Reges Treiben auf dem Neuen Markt um 1900

Einbeck. Vor über 100 Jahren bot sich dem Betrachter um die Mittagszeit vom Ostertor aus dieser Blick auf die Häuser des Neuen Marktes: Auf der Straße fahren keine Autos, sondern Handkarren und Pferdewagen. Auf dem Bürgersteig rechts und links sind Fußgänger unterwegs. Wenn man genau hinschaut, erkennt man, dass drei Personen den Fotografen entdeckt haben und »in die Linse schauen«.

Der junge Mann an der Ecke zur kurzen Münsterstraße dreht sich ins Bild, und der Herr an der Ecke zur Hohen Münsterstraße posiert regelrecht für den Fotografen. Rechts vor der Mauer zum Stiftspark gehen zwei Frauen. Die Dame mit dem ausladenden Hut geht unbeirrt ihrer Wege, doch die Frau mit dem Einkaufskorb hat den Fotografen ebenfalls erspäht. In der Bildmitte befinden sich die Häuser Nummer 33 und 35. Rechts daneben beginnt heute der Stiftspark – damals stand auf der Ecke zur Hohen Münsterstraße das Gasthaus zum weißen Spitz (mit dem Schild über der Tür und der Laterne vor dem Haus).

Auf einem Stadtplan um 1895 findet sich das Gebäude nebst einem kleinen Anbau hinter dem Haus mit der Beschriftung »Eike« eingezeichnet. Der korrekte Name des Eigentümers lautete allerdings Eicke. Bei »Spitz-Eicke« gab es einen guten Branntwein, der nicht nur in der Kneipe ausgeschenkt, sondern auch außer Haus verkauft wurde.

Doch zur Zeit der Aufnahme lief die Zeit für den weißen Spitz bereits ab, denn kurz darauf wurde das Grundstück hinter der Stadtmauer an August Stukenbrok verkauft. Der Unternehmer ließ das Gelände als Park gestalten – der weiße Spitz wurde abgerissen – und bereits einige Jahre später stand an der Stelle des Gasthauses ein Pavillon. Schaut man sich das Haus Neuer Markt 35 (Bildmitte) genauer an, so erkennt man Fachwerkbemalung: Das Haus wurde 1895 frisch renoviert. Die Stadtmauer und der Stadtgraben verliefen übrigens mitten durch das Bild. Die beiden Eingangspfosten in der Steinmauer markieren ungefähr den Verlauf des Stadtgrabens nach Norden durch den späteren Stiftspark. Die Stadtmauer verlief an der rechten Seite der Kanalstraße (links verdeckt) und der Hohen Münsterstraße.wk