Raub, Körperverletzung, Beleidigung: 14 Monate für 29-Jährigen

Wenig Ansätze für ein künftig straffreies Leben

Einbeck. Irgendwann ist das Maß voll: Einen Mehrfachtäter hat das Schöffengericht beim Amtsgericht Einbeck zu einem Jahr und zwei Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Dem 29-Jährigen waren Diebstahl, Raub, Beleidigung und Körperverletzung vorgeworfen worden, begangen zwischen April und Juni dieses Jahres.

Am 21. April soll der Mann auf dem Spielplatz Bäckerwall eine Holzlatte entwendet haben, auf der das Schild montiert war, das auf die Sperrung des Platzes wegen Corona hinwies. Mit der Holzlatte über der Schulter soll er im Offiziersgarten einen Mann auf einer Bank bedroht und aus dessen Fahrradkorb unter anderem einen Lautsprecher und Bier entwendet haben. Am 23. Juni haben Mitarbeiter des Ordnungsamtes den Angeklagten darauf hingewiesen, dass das Liegen auf dem Eulenspiegel-Brunnen nicht erlaubt sei. Er habe dann einen Mitarbeiter beleidigt und eine Bierflasche in seine Richtung geworfen. Bereits am 14. April wurde im Hinterhof der Rats Apotheke ein 64-Jähriger so geschlagen, dass er unter anderem eine blutende Kopfwunde davontrug.

Das Liegen mit Bier auf dem Brunnen halte er für sein Recht auf Freiheit, deshalb sei er so ausgerastet, sagte der Angeklagte zum Vorfall auf dem Marktplatz; er habe sich »übelst aufgeregt«, weil er eigentlich die Sonne genießen wollte. »Um 11 Uhr schon mit Bier«, stellte Richterin Sievert fest. Der schwerste Vorwurf war das Geschehen im Offiziersgarten. Die Latte habe er »nur so« dabei gehabt, sagte der Angeklagte. Als der angesprochene 64-Jährige, der auch als Zeuge aussagte, ihm die Zigarette verweigert habe, habe er aus Trotz in dessen Fahrradkorb gegriffen. Er sei betrunken gewesen; zwei Stunden später wurden noch 1,6 Promille gemessen. Auf dem weiteren Weg habe er eine Mitarbeiterin des Bauhofs angepöbelt, so die Anklage.

Der Einbecker, der auf der Bank im Offiziersgarten gesessen habe, berichtete, er sei schnell weggegangen, als der Angeklagte mit der Holzlatte und in Begleitung eines nicht angeleinten großen Hundes auf ihn zukam. Der habe was vorgehabt, erinnerte er sich, er habe befürchtet, dass er geschlagen werde. Lediglich das Telefon habe er bei der Flucht auf die nahe Wiese mitgenommen, um damit die Polizei zu benachrichtigen. »Ganz aufgelöst« sei er gewesen, beschrieb ein weiterer Zeuge den Zustand des bestohlenen Opfers. Immerhin entschuldigte sich der Angeklagte beim 64-Jährigen im Gerichtssaal, dass er ihm das Bier weggenommen habe.

Verletzt wurde ein ebenfalls 64-Jähriger, »Zeuge und Opfer«, er traf in bzw. an der Rats Apotheke auf den Angeklagten, wieder begleitet von einem großen Hund. Auf den Hinweis, die Arztpraxen im Haus seien geschlossen, habe der Mann ihn angeschrien. Er habe, so der Zeuge, ein »ungutes Gefühl« gehabt. Auf dem Weg, sein Rad abzuschließen, sei er im Treppenhaus auf den 29-Jährigen getroffen, habe einen der Stühle, auf denen sonst Patienten warten, zwischen sich und ihn gestellt. Auf dem Hof habe man sich dann, als der Zeuge das Tor schließen wollte, wieder getroffen, und da sei die Faust des Jüngeren Richtung seines Kopfes geflogen. Ihm wurde u.a. eine blutende Wunde über dem Auge zugefügt. Ein weiterer Zeuge berichtete, dass der Angeklagte dort einen aggressiven Eindruck vermittelt habe.

