»Seebrücke« für Solidarität und Menschenrechte

Demonstration und Kundgebung auf dem Marktplatz und vor dem Neuen Rathaus | »Sicheren Hafen« bieten

Etwa 60 bis 70 Teilnehmer haben an der Protestaktion des Aktionsbündnisses »Seebrücke« teilgenommen, zu dem die Einbecker Gruppe auf den Marktplatz eingeladen hatte. Nach einem Demonstrationszug durch die Stadt fand die Abschlusskundgebung am Neuen Rathaus statt.

Einbeck. Menschenrechte verteidigen, ein verlässliches System schaffen, aus Seenot Geretteten die Aufnahme in sicheren Häfen ermöglichen: Mit einer Protestaktion in Einbeck hat das Aktionsbündnis »Seebrücke« sich für die Aufnahme von Menschen eingesetzt, die im Mittelmeer auf der Flucht aus Seenot geborgen wurden, die nun aber an Bord der »Sea Watch 3« bleiben müssen, weil kein Land ihnen Zugang gewährt.

Zugleich stellten sich die Teilnehmer gegen das Problem des wachsenden Rechtsrucks in Europa. Sprecher der »Seebrücke« erläuterten die Situation: 32 Menschen aus Syrien, die vor Folter, Gewalt, Vergewaltigung und Versklavung geflohen seien, verharrten seit dem 22. Dezember auf dem Schiff.

Die Wetterlage auf dem Mittelmeer sei schwierig; die jüngste Entwicklung sei, dass Malta diesem Schiff sowie der »Professor Albert Penk« erlaubt habe, in seine Hoheitsgewässer einzufahren; eine Anlegeerlaubnis sei damit aber nicht verbunden. Eine Aufnahme in Deutschland sei nicht möglich: Innenminister Horst Seehofer verweigere sie mit Blick auf die erforderliche Verteilung in Europa, so die Sprecher der Kundgebung.

Damit spalte er die Gesellschaft. Dabei hätten sich schon mehr als 30 deutsche Städte in Deutschland zu »sicheren Häfen« erklärt. Im vergangenen Jahr habe es die Europäische Union zugelassen, dass mehr als 2.000 Menschen an ihrer Außengrenze gestorben seien, weil ihre Rettung blockiert wurde.

Das Mittelmeer werde somit zum Massengrab. »Das ist nicht unser Europa«, machten die Redner deutlich. Sie wollten sich einsetzen für ein offenes, solidarisches Europa, in dem jedes Leben gleich zähle. Es dürfe keine Straftat sein, Menschenleben zu retten: »Seebrücke statt Seehofer.« Die etwa 60 bis 70 Teilnehmer, so übereinstimmende Schätzungen von Veranstaltern und Polizei, zogen anschließend mit Transparenten und Kerzen vom Marktplatz zum Neuen Rathaus.

Wenn das Mittelmeer zum Massengrab werde, würden Morde in Staatsauftrag verübt, skandierten sie unterwegs: »Seenotrettung ist kein Verbrechen.« Was gerade geschehe, sei historisches Unrecht - es fehle der Mut zum Handeln. Wichtig sei es, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Solange Menschen flüchteten, nehme man täglich vielfachen Tod in Kauf, weil Schutz verweigert werde. Die Menschen würden sich in größte Gefahr geben.

Es sei kein Verbrechen, sondern Pflicht, die Menschenrechte der Schwächsten zu schützen - das sei nicht verhandelbar. Allein aus politischem Kalkül gebe es keinen sicheren Hafen; stattdessen würden Geflüchtete ertrinken, oder sie müssten verdursten, und Gerettete wüssten nicht, wie es weitergehe.

»Auch wir sind besorgte Bürger«, machten die Redner deutlich - man sorge sich, dass Menschenrechte mit Füßen getreten würden und die Wertegemeinschaft von Populisten zerstört werde. Dagegen wolle man laut und mutig und als Vorbild auftreten. Asylsuchende seien Menschen - es sei nicht richtig, über sie zu sprechen wie über einen Sack Kartoffeln. Wer Zuflucht suche, lasse sich nicht stapeln oder zurückschicken.

Initiativen wie die »Seebrücke« müssten für das Versagen der Staaten einspringen. Man empfehle deshalb, einmal in die Augen halb verhungerter Flüchtlingskinder zu sehen oder in die Lager zu gehen. Europa habe seine Wohlstandsinsel auch auf Kosten der sogenannten Dritten Welt geschaffen.

Bodenschätze würden geraubt, und das Land könne die Menschen nicht mehr ernähren. Aus Profitgier zerstöre die Erste Welt die Dritte. Sowohl der Innenminister als auch die Bürgermeister - vor dem Neuen Rat die Einbecker Bürgermeisterin Dr. Michalek - wurde aufgefordert zu handeln und für sichere Häfen zu sorgen. Sie sollten bereit sein, über die Verteilungsquote hinaus Geflüchtete aufzunehmen und sich öffentlich solidarisch mit Geflüchteten und den Seenotrettern zu zeigen.

Eindringlich verwiesen die Redner auf ein Zitat des deutschen Schriftstellers Erich Kästner: »Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen, später war es zu spät. ... Man muss den rollenden Schneeball zertreten; die Lawine hält keiner mehr auf.« »Dass so viele Menschen gekommen sind, bedeutet uns viel«, so die Sprecher der Aktion in einem Fazit vor Ort. »Wir waren überrascht, wie viele Menschen dabei waren.«

Bei nur 48 Stunden Vorlauf konnten doppelt so viele Teilnehmer mobilisieren als bei der letzten Demonstration. Der Ablauf der Veranstaltung sei trotz des Erscheinens der Kameradschaft Einbeck reibungslos und wie geplant verlaufen. Leider sei die Polizei Einbeck nicht sehr kooperativ gewesen, sie verwies die »Seebrücke«-Teilnehmer trotz dreifacher Teilnehmerzahl für die Abschlusskundgebung auf den für 25 Personen ausgelegten Keene-Platz am Neuen Rathaus. »Wir hoffen, dass unsere Nachricht angekommen ist, auch bei Frau Michalek, die lediglich kurz aus dem Fenster linste.«ek