Schlechtes Design, aber besseres Game

»Philotes - Spiel um Freundschaft«: Eindrückliches Spiel um Umgang mit neuen Medien

Das »theaterspiel« aus Witten thematisiert im Stück »Philotes - Spiel um Freundschaft« auf eindrückliche Weise den schleichenden Weg in die Computersucht - Benny (Kevin Herbertz, rechts) driftet in virtuelle Welten ab, Nuri (Shehab Fatoum) und Lara (Lina Kniecik) stellen ihn vor die Wahl.

Einbeck. Mediensucht entwickelt sich zu einem gesellschaftlichen Problem, das können Stefan Jagonak und Stefanie Seydewitz aus ihrer Präventions-Arbeit beim Lukas-Werk Gesundheitsdienste unterstreichen. Mit Unterstützung des Landkreises, dem Rotary-Club Einbeck-Northeim und Fips haben sie deshalb das »theaterspiel« aus witten engagiert - an zwei Tagen und in einer öffentlichen Abendveranstaltung für Erwachsene wurde das Thema »Medienkonsum« im Theaterstück und in der Nachbesprechung aus verschiedenen Perspektiven betrachtet.

»Philotes« kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Freundschaft. So handelte das rund einstündige Stück vom Spiel um die Freundschaft. Zwei Jahre lang hat Beate Albrecht für das Stück recherchiert und mit »Philotes« die Gefahren unkontrollierter Internetnutzung auf die Spitze getrieben, ohne realitätsfremd zu sein.

Live, das wurde deutlich, ist das Leben immer noch am besten. Die rund 200 Schüler in der ersten Vorstellung legten (fast) ausnahmslos ihre Smartphones beiseite und sahen dann konzentriert zu, wie ein Jugendlicher immer tiefer in die virtuelle Welt abdriftet: Schon lange ist Benny (Kevin Herbertz) mit Nuri (Shehab Fatoum) befreundet, sie spielen Tischtennis miteinander, haben aber auch die Cyberwelt entdeckt.

Nuri will für die Schulmeisterschaft im Tischtennis trainieren, doch Benny verbringt immer mehr Zeit vor dem PC. Selbst die neue Mitschülerin Lara (Lina Kniecik), die sich für ihn interessiert, lässt er links liegen. Die »Milliarden Pixel« sind für ihn »der Wahnsinn«, und als Nuri seine Unterstützung braucht, versetzt Benny ihn.

Hinzu kommt der Streit mit seiner Mutter (Beate Albrecht), die sich in der digitalen Welt nicht auskennt, nicht weiß, wie sie damit umgehen soll. Unverhofft wurde das Stück unterbrochen, das Publikum einbezogen: Die Mutter holt sich Tipps beim Publikum, den Fachleuten. Sie will wissen, was sie machen soll. Die Schüler stiegen drauf ein, sprachen vom »gesunden Mittelmaß« - die Meinungen gingen allerdings weit auseinander, ob das Zocken zwei Stunden oder 24/7 umfassen darf. Als die Mutter zur Fortbildung muss, fragt sie ihren Sohn, ob er alles in die Reihe bringt.

Wie befürchtet, gelingt es ihm nicht, er verliert sich in Raum und Zeit, lebt nur noch als virtuelle Person Cylox und kämpft sich durch den verlorenen Wald. Als Lara ihm ins Gewissen redet, reagiert er aggressiv, als die Mutter dem Spielen ein Ende setzt und ihn rauswirft, wird er fast handgreiflich. Der, der »König von Philotes« hätte werden können, ist allein. Seine Freunde Nuri und Lara zwingen ihn zur Entscheidung - für die reale oder die virtuelle Welt. Das Theaterstück gibt Impulse für reflektierten und verantwortungsbewußten Umgang mit den neuen Medien.

Einfühlsam zeigen die Schauspieler die Gefühlswelt der Jugendlichen, lassen ihre Lebenswirklichkeit lebendig werden. Die wandelbare, aber auch karge Kulisse samt Licht- und Toneffekten lenkt den Blick aufs Wesentliche. Präzise zeigt das Spiel, wie das Zocken schleichend die Oberhand gewinnt, wie viel schwieriger es ist, das reale Leben zu managen. »Das Design ist vielleicht nicht so gut, aber das reale Leben ist das bessere Game«, macht Lara deutlich.

In der anschließenden Gesprächsrunde waren wenige Zuschauer zuversichtlich, dass Benny künftig im realen Leben Punkte machen wird. Denn er hat seine Freunde vernachlässigt, sich nicht mehr um die Familie gekümmert, die Schule abgeschrieben und die Kontrolle über seine Emotionen verloren.

Heutzutage trifft sich Generation der Digital Immigrants auf die Digital Natives - das birgt Zündstoff. So warb Albrecht für gegenseitiges Verstehen - die eine Generation müsse den Umgang lernen, die andere sei damit aufgewachsen. Wie Mediennutzung gelingen könne, müsse sich zeigen.

Regeln wie ein Zeitkontingent aber scheinen notwendig zu sein, ebenso sinnvoll ist das Angebot von verschiedenen Freizeitmöglichkeiten. Haben Eltern Anhaltspunkte für eine »Mediensucht« bei ihren Kindern oder führt die Mediennutzung zu lang anhaltenden und heftigen Konflikten, können Eltern auch Beratung suchen. Dörte Kirst-Bode, stellvertretende Schulleiterin der BBS, freute sich, Gastgeber für dieses Projekt sein zu können.sts