»Immer mal wieder auffällig« sei der 29-Jährige im Stadtbild, führte der Mitarbeiter des Ordnungsamtes als Zeuge aus. »Er macht Stress«, und das gelte insbesondere im Zusammenspiel mit Alkohol – so auch während des angeklagten Vorfalls. Man habe ihn aufgefordert, sich auf eine Bank zu setzen, erinnerte sich der 60-Jährige, und darauf habe der Angeklagte »den ganzen Marktplatz zusammengeschrien.« Es sei eine Bierflasche in seine Richtung geworfen worden, aber an der Eulenspiegel-Figur zerschellt; gemeinsam mit seinem Kollegen sei er in Richtung Altes Rathaus geflüchtet.

Für das Amtsgericht ist der Angeklagte kein Unbekannter. Seit 2013 weist das Bundeszentralregister mehr als zehn Einträge auf, unter anderem wegen Körperverletzung, Diebstahl, Raub, Beleidigung und Sachbeschädigung. Er steht wegen Raubes bis Mitte 2022 unter Bewährung.

Sie habe, sagte die Richterin, zwei Wachtmeister aus Göttingen angefordert, weil einige Zeugen aus Angst nicht aussagen wollten, »Überlegen Sie mal, was für ein Erscheinungsbild Sie hier abliefern – kein gutes. Wie soll das mit Ihnen weitergehen?« Eigentlich, sagte der 29-Jährige, habe er sich bessern wollen. Aber es sei alles »ein bisschen schlecht gelaufen«, gerade mit Alkohol. Doch er sei dabei, eine Therapie zu machen. Von unterschiedlich intensiver Mitarbeit des Angeklagten berichtete die Bewährungshilfe. Die durchgeführten Motivationsgespräche vor einer Therapie hätten ihn nicht von weiteren Taten abgehalten. 

Die Staatsanwaltschaft sei die Tatvorwürfe im Wesentlichen durch die Zeugen bestätigt. Sie hätten eindrucksvoll geschildert, wie ihnen der Angeklagte Angst gemacht habe. An keiner Aussage könne man Zweifel haben, alles sei glaubhaft gewesen. Lediglich die versuchte Körperverletzung beim Flaschenwurf sehe man so nicht, dazu sei die Distanz zu weit gewesen. Teilweise sei der Angeklagte geständig, das sei ihm positiv anzurechnen. Alkohol spiele eine Rolle, aber nicht so weit, dass das schuldvermindernd sei. Der Angeklagte sei an Alkohol gewöhnt. Negativ führte die Staatsanwaltschaft die erheblichen Vorbelastungen auf, hier habe man es mit einem Bewährungsversager zu tun. Dass ihm eine Haft drohe bei weiteren Straftaten, habe ihn nicht beeindruckt. Er scheine sich zu bemühen, sein Verhalten zu ändern, aber etwas Grundlegendes sei nicht zu erkennen. In der Summe halte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten für angemessen, eine Bewährung komme nicht in Betracht. Dafür müsste man die begründete Erwartung haben, dass der Angeklagte künftig ein straffreies Leben führen würde, und dazu reichten die Ansätze nicht aus.

Verteidiger Dr. Neddenriep stellte fest, dass sein Mandant die Taten weitgehend eingeräumt und auch bedauert habe. Die Motivationsphase vor einer Therapie habe noch nicht gefruchtet, aber er sehe ihn auf einem guten Weg. Der brauche jedoch Zeit. Eine Bewährung halte er für möglich. Das sah das Schöffengericht nicht so: Ein Jahr und zwei Monate Haft ohne Bewährung lautete das Urteil für Diebstahl, Raub, Beleidigung und Körperverletzung. Insbesondere der Raub, der eine mindestens einjährige Haftstrafe nach sich zieht, fiel hier ins Gewicht. Man habe sich, so die Richterin, hier schon öfter gesehen.

»Wie Sie sich benehmen, das geht nicht. Lassen Sie den Alkohol weg«, so ihr dringender Rat. Die vom Angeklagten dazu angestrebte ambulante Therapie werde nicht ausreichen, und eine zu erwartende Haftstrafe habe ihn nicht von weiteren Taten abgehalten, wenn auch zaghafte Ansätze vorhanden seien.ek