der derzeit geschätzten Kosten. Das sei ein Durchschnittswert von 5.300 Euro pro Anlieger. Und niemand wisse, wie sich die Baukosten entwickeln würden. Er rief die Mehrheit auf, das Projekt auszusetzen, bis sich die Baukonjunktur beruhigt habe – ein Vorschlag, der ihm Gelächter einbrachte – und bis man sich im Klaren sei, wie man mit den Ausbaubeiträgen verfahren wolle.

Der Antrag von Andreas Fillips für die »kleine Lösung« mit einem Rest von 500.000 Euro und 250.000 Euro Eigenmitteln wurde abgelehnt. Ebenso fand Rolf Hojnatzkis Vorschlag, Tiedexer Straße/Tiedexer Tor aus der mittelfristigen Planung herauszunehmen, keine Mehrheit. Verabschiedet wurde der Haushalt 2019 mit den Stimmen aller Ratsmitglieder – außer denen der SPD.

Der Neustädter Kirchplatz soll nun auf der Grundlage der Vorentwurfsplanung vom Januar dieses Jahres in drei Abschnitten umgestaltet werden: 2019 werden Hullerser, Benser und Papenstraße ausgebaut, Gemeindehaus und Toilettenanlage werden abgerissen. Gleichzeitig sollen die archäologischen Grabungen im Bereich der späteren Platzfläche durchgeführt werden. 2020 ist der Ausbau der Fläche geplant, und 2021 möglicherweise der Bau des Pavillons.ek